BERLIN. „Ogott-ogott“ möchte man ausrufen wenn man das Schreiben liest, welches mir vor kurzem auf den Schreibtisch flatterte.
Da meldet sich die „Kirchensteuerstelle der evang. und katholischen Kirche Berlin“ zum wiederholten Male bei mir, um noch etwas Geld aus mir heraus zu kitzeln.
Angefangen hatte alles mit einem Schreiben des Finanzamtes, ich möchte doch einmal bekannt geben, welcher Konfession ich angehöre. Also: Wie getauft und wann ausgetreten? Dies verwunderte mich bereits, da die dort ausgestellte Lohnsteuerkarte mich korrekt als „konfessionslos“ klassifizierte. Also kleiner Brief zurück: „Soweit erinnerlich katholisch und später ausgetreten“ und Schreiben in den Müll. – Was für ein Fehler!
Einige Zeit später wieder ein Schreiben von dieser Stelle. Ich möchte doch den Zettel vorlegen, der den Kirchenaustritt belegt. Welchen Zettel? Das ist mehr als zwanzig Jahre her mit dem Austritt. Hab ich nicht mehr. Und die alten Lohnsteuerkarten von früher auch nicht mehr. Also beim Finanzamt angerufen und nachgefragt, was denn das jetzt soll. Nein, dass sei alles kein Problem, es genüge auch die Heiratsurkunde.
Also Heiratsurkunde geschickt. Kurz darauf wieder ein Schreiben der Kirchensteuerstelle. „Heiratsurkunden könnten leider nicht anerkannt werden.“ Man benötige das entsprechende Zettelchen (Amtliche Austrittserklärung).
Es scheint doch ernster zu sein, als ich dachte und rief erneut beim Finanzamt an: Woher wissen Sie eigentlich, dass ich konfessionslos bin? Darauf kam irgendwie keine konkrete Auskunft.
Damit setzte ernsthaftes Nachdenken über etwas ein, was ich vor zwanzig Jahren hinter mit gelassen hatte. Dann noch tiefer nachgedacht: Wo bin ich eigentlich ausgetreten? War das in Göttingen? Also Anruf in Göttingen, Amtsgericht. Nein wir haben hier keinen Austritt vorliegen.
Erneut bei der Kirchengemeinde angerufen. Nein, hier sind sie nicht gemeldet. Im Geburtsort die zuständige Kirchengemeinde angerufen. Nein, hier sind sie auch nicht registriert. Es sieht plötzlich so aus, als sei ich nie katholisch gewesen.
Aber dagegen spricht das Schreiben der Kirchensteuerstelle: „Bis zum Nachweis des Kirchenaustrittes müssen wir Sie als Mitglied der evangelischen Kirche führen.“
„Ogott-ogott“ nun wirklich ausgerufen und Prost Mahlzeit gesagt! Soll ich mich jetzt an den Papst wenden, dass da massiv Kirchenschäfchen an die Konkurrenz verschachert werden? Und ist es der Kirche – egal welcher – gleichgültig, ob ein bekennender Atheist und damit ungläubiger Antichrist aufgenommen werden soll? Und wodurch ist eigentlich eine Zwangsevangelisierung grundrechtlich abgesichert? Sicher dadurch: Beim Geld hört offensichtlich jede Moral auf. Auch die christliche.
Der hpd hat seit seiner Gründung immer wieder über Fälle wie den meinen berichtet Rasterfahndung nach Kirchensteuerflüchtigen, Atheisten finanzieren Kirche. Nun reicht es: Eine Betroffenengruppe ist wohl nötig. Sie zu bilden – unter dem Dach des „Humanistischen Verbandes“ (HVD) – rufe ich hier auf. Ich übernehme gern die Koordination. Jemand muss dies ja am Anfang in die Hand nehmen.
Also, liebe Mitbetroffene und Kirchensteuergeschädigte, meldet Euch bei mir über den HVD oder, wenn Ihnen das lieber ist, über den hpd Büro Berlin, bei mir persönlich.
Wolfgang Spurzem