Darf man nichtmenschliche Tiere aufziehen und töten, um sie zu essen? Heiner Michel meint, dass wir auf das Leid empfindungsfähiger Tiere Rücksicht nehmen sollten. Aus dieser Rücksicht allein erfolge aber noch kein direktes Tötungsverbot.
Darf man nichtmenschliche Tiere aufziehen und töten, um sie zu essen? Das ist aufgrund der enormen Zahl der betroffenen Tiere1 eine der Kernfragen der Tierethik.2 Generell untersucht die Tierethik, ob und in welchen Hinsichten wir moralische Rücksicht auf Tiere nehmen sollten. Dieser Standpunkt zur Tierethik vertritt eine pathozentrische Position, nach der wir auf das Leid empfindungsfähiger Tiere Rücksicht nehmen sollten, diskutiert ihre Relevanz für den Fleischverzehr und skizziert abschließend neuere Entwicklungen in der tierethischen Forschung.
Die anthropozentrische Position
Das grundsätzliche Vorgehen in der Tierethik besteht in der Untersuchung, ob moralische Kriterien und Prinzipien, die für den Umgang mit Menschen gelten, auch auf Tiere Anwendung finden müssen. Anthropozentrische Positionen in der Tier- und Naturethik gehen davon aus, dass moralische Kriterien und Prinzipien nur auf Menschen Anwendung fänden, und wir folglich nur auf Menschen um ihrer selbst willen moralische Rücksicht nehmen müssten. Nachbars Katze dürften wir demnach nur deshalb nicht quälen, weil dies gegen die Interessen des Nachbarn verstieße.
Begründet wird die anthropozentrische Position in der Regel mit der Rücksicht auf Vernunft. Dieses Kriterium schließt auch einige nichtmenschliche Tiere3 in die Moral ein, nämlich alle, die ebenfalls über die Fähigkeit zur Vernunft verfügen. Das Vernunftkriterium ist allerdings problematisch: Es schließt nicht alle Menschen in die Moral ein. Menschen, die noch nicht, nicht mehr oder überhaupt nicht über die Fähigkeit zur Vernunft verfügen, hätten keinen Anspruch auf moralische Rücksicht: Säuglinge, Menschen mit Demenz und Menschen mit schwerster geistiger Behinderung. Möchte man auch sie in die Moral mit einschließen, muss man die anthropozentrische Position ergänzen.
Die pathozentrische Position
Im moralischen Umgang mit anderen Menschen nehmen wir nicht nur Rücksicht auf ihre Autonomie, sondern auch auf ihre Empfindungen. Wir berücksichtigen, dass andere ein Interesse daran haben, negative Empfindungen wie Schmerzen zu vermeiden und positive Empfindungen wie Freude zu haben. Auch viele Tiere sind empfindungsfähig und dementsprechend moralisch zu berücksichtigen. Empfindungsfähige Tiere nur deshalb von moralischer Rücksicht auszunehmen, weil sie Tiere sind und nicht der Spezies Mensch angehören, wäre unbegründet und speziesistisch.45
Für die Zuschreibung von Schmerzempfindungen an Tiere gelten, abgesehen vom sprachlichen Ausdruck, grundsätzlich die gleichen Kriterien wie für Menschen: ein spezifisches Ausdrucksverhalten und Vokalisation, die Änderung von Verhaltensroutinen, physiologische Veränderungen wie die Beschleunigung der Herz- und Atemfrequenz sowie das Vorhandensein von morphologischen und neurophysiologischen Bedingungen wie Nozirezeptoren und Hirnarealen, die schädigende Reize verarbeiten können.6
Die Zuschreibungsfrage ist von der "Anfühl"-Frage zu unterscheiden. Wir können empfindungsfähigen Tieren zuschreiben, dass sie Schmerzen empfinden, aber wir können nicht genau wissen, wie sich Schmerzen für die Mitglieder anderer Arten anfühlen, etwa für eine Maus oder eine Meise.7 Daraus folgt aber nicht, dass das Schmerzempfinden von Menschen grundsätzlich gravierender sei und ihm deshalb mehr moralische Relevanz zukäme als dem von Tieren. Um dem Speziesismusvorwurf zu entgehen, müsste man ergänzen, warum menschlicher Schmerz grundsätzlich moralisch gravierender sein sollte. Ein mögliches Argument wäre, dass reflektierter Schmerz gravierender sei. Gegen das Reflexionsargument lässt sich allerdings einwenden, dass Reflexion auch die Distanzierung von der eigenen Schmerzempfindung erlaubt und reflektierter Schmerz deshalb nicht grundsätzlich gravierender sein muss als nicht reflektierter.8
Darf man Tiere töten?
