Preisverleihung "DA! Art-Award 2022"

Die Macht des Mythos

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Preisverleihung des DA! Art-Awards 2022.

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Die Preisträger*innen 2022.

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Das Organisationsteam des DA! Art-Awards.

Vier Kunstwerke wurden gestern in Düsseldorf mit dem DA! Art-Award 2022 ausgezeichnet. Bereits zum dritten Mal wurde der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte säkulare Kunstpreis des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes in diesem Jahr ausgelobt.

"Die Macht des Mythos" – so lautete das Motto des diesjährigen DA! Art-Award, der im Zwei-Jahres-Turnus vom Düsseldorfer Aufklärungsdienst ausgelobt wird. Erstmals vergeben wurde der säkulare Kunstpreis 2018 zum Thema "Wissen statt Glauben", 2020 lautete das Thema "Wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus …". In diesem Jahr wurden aus über 1.100 Bewerbungen insgesamt 99 Werke von einer Vor-Jury nominiert und seit Anfang September im Düsseldorfer Stadtmuseum ausgestellt.

Eine Jury aus Künstler*innen, Kunstkenner*innen, Philosoph*innen und Mythenexpert*innen wählte aus ihnen die Preisträger*innen der drei Kategorien "Malerei, Grafik und Zeichnung", "Plastik, Skulptur und Installation" sowie "Fotografie und Medienkunst". Die Preise sind jeweils mit 3.000 Euro dotiert. Eine weitere Auszeichnung mit einem Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro verlieh das Publikum, denn die Besucher*innen der Kunstausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum konnten während der dreiwöchigen Ausstellungszeit ihr Lieblingskunstwerk wählen.

Gewinner der Kategorie "Malerei, Grafik und Zeichnung" ist das Gemälde "Deutscher Wald (2021)" von Wolfgang und Petra Eberhardt. Das Kunstwerk reflektiert das bis heute romantisch aufgeladene Bild des deutschen Waldes und der deutschen Eiche, die "heute bei der Bundeswehr noch genauso hoch im Kurs [steht] wie bei dem preußischen Heer oder der Wehrmacht im 3. Reich", so die Künstler.

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"Der Deutsche Wald (2021)"

Begründung der Jury: "Die Jury hat sich nach eingehender Diskussion für das Werk 'Deutscher Wald' von Wolfgang und Petra Eberhardt entschieden. Das Werk greift einen traditionsreichen, mächtigen und immer noch wirksamen Mythos auf, den deutschen Wald. So wurde der Wald in der Zeit der Deutschen Romantik als 'Sehnsuchtsort' des deutschen Volkes verstanden und eng mit der deutschen Nation verbunden. Diese nationale Bindung des Waldes wurde u. a. auch von den Nationalsozialisten weitergeführt, noch verstärkt und in ihre Rassenideologie eingefügt. Die Künstler haben es geschafft, den Form-Inhaltsbezug eindrucksvoll umzusetzen. Die von ihnen gewählte, auf die dunkle deutsche Vergangenheit verweisende Frakturschrift für den Begriff 'Deutscher Wald' setzt sich mit ihrem Weiß stark von dem dunkelgrünen Untergrund ab und kontrastiert mit den schwarz getönten, auf der Bildfläche verteilten Eichenblättern. Die Bildelemente und ihre kompositionelle Verbindung wirken auf die Betrachterin und den Betrachter bedrohlich und unheilvoll. Das kritische Werk 'Deutscher Wald' verweist ganz aktuell auch auf die mythisch grundierten Natur- und Lebensschutz-Vorstellungen einiger Gruppierungen, die einem rational reflektierten Naturbezug entgegenstehen."

Gewinner der Kategorie "Plastik, Skulptur und Installation" ist das Werk "Trust (2022)" von Nessi Nezilla, das sich auf den Mythos des Glaubens und die Macht des Vertrauens bezieht. "Das Kunstwerk nutzt die Taten von Charles Manson, Ted Bundy, Marc Dutroux, um diese auf die katholische Kirche zu spiegeln, indem die Straftäter mit Kirchengewändern abgebildet sind. Dadurch wird der Mythos Glauben der katholischen Kirche in Frage gestellt. Denn Glaube bedeutet Vertrauen", so die Künstlerin.

