Das Hasenfest, das war’s.

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Städte-Collage

DEUTSCHLAND. (hpd) Der Rückblick auf Grün­donnerstag, Kar­freitag und Samstag in mehreren Städten zeigt, dass der Slogan für mehr Pluralismus „Ich lass Dich beten – lass Du mich tanzen“ eine erhebliche mediale Wirkung erzeugt hat. Eine Dokumentation mit kurzen Berichten und einigen Bildern.

Frankfurt. Am Donnerstag präsentierte sich den Passanten an der Konstablerwache in Frankfurt ein politisches Aktions­bündnis, das bundes­weit für erhebliches Presseecho sorgte: Unter dem Slogan „Ich lass Dich beten – lass Du mich tanzen“ taten sich als Piraten verkleidete Anhänger der „Kirche des fliegenden Spaghetti­monsters“, in schwarzer Nerdtracht gewandete Mitgliedern der „echten“ Piraten­partei Frankfurt, ein quietsch-rosafarbener Osterhase, der hessische Landes­verband des IBKA, die Frank­furter Regional­gruppe der GBS, die Laizistischen Sozis und mehrere in hochwertigen C&A Anzügen auftretende Wahl­kämpfer der Satire­partei „die PARTEI“ zur Frankfurter Sektion des „Bündnis Hasenfest“ zusammen. So unterschiedlich das Auftreten, so vereint waren die Bündnis­partner doch hin­sichtlich des verfolgten politischen Ziels: der Säkularisierung der derzeit geltenden Feiertags­gesetz­gebung.

Die Feier­tags­gesetz­gebung der meisten Bundes­länder verbietet an den sogenannten „stillen Feiertagen“ öffentliche Tanz-, Sport- und Vergnügungs­veran­staltungen, ja sogar Versammlungen, sofern diese nicht dem „ernsten Charakter“ des religiösen Feiertags entsprechen. Gläubige Christen können dagegen ungestört in Gottes­diensten und Prozessionen ihre Welt­an­schauung im öffentlichen Raum präsentieren. Angesichts des Umstands, dass ein Drittel der Bevölkerung mittler­weile konfessions­frei ist und die meisten (Taufschein)Christen der christliche Sinn­gehalt dieser Feier­tage weder bekannt noch von Bedeutung ist, stellt die Feier­tags­gesetz­gebung der meisten Länder aus Sicht des Bündnisses einen absoluten Anachronismus dar. Das „Aktionsbündnis Hasenfest“, dem sich säkulare Gruppen in mehreren deutschen Städten ange­schlossen haben, hat nicht die Ab­schaffung eines arbeits­freien Tages zum Ziel. Vielmehr geht es ihm um die Abschaffung des religiös begründeten Tanz- und Versammlungs­verbots.

In Frankfurt freuten sich sieben frisch Ausgetretene über eine Erstattung der Austritts­gebühr und kleine Präsente. Als besonderen Service vollzog Bruder „Gnocchi Gorgonzola mit Parmesan und Speck“ von der Kirche des Fliegenden Spaghetti­monsters eine offizielle Enttaufungs­zeremonie an einigen der neuen Konfessions­freien, um diese bleibend gegen die „bösen Geister“ des Katholizismus zu immunisieren. Die Partei „die PARTEI“ nutzte die Aktion als Plattform für den eigenen Wahlkampf und präsentierte ihre Anzüge, ihr Partei­programm sowie mehrere kirchen­kritische titanic-Titelbilder geneigten Passanten und potentiellen Wählern. Der IBKA und die GBS Frankfurt verteilten fleißig Info­broschüren an zahlreiche Zuschauer, die das Spektakel interessiert beobachteten.