Aus der pathozentrischen Position folgt kein direktes Tötungsverbot. Sofern das Töten ohne die Zufügung von Leid geschieht, ist es erlaubt. Für die Begründung eines Tötungsverbots bedarf es eines zusätzlichen Arguments, etwa der Rücksicht auf Überlebensinteresse, also auf das unmittelbare Interesse am Überleben und auf zukunftsgerichtete Interessen.9
Was aber ist mit der Intuition, dass das Töten von empfindungsfähigen Tieren moralisch problematisch ist, auch wenn diese über kein Überlebensinteresse verfügen? Eine Ausbuchstabierung dieser Intuition bietet das so genannte Beraubungsargument. Nach ihm beraubt man empfindungsfähige Wesen zukünftiger, positiv erfahrener Lebenszeit. Man denke beispielsweise an Jungtiere, deren Herumtollen pure Lebenslust zu versprühen scheint. Ihr Tod würde sie dieser positiven Erfahrung berauben. Das Beraubungsargument ist allerdings defekt. Zwar ist es richtig, dass getötete Tiere um eine positiv erfahrene Lebensspanne beraubt werden; sofern sie kein zukunftsgerichtetes Interesse daran haben, kann dieses Interesse aber nicht missachtet werden.10
Fassen wir die bisherigen Überlegungen zusammen: Das pathozentrische Argument verlangt, Rücksicht auf die Empfindungen von Tieren zu nehmen. Es gründet in dem Interesse von Tieren, keine Schmerzen und kein Leid zu empfinden. Es begründet aber kein Tötungsverbot, das in der Rücksicht auf Überlebensinteresse gründet. Wenn man empfindungsfähige Tiere ohne Zufügung von Leid oder gar mit positiver Lebensqualität halten und schmerzfrei töten kann, spricht tierethisch grundsätzlich nichts dagegen, Tiere aufzuziehen und zu töten, um ihr Fleisch zu verzehren.
Industrielle Fleischerzeugung
Betrachten wir allerdings die Realität der gegenwärtigen industriellen Fleischerzeugung, ist sie aus pathozentrischer Sicht problematisch, weil empfindungsfähigen Tieren auf allen Ebenen der Fleischerzeugung erhebliches Leid zugefügt wird, von der Zucht von Hühner-, Puten- und Schweinerassen mit hoher, Leid verursachender Gewichtszunahme, der Haltung in zu engen Gehegen, auf Spaltenböden und ohne Beschäftigungsmöglichkeiten, aus Kostengründen eingesparter tierärztlicher Behandlung, langen Transporten, Misshandlung durch das Personal bis zu problematischen Betäubungsmethoden und Betäubungsfehlern bei der Schlachtung.