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"Trust (2022)"

Begründung der Jury: "In der Kategorie: Plastik, Skulptur und Installation, hat sich die Jury für das Triptychon 'Trust' von Nessi Nezilla entschieden. Formal ist es ein Wandaltar mit einer Haupttafel und zwei beweglichen Flügeln aus schwarz gefärbtem Holz, darauf befestigten verbogenen Metallplatten mit Fronten aus Fotomontagen. Zudem wurde das Werk mit blutigen Farbspritzern und Feuer behandelt, was die Schwere und Düsterheit der Arbeit noch verstärkt. Thematisch bezieht sich das Objekt auf den Mythos des Glaubens und die Macht des Vertrauens, denn 'Trust' heißt 'Vertrauen'. Im krassen Gegensatz dazu sehen wir auf den Flügeln Ted Bundy, ein Inbegriff der Misogynie und des Sadismus und Marc Dutroux, einen Pädokriminellen – beide wie Kardinäle bekleidet. In der Mitte: Charles Manson – der als Massenmörder berühmt wurde – im päpstlichen Gewand. Diese Darstellung spiegelt die katholische Kirche und stellt ihren Glauben infrage. Die Spiegelung funktioniert allerdings auch umgekehrt, da es im sozialen Raum nichts gibt, was ausschließlich für sich selbst steht. Die Jury betrachtet das Werk auch als Anstoß zur Überprüfung der Mythen, denen wir alle durch Massenmedien ausgesetzt sind, wie beispielsweise dem Charisma von Führungspersönlichkeiten oder dem Helter-Skelter-Narrativ."

Gewinner der Kategorie "Fotografie und Medienkunst" ist die aus 98 Einzelfotografien bestehende Fotoreihe "Die Regensburger Domspatzen (2013)" von Jürgen Baumann. Anlass seines Kunstwerks war der Skandal um den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Es handelt sich bei den Fotografien um Portraitausschnitte der Regensburger Domspatzen. Jedes Chormitglied wurde von Baumann einzeln beim Singen fotografiert und die Aufnahmen anschließend als Tableau angeordnet – wobei die Anordnung der klassischen Choraufstellung entspricht. "Der teilweise leicht erotischer Charakter ist beabsichtigt und bringt den Betrachter in Ambivalenz", so der Künstler.

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"Die Regensburger Domspatzen (2013)"

Begründung der Jury: "Die Macht des Mythos hat die Aufklärung über physische, psychische und sexuelle Gewalt in kirchlichen Institutionen lange verhindert. Jürgen Baumanns Fotoserie 'Die Regensburger Domspatzen' bringt dies drastisch auf den Punkt, indem er sich ausschließlich auf die Münder der Sänger konzentriert. Symbolisierten Knabenchöre früher die vorgebliche Reinheit und Unschuld des Glaubens, stehen sie heute vermehrt für die Schuld von Kirchenmännern, die sich an Kindern vergangen haben. Dabei agiert Baumann geschickt auf doppeltem Boden: Schein und Sein, Klerus und Eros, Kirchenkantate und Oralsex fließen unvermittelt ineinander – Inkonsistenzen, die nicht nur den Mythos eines deutschen 'Elite-Chors' mit 1000-jähriger Geschichte entzaubern, sondern auch den Mythos einer vermeintlich 'heiligen' Institution, die sich noch immer als 'Hüterin der Moral' aufspielt."

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"Out of Paradise (2022)"

Den Publikumspreis gewann das Gemälde "Out of Paradise (2022)" von Ulrike Hüppeler. "Der 'mächtigste Mythos der Menschheit' – die Vertreibung aus dem Paradies", so die Künstlerin über das Werk. "Eva naschte vom Baum der Erkenntnis und verführte den arglosen Adam. Vorbei war es mit der Glückseligkeit. Erkenntnis ist des Teufels! Der Mann soll fortan herrschen über die Frau, sie büßt in Gefolgschaft der Eva bis heute. Ursünde Adams, Machtmittel der autoritären Kirche. Mit der patriarchalen Auslegung des Paradiesmythos prägt sie das gesellschaftliche Denken und das Frauenbild seit Jahrhunderten."

Der nächste DA! Art-Award wird voraussichtlich im Jahr 2024 ausgelobt werden.

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