Fotos © Dennis Merbach

Mainz. Die säkulare Szene in Mainz war ebenfalls nicht untätig. Etwa 20 Mitglieder und Unterstützer der GBS Mainz ein­schließ­lich eines rosa Hasen begleiteten vier Personen bei deren Austritt aus der Kirche. Drei von ihnen trafen erst kurz vor Ende der Aktion beim Standesamt ein. Auch eine Protest­aktion der Jungen Union Mainz konnte die Aus­tretenden nicht davon abhalten, sich ihrer unfrei­willig erhaltenen Kirchen­mitglied­schaft nun als Erwachsene zu entledigen: „Ich bin Atheist, das bin ich eigentlich schon seit ich denken kann, und außerdem finde ich, dass die Kirche viel zu viele Privilegien hat", so der erste Austretende des Tages. Mit den Mitgliedern der Jungen Union entwickelten sich wie schon im Vorjahr viele Diskussionen, die die Szenerie vor dem Standes­amt belebten und den Austritts­helfern von der GBS Mainz die Möglich­keit gaben, ihre Argumente darzulegen. Sekt, Eierlikör und ein paar Sonnen­strahlen trugen zu einer beschwingten Stimmung bei. Eine feierliche Ansprache über die Vorzüge des Denkens gegenüber dem Glauben, der Literatur gegenüber der Liturgie schloss die Austritts­aktion ab.

 

Mit einem mit Leckereien voll­gepackten Boller­wagen machten sich danach die frisch Ausgetretenen und die Organisatoren zusammen auf den Weg zu einem „Gottlos-Glücklich-Picknick“ am Rhein­ufer und sangen sich dabei schon mal für eine SWR-Hörfunk­journalistin ein, die am Pick­nick­platz mit ihrem Mikro auf die Gruppe wartete: "Always look on the bright side of life".

Fotos © GBS Mainz

Dresden. In Dresden war der Ansturm auf das Standesamt zunächst kleiner als erwartet, da sieben der neun Personen, die sich für den Austritt angemeldet hatten, am Grün­donnerstag kurz­fristig verhindert waren. Die Sieben wollen ihren Austritt jedoch in der Woche nach der Austritts­aktion nachholen. Die gbs Dresden, die die Aus­tretenden mit einem weißen Hasen begleitete, verteilte an ihrem Info­stand am Bürger­büro Info­broschüren an Passanten sowie Sekt, Süßigkeiten und Urkunden an die Ex-Kirchen­mitglieder. Außerdem konnten sich alle, die Lust hatten, vom stand­eigenen Schmink­service zum Hasen schminken lassen.

Interessanter­weise war vielen Passanten, die mit den Stand­betreuern ins Gespräch kamen, die geltende Feier­tags­regelung gar nicht bekannt: "Wie jetzt? Feiertags­gesetze? Aber ich bin doch nicht christlich - gilt das für mich trotzdem?" Bzw.: "Davon hab ich ja noch nie gehört. Wenn das stimmt, gehört das sofort abgeschafft. So ein Unfug! Was maßen sich die Kirchen da eigentlich an mit ihrer 'Moral'?"

 

Am Abend fand im Dresdner Bären­zwinger als weiterer Teil der Aktion das Konzert „Tanz Dich frei“ mit dem Dresdner Song­writer Rany und der Punk-Rock-Band "Alpha and Better" statt. Als um 22 Uhr der erste Live-Act auf der Bühne stand und mit Gitarre, Gesang, Loop-Maschine und improvisierten Rap-Texten die Stimmung anheizte, war die Tanz­fläche voller aus­gelassen tanzender Menschen. Wenn das begeisterte Publikum eines nicht im Sinn hatte, war das: Trauer. Ein Kamera-Team vom MDR begleitete die Veran­staltung drei Stunden lang, sah fröhliche Menschen, ob kichernd, rauchend, trinkend oder tanzend. Auch Christen, die die Feier­tags­gesetz­gebung für unsinnig hielten, waren dabei. Unter die bis zu hundert Feiernden mischte sich auch der mannsgroße weiße Hase, der am Vor­mittag die Aus­tretenden begleitet hatte.

Fotos © gbs Dresden (Patrick Schönfeld)

Zwei echte Hasen, die dem mdr-Team draußen – mitten in Dresden – nach der Veranstaltung vor die Kamera liefen, inspirierten die mdr Journalisten in ihrem Bericht zu einer entpolitisierten Version des dies­jährigen Hasen­fest­mottos: „Ich lass euch feiern - lasst Ihr mich mümmeln“. Statt wie befürchtet kurz nach Mitter­nacht von der Polizei abgemahnt zu werden, konnte die Veranstal­tung bis weit nach zwei Uhr weitergehen. Für die Veranstalter und das Publikum ein rundweg gelungener, fröhlicher Tag.

Saarbrücken. Die gbs-Saar konnte mit dem Hasen­fest 2013 in Saarbrücken ihre erste große öffentliche Aktion als vollen Erfolg verbuchen.