Zu Betäubungsfehlern kommt es unter anderem durch die wenige Zeit, die in der industriellen Schlachtung für das einzelne Tier bleibt.11 0,1 bis 1 Prozent der Schweine geraten aufgrund unzureichender Betäubung und Entblutung mit Anzeichen der Empfindungsfähigkeit in die Brühanlage. In der industriellen Rinderschlachtung liegt die Fehlbetäubungsrate aufgrund fehlerhafter oder falsch angesetzter Bolzenschussgeräte bei 4 bis 9 Prozent. Zudem ist die Betäubung durch Kohlendioxid, die etwa bei Schweinen zugelassen ist, problematisch. Selbst unter ideal hoher Kohlendioxidkonzentration wird den Schweinen in der Einleitungsphase der Betäubung durch Atemnot und Erstickungsgefühl über 15 Sekunden erhebliches Leid zugefügt.12
Obwohl die pathozentrische Position Fleischverzehr prinzipiell erlaubt, verstößt die Realität der gegenwärtigen Fleischerzeugung vielfach massiv gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf das Leid von Tieren. Ethische Konsumentinnen sollten sich deshalb über die Aufzucht-, Transport- und Schlachtbedingungen informieren. Und da ethische Appelle an Konsumentinnen faktisch wenig bewirken, muss eine wirkungsvolle Rücksicht auf das Empfindungswohl von Tieren politisch über geeignete gesetzliche Bestimmungen und behördliche Kontrollen durchgesetzt werden.
Verbot jeglicher "Tiernutzung"?
Veganerinnen geht die pathozentrische Position nicht weit genug. Sie plädieren für ein Ende der Tötung von Tieren und der Verwendung aller Tierprodukte. Von der Vielzahl von Argumenten, die sie dazu vorgebracht haben, seien zwei herausgegriffen. Gegen die Tötung von Tieren und gegen die Milcherzeugung bringen Veganerinnen unter anderem vor, dass Tiere individuelle emotionale Bindungen aufbauten und sie unter Verlustgefühlen litten, wenn man ihnen nahestehende Tiere töten oder separieren würde. Aus analytischer Perspektive ist zunächst festzuhalten, dass dieser Einwand mit dem psychischen Leid von Tieren argumentiert und sich deshalb im Rahmen des pathozentrischen Arguments bewegt. Aus tierethischer Sicht ist hier empirisch zu klären, wie gravierend das psychische Leid der betroffenen Tiere ist und ab welchem Schweregrad es nicht mehr zugefügt werden sollte. Bei Tieren mit starken sozialen Bindungen müsste man vermeiden, einzelne Tiere aus der Gruppe herauszunehmen oder Tiere zu separieren.
Ein zweites Argument wendet sich gegen jegliche Nutzung von Tieren. Hält man jegliche Nutzung von Tieren und Tierprodukten für verwerflich, muss man begründen, warum dies jeweils problematisch sein soll. Ist es beispielsweise verwerflich, wenn man Pferde reitet oder wenn man Honig aus Bienenstöcken erntet? Dazu müsste gezeigt werden, dass Pferde darunter leiden, geritten zu werden. Im Falle von Bienen müsste nachgewiesen werden, ob sie überhaupt empfindungsfähig sind, und damit, ob sie überhaupt Interessen haben. Kurz, man müsste zeigen, dass die jeweilige Nutzung gegen das Empfindungswohl und die Interessen der betroffenen Tiere verstößt.
Neuere Entwicklungen in der Tierethik
Abschließend möchte ich auf drei aus meiner Sicht besonders interessante Entwicklungen innerhalb der tierethischen Forschung hinweisen.
(a) Welche Tiere empfinden Schmerzen?
Die Frage, welche Tiere Schmerzen empfinden, betrifft die Reichweite der moralischen Rücksicht. Sie ist insbesondere bei Tieren, deren Ausdrucksverhalten und Morphologie sich stark vom Menschen unterscheiden, nicht ohne Weiteres zu beantworten, etwa bei Fischen oder Krebstieren. Bei der Zuschreibung von Schmerzempfinden ist es wichtig zu unterscheiden, ob Tiere bloß über nozizeptive Systeme verfügen, die ihnen erlauben, reflexartig und ohne mentale Repräsentation auf schädigende ("noxische") Reize zu reagieren, oder ob sie tatsächlich Schmerzen empfinden können. Neuere Forschungen an Forellen deuten darauf hin, dass sie Schmerz empfinden können. Indikatoren für ihre Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, sind die Zeitspanne, über die sie ihre Verhaltensroutinen ändern, die Beeinträchtigung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit und die Wirksamkeit von Schmerzmitteln.13 Sollten sich die Ergebnisse für Forellen und andere Fischarten verifizieren lassen, hätte dies weitreichende Folgen für den Fischfang, die Fischzucht und für Tierversuche an Fischen.
