Berlin 1933 bis 1938: Zerstörte Vielfalt

bb-tor-saeulen-artikelbild.gif

Säulen vor dem Brandenburger Tor / Alle Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Das Land Berlin, vertreten durch die Kulturprojekte Berlin GmbH, und das Deutsche Historische Museum haben jetzt ein Themenjahr eröffnet, in dem sich in den kommenden Monaten rund 120 Projekte mit 500 Veranstaltungen „dem Gedenken, der Mahnung, Erinnerung und aktiven Auseinandersetzung“ mit dem Nationalsozialismus widmen: Wie konnte es gelingen, die Vielfalt Deutschlands so schnell zu zerstören?

Als prominentester Ort steht Berlin stellvertretend für andere Städte Deutschlands und war das Zentrum der kulturellen Vielfalt, sowie das Zentrum der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten. Die historischen Fakten haben wir alle bereits als Schüler gelernt, aber, und das ist eine Frage, die bis in die Gegenwart hineinreicht, wie konnte es den Nationalsozialisten gelingen, innerhalb weniger Jahre eine Kultur und Gesellschaft ‚gleich zu schalten‘, eine bestehende Vielfalt zu zerstören.

Das Themenjahr 2013 spannt einen historischen Bogen vom 30. Januar 1933 (vor 80 Jahren) bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938 (vor 75 Jahren). Diesen Monatsrahmen hat auch das Themenjahr: vom 31. Januar bis 10. November 2013.

Rund 120 Projekte werden mit mehr als 500 Veranstaltungen in diesen sieben Monaten die verschiedensten Facetten dieser Zeit beleuchten, denn die einer „Gleichschaltung“, als ob man einfach einen Schalter umlegt, beschreibt die Realität des historischen Geschehens keineswegs. Nicht nur die Irrtümer der Konservativen um Hindenburg, man würde diesen Herrn Hitler schon unter Kontrolle behalten, nicht nur die Hoffenden, die sich auf die Propaganda verlassen hatten, die Trittbrettfahrer der „Märzgefallenen“, die nach der März-Wahl in die NSDAP eintraten, etc. Es war auch die Kontrolle des Beamtenapparates, der Polizei, die mit brutalen Razzien die politische Opposition liquidierte, mit massenwirksamen Inszenierungen von Macht und Größe, die Zensur der Medien, die Zerschlagung der Gewerkschaften und die Verfolgung, Vertreibung und Verhaftungen aus rassischen und politischen Gründen.

Zu diesen und weiteren Themen gibt es eine Vielzahl von Projekten des Themenjahrs 2013, bei denen die Organisatoren davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten noch weitere hinzukommen werden.

Sichtbarster Teil im öffentlichen Raum sind 40 Säulen mit großformatigen Porträts von 200 Menschen, deren Biographien beispielhaft stehen für eine Vielzahl von Künstlern, Schriftstellern, Komponisten, Theaterleuten, Ärzten, Anwälten, Wissenschaftlern, Lehrern, u.v.a.m. die das vielfarbige, gegensätzliche Berlin dieser Jahre darstellten.

Es ist eines der bislang wenigen Projekte, bei dem das Land Berlin (Kulturprojekte) und der Bund (Deutsches Historische Museum) kooperieren. Der Berliner Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, André Schmitz, betonte im Mediengespräch: „Es ist vermutlich die größte Veranstaltung, die bisher zum Gedenken der Opfer stattfindet.“ Und noch etwas anderes verdeutlicht ihm diese Vergegenwärtigung: Berlin ist wieder zu dem geworden, was es einmal war, eine große kulturelle Vielfalt mit vielen Gegensätzen. Die Idee zu dem Themenjahr ging von ihm aus und er konnte den neu ernannten Direktor des Deutschen Historischen Museums dafür gewinnen. 2009 haben die Planungen begonnen, rund 5 Millionen Euro wurden aufgewendet (400.000 aus dem Hauptstadt Kulturfonds, 2,4 Millionen vom Lotto und rund 2 Millionen bei den 120 Projektpartnern).

Unter den zahlreichen und kaum überschaubaren Projektpartnern befindet sich auch der Humanistische Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg, der die Wanderausstellung „Humanisten im Fokus - Widerstand einer vielfältigen Bewegung und ihre Verfolgungsgeschichte“ beiträgt, die ab dem 15. März jeweils in verschiedenen Rathäusern Berliner Bezirke gezeigt wird: „Die Anhänger der humanistischen Bewegung vertraten auf Basis ihrer atheistischen Weltanschauung Werte wie Solidarität, Freiheit und Gleichheit. Sie engagierten sich im Freidenkerverband und in der „weltlichen“ Schulbewegung. Die Nationalsozialisten lehnten diese Ideen ab; kurz nach ihrer Machtübernahme zerschlugen sie die humanistische Bewegung. Die meisten Humanisten blieben ihren Idealen treu. Einige von ihnen bezahlten ihr Engagement mit dem Leben. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Menschen, die ihre humanistischen Werte bewahrt und sich gegen das NS-Regime aufgelehnt haben.“

Das Deutsche Historische Museum versteht seine Sonderausstellung als Ausstellungs-Portal, in dem 40 Partnerprojekte vorgestellt werden. Die verschiedensten Orte der Stadt kommen ins Museum und weisen von dort wieder hinaus in die Stadt. Nach der Logik eines Standrundgangs werden zehn Themen dargestellt. Großformatige, bis an die Decke reichende historische schwarz-weiß Fotografien sind die Markierungen für die Themen („Symphonie der Großstadt“, „Machtergreifung. Inszenierung und Zustimmung“, „Razzien im Scheunenviertel“, „Gleichschaltung der Verwaltung“, „Deportationen/Anhalter Bahnhof“, u.a.m.).

Es gibt kostenlose Begleithefte (in Deutsch und Englisch), Besucherführungen, Hörführungen für Erwachsene und Kinder, eine Filmreihe im Zeughauskino, Musikabende sowie Fachgespräche. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.

C.F.