Eine bunte, teils mit roten Hasen­ohren bekleidete Truppe der gbs-Saar mit einem ebenso bunten Stand unterstützte am Grün­donnerstag gleich 14 Austritts­willige beim Gang zum Saarbrücker Standes­amt und setzte damit ein Zeichen für Humanismus und Aufklärung.

Neben Möhrchen und Schokolade gab es für Aus­getretene wie für Interessierte ein breites Spektrum an Informations­material. Während der Austritts­aktion gab es am Stand eine Reihe von angeregten Gesprächen mit einem sehr interessierten Publikum. Nach der Schließung des Standes­amtes startet eine Verlosungs­aktion, bei welcher unter den 14 Teil­nehmern vier Austritts­gebühren­rückerstattungen und zwei Buch­preise ("Manifest des evolutionären Humanismus: Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur" von Michael Schmidt Salomon) verlost wurden.

Fotos © gbs Saar

 

Köln. Im sechsten Jahr in Folge lud der IBKA NRW zur 'Religionsfreien Zone', eine Protest­aktion gegen das Feier­tags­gesetz NRW, ins Kölner Film­haus ein. Die Auf­führung der beiden Filme „Agora - Die Säulen des Himmels“ und „Das weiße Band“ waren sehr gut besucht. Die Veran­stalter werteten dies als erfreuliches Zeichen, dass immer weniger Menschen in Deutschland sich an den stillen Feier­tagen das vernunft­geleitete Denken und den Spaß verbieten lassen. Details zur Veran­staltung können einem ausführlichen Bericht des Veranstalters entnommen werden.

In Bochum hatte sich die Initiative „Religionsfrei im Revier“ dem Bündnis angeschlossen und sich am Kar­freitag unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual“ durch Auf­führung des Films „Das Leben des Brian“ gegen die tristen Bestimmungen des Feier­tags­gesetzes NRW gewehrt. Der Saal des Sozialen Zentrums war bis zum letzten Platz gefüllt. Viele Besucher waren in erster Linie gekommen, um gegen das Feier­tags­gesetz zu verstoßen bzw. ihren Unmut über dieses Gesetz zum Ausdruck zu bringen.

In einem Interview machte Martin Budich, einer der Initiatoren der Bochumer Film­aufführung, deutlich, dass die Feier­tags­gesetzgebung in NRW nur eines unter einer Viel­zahl von über­holten Privilegien der christlichen Kirchen ist. Trotz anfänglicher Befürch­tungen, die Bochumer Polizei könnte die Film­auf­führung noch in letzter Minute unter­binden, verlief die Veran­staltung ohne Zwischen­fälle wie geplant.

In Augsburg hatten die Veranstalter gbs Augsburg und bfg Augsburg am Grün­donnerstag Nachmittag einen Stand auf dem Augs­burger Rathaus­platz angemeldet und neun Personen bei deren Austritt aus der Kirche begleitet. Für Ausgetretene gab es zur Austritts­gebühr eine Urkunde und ein Glas Sekt oder Wein nach Wahl. Zudem übernahm der bfg Augsburg die amtliche Austritts­gebühr für alle Aus­getretenen. Die Reaktionen von Passanten im gläubigen Augsburg waren sehr durchwachsen, von sehr interessiert bis beschimpfend, und auch witterungs­mäßig wehte den Aktiven am Info­stand im wahrsten Sinne des Wortes "ein eisiger Wind aus Richtung Dom" entgegen. Insgesamt war das Interesse für die gbs-Augsburg am Info­stand jedoch sehr hoch, was wohl auch dem umfang­reichen Info-Material der gbs))) und den engagierten Stand­betreuern geschuldet war. Die Stand­betreuung durch die Mitglieder von gbs- und bfg- Augsburg wurde durch Mitglieder der Parteien DIE LINKE und den PIRATEN tat­kräftig unter­stützt.

In Trier gab es in diesem Jahr vier Kirchen­austritte, die alle von den evolutionären Humanisten Trier gesponsert wurden. Nach einem kurzen Besuch im Trierer Standes­amt wurde gemeinsam - mit orangenen Hasen­ohren auf dem Kopf - auf die neu erworbene Konfessions­freiheit angestoßen.