(b) Können Tiere denken?
Die Antwort auf die Frage, ob Tiere denken können, hängt davon ab, was man unter Denken versteht. Geht man von der Prämisse aus, dass Kognition notwendig sprachgebunden ist, besteht eine grundsätzliche Differenz zwischen der Kognition von Menschen und der Kognition der meisten Tiere und man gelangt zu einer negativen Antwort. Andererseits sind einige Tiere in der Lage, (a) Gedanken zu haben – ein Hund kann beispielsweise von einer Katze die Überzeugung haben, dass sie auf einem Baum ist, (b) Denkprozesse vorzunehmen – wie zum Beispiel Schlüsse zu ziehen sowie (c) ihre Aufmerksamkeit auf eigene oder fremd Gedanken zu richten.14 Neben der schon aus epistemologischen Gründen interessanten Frage, inwieweit Tieren welche geistigen Fähigkeiten zugeschrieben werden können, stellt sich aus tierethischer Sicht die Frage, welche geistigen Fähigkeiten unsere moralische Rücksichtnahme fordern.
(c) Freundschaft mit Tieren
Viele Menschen bauen zu Tieren und insbesondere zu ihren Haustieren eine intensive gegenseitige Beziehung auf. Aus eudaimonistischer Perspektive15 ist es interessant, diese Beziehungen auf ihr spezifisches Potential für ein gutes, menschliches Leben hin zu untersuchen. Aus tierethischer Perspektive ist die Frage interessant, ob und inwieweit die mit Tieren eingegangenen Beziehungen spezifische moralische Verpflichtungen gegenüber ihnen begründen.16
Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ Autor: Dr. Heiner Michel für bpb.de
- In Deutschland werden jährlich etwa 3,5 Millionen Rinder, 58 Millionen Schweine und über 700 Millionen Hühner, Puten, Gänse und Enten geschlachtet, Quelle: Statistisches Bundesamt, Fleischerzeugung geht im Jahr 2017 deutlich zurück, URL: https://www.destatis.de, Zugriff am: 6.4.2018 ↩︎
- Weitere zentrale Fragen der Tierethik, die in diesem kurzen Standpunkt nicht behandelt werden, sind die Verwendung von Tieren für Leid verursachende Tierversuche und mögliche Verpflichtungen gegenüber wild lebenden Tieren. ↩︎
- Anm. d. Red.: Lebewesen soll der umfassende Begriff sein, zu den Lebewesen gehören Tiere, Pflanzen und Pilze. Menschen sind eine Untergruppierung der Tiere. Spricht man von Tieren mit Ausnahme der Menschen, nimmt man den Begriff nicht-menschliche Tiere (eben: die Tiere, die übrig bleiben, wenn ich Menschen herausnehme). ↩︎
- Jeremy Bentham, Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Oxford 1789, Kap. 17; Peter Singer, Alle Tiere sind gleich, in Angelika Krebs (Hrsg.) 1997, Naturethik – Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Debatte, Frankfurt am Main, 13-32, hier. S. 21. ↩︎
- Anm. d. Red.: Speziesismus meint die moralische Diskriminierung von Individuen allein wegen der Zugehörigkeit zu einer Art. Für eine seriöse Ethik wird eine unparteiische Überlegung/Abwägung verlangt, bei der alle "Betroffenen" berücksichtigt werden. Nimmt man bei ethischen Entscheidungen nur Menschen als Kriterium an oder bewertet deren Interessen ohne Grund höher, nur weil es sich um Menschen handelt, dann spricht man von Speziesismus. ↩︎
- Markus Wild, Fische, Kognition, Bewusstsein und Schmerz. Eine philosophische Perspektive, Bern 2012, S. 68. ↩︎
- Wild, Fische, a.a.O., S. 85f ↩︎
- Angelika Krebs, Haben wir moralische Pflichten gegenüber Tieren? Das pathozentrische Argument in der Naturethik, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 41 (6), 1993, S. 995-1008, hier: S. 1000f. ↩︎
- Norbert Hoerster, Wann beginnt das Recht auf Leben?, Bundeszentrale für politische Bildung 2008, URL: http://www.bpb.de, Zugriff am: 6.4.2018. ↩︎
- Dieter Birnbacher, Lässt sich die Tötung von Tieren rechtfertigen?, in: Ursula Wolf (Hrsg.), Texte zur Tierethik, Stuttgart 2008, S. 212-231, hier: S. 221f. ↩︎
- In der industriellen Schlachtung werden pro Stunde bis zu 80 Rinder, 750 Schweine und mehr als 10.000 Hühner geschlachtet, Quelle: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/9824, Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren, 15.6.2012, S. 12, URL: http://dipbt.bundestag.de, Zugriff am: 6.4.2018. ↩︎
- Ebd, S. 5/6. ↩︎
- Wild, Fische, a.a.O., S. 63f. ↩︎
- Markus Wild, Tierphilosophie, Erwägen Wissen Ethik 23 (1) 2012, S. 21-33. ↩︎
- Anm. d. Red.: Aus einer Perspektive heraus, die fragt, was für ein glückliches und gelungenes Leben wichtig ist. ↩︎
- Anca Gheaus, The Role of Love in Animal Ethics, Hypatia 27 (3) 2012, S. 583-600. ↩︎
28 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Gefällt mir. Mal ein Autor, der mehr als nur einäugig an die Fragestellung herangeht.
Maximilian am Permanenter Link
Die pathozentrische Position spricht allerdings vermutlich nicht nur für das Erlaubtsein des Tötens von Tieren, sondern auch von Kleinkindern.
Hans Trutnau am Permanenter Link
D.h. Menschenrechte würden nicht für Kleinkinder gelten?
Maximilian am Permanenter Link
Unter der pathozentristischen Position kann es tatsächlich keine Rechte auf etwas geben auf das das betroffene Individuum kein Interesse hat.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Erschreckend für wen - da ist hier die Frage.
Thomas am Permanenter Link
"Unter der pathozentristischen Position kann es tatsächlich keine Rechte auf etwas geben auf das das betroffene Individuum kein Interesse hat."
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"Es ist natürlich faktisch so dass andere Individuuen ein Interesse daran haben dass Kindstötung verboten ist. Wenn es dieses Interesse aber nicht gäbe (z.B. in einer Kultur die das Töten von Kleinkindern unter Umständen als unproblematisch erachtet wird) wären die Konsequenzen erschreckend."
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In dieser Befürchtung steckt nicht nur eine gehörige Portion Speziesismus (ersetze 'Kleinkinder' durch 'Schweine', 'Schafe' oder 'Kaninchen'), sondern auch eine bizarre Vorstellung davon, was moralisches Verhalten ist. Da es in der Ethik um möglichst leidfreies LEBEN geht, setzen moralische Menschen ganz selbstverständlich (d.h. auch ohne entsprechende Verbote!) alles daran, ÜBERHAUPT keine empfindungsfähigen Wesen zu töten, weil das NIEMALS "unproblematisch" ist. Warum sollten sie ausgerechnet bei Kleinkindern eine Ausnahme machen?
Maximilian am Permanenter Link
Mir ging es um Rechte im moralischen/ethischen Sinn, nicht im juristischen. In ersterem Sinn können beispielsweise Gesetze als "Unrecht" bezeichnet werden.
Nach der Pathozentrischen Sichtweise ist Töten durchaus unproblematisch wenn dadurch kein Leiden verursacht wird bzw. kein Interesse verletzt wird. Im Artikel heißt es ja:
"Für die Begründung eines Tötungsverbots bedarf es eines zusätzlichen Arguments, etwa der Rücksicht auf Überlebensinteresse, also auf das unmittelbare Interesse am Überleben und auf zukunftsgerichtete Interessen."
Dass nun Tiere und Kleinkinder leiden können dürfte unkontrovers sein. Ob sie aber darüber hinaus ein Überlebensinteresse haben ist fraglich. Sie müssten dafür einen Begriff von der Zukunft haben.