Die Regional- und Hochschul­gruppe der Giordano-Bruno-Stiftung in Trier veranstaltete zudem einen dreifachen Aktionstag mit einer Tierrechtsaktion, einem Tanzflashmob und einer „Langen Nacht der Musikwissenschaft“.

 

In Kaiserslautern nahm Ramona Wagner, eine der Gründerinnen der erst vor wenigen Monaten ins Leben gerufenen Giordano Bruno Stiftung Kaisers­lautern Westpfalz, die Hasenfest­aktion zum Anlass, am Grün­donnerstag zusammen mit noch fünf weiteren Personen aus der Kirche auszu­treten. Drei der Aus­getretenen fühlten sich einfach nicht mehr gläubig genug, die vierte wollte mehr Geld am Ende des Jahres übrig behalten, und für Ramona Wagner war die Aktion die lang ersehnte Option, mit ihrem Austritt ein öffentliches Signal an Politik und Kirche auszu­senden. Homophobe Äußerungen seitens der Kirchen und christlicher Politiker, Kündigungen in kirch­lichen Ein­richtungen wegen Ehe-Scheidung, halb­herzige Aufklärungs­versuche der katholischen Kirche bei den Miss­brauchs­fällen sowie Zwangs­taufe für konfessions­lose Menschen die in sozialen Berufen tätig sein möchten, waren für Frau Wagner Anlass zum Austritt, auch wenn keiner der genannten Nach­teile auf sie selbst zutrifft: "In einer Gemein­schaft kämpft man nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Nächsten. Dort wo Moral versagt, fängt Humanismus an", meinte die Humanistin.

Alle sechs Austretenden teilten den Wunsch in einem säkularen Staat zu leben, in welchem Neutralität kein Wunsch­denken ist und Menschen­rechte Vorrang gegenüber religiös begründeten Moral­vor­stellungen haben.

München. Etwa 15 Mit­glieder und Unter­stützer der GBS München informierten am Grün­donnerstag vor dem Standes­amt an ihrem Info­stand Passanten zum Thema Kirchen­austritt und zur Problematik der Feier­tags­gesetz­gebung. Mehrere Passanten äußerten sich positiv über die Aktion, es kam auch zu einem konstruktiven Gedanken­austausch mit einem katholischen Jugend­pfarrer, welcher gekommen war, um für den Verbleib in der katholischen Kirche zu werben. Zu einem Kirchen­austritt ließ sich der Pfarrer aller­dings nicht bewegen.

Foto © GBS München

Hannover. Mit einem Info­stand unter dem Motto "Kein Tanzverbot an Feiertagen!" wies der IBKA-Landes­verband Niedersachsen/Bremen auf die Problematik des derzeit bestehenden Feier­tags­gesetzes in Nieder­sachsen hin. Der Stand war über ca. drei Stunden hinweg mit 8 Personen gut ver­treten. Trotz des kalten und windigen Wetters nahmen erfreulich viele Passanten die aus­liegenden Broschüren und Flyer mit. Eine weitere Aktion ist für den 1. Mai (Tag der Arbeit) geplant, um die GerDiA-Kampagne „Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeits­platz!“ zu unter­stützen. 

Foto © IBKA Landesverband Niedersachsen/Bremen

Freiburg. Zur Aktion in Freiburg lagen bei Redaktions­schluss noch keine Angaben vor.

Luxemburg. Die „Allianz von Humanisten, Atheisten und Agnostikern“ (AHA) Luxemburg veran­staltete im Zuge des Hasen­fests am Kar­freitag ein Konzert mit DJ Starsky und Musik aus den 80er und 90er Jahren. Zur Party gehörte ein Preis­ausschreiben für den besten kirchen­kritischen Slogan, der mit „Hast Du schon ...?“ beginnt. Auf ihrer Homepage stellt die AHA Formulare für den Kirchen­austritt bereit (In Luxemburg ist der Austritt auch ohne persönliches Erscheinen einfach durch Aus­füllen eines Formulars möglich, eine begleitete Austritts­aktion vor einer Behörde war daher nicht Teil des Programms).

Österreich. Nach Österreich ist die Tradition des Hasenfests bisher nicht vorgedrungen - für die säkulare Szene war es nichtsdestotrotz ein ereignisreiches Wochenende.

tb