Thomas am Permanenter Link
"Mir ging es um Rechte im moralischen/ethischen Sinn, nicht im juristischen."
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"Nach der Pathozentrischen Sichtweise ist Töten durchaus unproblematisch"
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Dem habe ich in meinem Beitrag vom 17. Mai widersprochen. Ein nichtvorhandenes Lebensinteresse bedeutet NUR, daß es nicht als Argument gegen eine Tötung eingebracht werden kann. Dabei handelt es sich um einen rational unbestreitbaren LOGISCHEN und deshalb vom ethischen Kontext unabhängigen Sachverhalt. Weil es - wie bereits angemerkt - in der Ethik um möglichst leidfreies LEBEN geht, tendiert die allgemeine Tötungsneigung moralischer Menschen gegen null. Sie töten empfindungsfähige Wesen also nur dann, wenn unter den gegebenen Umständen explizite Gründe daFÜR (!) vorliegen, deren Gewicht das aller ethischen Gründe daGEGEN übertrifft. Meiner Erfahrung nach senkt der Negative Utilitarismus sogar die Bereitschaft, Pflanzen zu töten oder auch nur zu beschädigen.
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"Für die Begründung eines Tötungsverbots bedarf es eines zusätzlichen Arguments, etwa der Rücksicht auf Überlebensinteresse, also auf das unmittelbare Interesse am Überleben und auf zukunftsgerichtete Interessen."
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Verbote haben aus dem gleichen Grund nichts mit Ethik zu tun wie Rechte. Sie sind sogar insofern antimoralisch, als sie zu Gehorsam, also einem vorsätzlichen Verzicht auf ethische Reflexion erpressen sollen. Im Übrigen braucht ein moralischer Mensch kein Tötungsverbot, weil er ohnehin nur dann tötet, wenn er es ethisch vertreten kann, und das ist viel, VIEL seltener, als es irgendein Rechtssystem der Welt zuläßt.
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"Dass nun Tiere und Kleinkinder leiden können dürfte unkontrovers sein. Ob sie aber darüber hinaus ein Überlebensinteresse haben ist fraglich."
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Nicht wirklich. Lebensinteresse setzt ein persönliches Bewußtsein von Leben und Sterblichkeit voraus, das es nicht ohne Ich-Bewußtsein, eine mindestens vage Vorstellung von der Zeit und eine hinreichend entwickelte begriffliche Unterscheidungsfähigkeit zwischen Dingen und ihren Eigenschaften, bzw. Zuständen geben kann. Nach meinem Überblick trifft all das nur auf Menschen jenseits einer bestimmten Entwicklungsstufe zu.
Maximilian am Permanenter Link
"Nach meinem Überblick trifft [Lebensinteresse] nur auf Menschen jenseits einer bestimmten Entwicklungsstufe zu."
Eben das habe ich doch gesagt. Und wenn dieses Interesse nicht vorhanden ist, kann es auch nicht verletzt werden, und das Vermeiden von Interessens-Verletzungen ist das einzige das nach der Pathozentrischen Position (genauer wohl: dem Präferenzen-Utilitarismus), die im Artikel dargelegt wurde, ethisch relevant ist. Leben als solches hat für den Präferenzen-Utilitarusmus keinen Wert. Ich glaube Sie verwechseln Ihre eigene Meinung (dass man nicht Töten soll wenn man dafür keinen guten Grund hat) mit dem, was in und gemäß der erwähnten ethischen Theorie relevant ist.
Thomas am Permanenter Link
"...das Vermeiden von Interessens-Verletzungen ist das einzige das ... ethisch relevant ist"
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...wobei es sich um keinen Selbstzweck handelt, sondern der Leidvermeidung dienen soll.
"Ich glaube Sie verwechseln Ihre eigene Meinung (dass man nicht Töten soll wenn man dafür keinen guten Grund hat) mit dem, was in und gemäß der erwähnten ethischen Theorie relevant ist."
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Das ist ein Irrtum. Ich ignoriere nur nicht die Vielzahl INDIREKTER ethischer Gründe, die gegen Tötungen nicht-lebensbewußter Wesen sprechen können. Wie ich am 17. Mai anmerkte:
"Die Benutzung und Tötung empfindungsfähiger Wesen ist dazu geeignet, die menschliche Empathiefähigkeit zu schädigen, und sofern dieses Tun speziesistischen Unterscheidungen folgt, stabilisiert es faschistische Denkstrukturen."
Und:
"...es ist speziesistisch, nichtmenschliche Tiere aus mehr oder weniger niederen Beweggründen zu töten, während man das bei menschlichen Säuglingen, Kleinkindern oder geistig Schwerstbehinderten strikt ablehnt."
Empathie ist nichtrational und deshalb kein Element ethischer Methodik, aber wenn nicht genug Zeit für hinreichend gründliche Abwägungen zur Verfügung steht, kann ethisch geschulte Empathie dazu beitragen, eine schnelle UND sachgerechte ethische Entscheidung zu treffen. Darüberhinaus senkt sie die Bereitschaft, empfindungsfähige Wesen als benutzbare Gegenstände zu betrachten und zu behandeln, und sie erleichtert die Mühen moralischen Verhaltens, was wiederum die moralische Leistungsfähigkeit steigert.
Wer nichtmenschliche Tiere nach Belieben tötet, beraubt sich der Möglichkeit, die ebenso beliebige Tötung menschlicher Säuglinge und Kleinkinder zu verurteilen, denn das wäre speziesistisch. Da der Speziesismus wie alle Faschismen in der willkürlichen Ungleichbehandlung von Wesen gleichartiger ethischer Objekthaftigkeit besteht, berauben sich Speziesisten auch der Möglichkeit, Rassismus, Sexismus, Nationalismus, Klassismus, Antisemitismus, Homophobie etc. zu verurteilen, denn das wäre gleich doppelt irrational. Schließlich kann ausnahmslos Jeder selbst zum Opfer faschistischer Unterscheidungen werden.
Ich hoffe, es ist endlich klar geworden, daß Lebensinteresse nur einer von vielen ethisch relevanten Aspekten ist, die im Zusammenhang mit Tötungsfragen berücksichtigt werden müssen. Deren Beantwortung ist also ganz und gar nicht so "unproblematisch", wie Sie meinen.
Maximilian am Permanenter Link
"Wer nichtmenschliche Tiere nach Belieben tötet, beraubt sich der
Möglichkeit, die ebenso beliebige Tötung menschlicher Säuglinge und
Kleinkinder zu verurteilen"
Das hatte ich doch auch gesagt. Bzw. genauer: Nach der Pathozentrischen Position scheint das schmerzfreie Töten von Säuglingen ähnlich unproblematisch wie das Töten von Tieren. Die "indirekten" Gründe die Sie anführen sind dagegen nicht Teil der Pathozentrischen Position. Das soll nicht heißen dass Sie unrecht hätten.
Thomas am Permanenter Link
"Nach der Pathozentrischen Position scheint das schmerzfreie Töten von Säuglingen ähnlich unproblematisch wie das Töten von Tieren."
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"Die "indirekten" Gründe die Sie anführen sind dagegen nicht Teil der Pathozentrischen Position."
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Das ist ein schweres Mißverständnis! Die Menge der Wesen und Interessen, die von einer Handlung oder Unterlassung direkt oder indirekt betroffen sind, ist in jedem Fall so groß, daß es keine Tötungsfrage gibt, die sich ALLEIN unter Bezugnahme auf ein vorhandenes oder nicht vorhandenes Lebensinteresse adäquat beantworten ließe. Ethik und moralisches Handeln sollen auf möglichst effiziente Weise Leid (->pathos<-) vermeiden, aber das kann nicht gelingen, wenn man sich mit dem erstbesten Verhalten begnügt, das sich aus einer stumpfen 1-zu-1-Aufrechnung erstbester Interessen ergibt.
Maximilian am Permanenter Link
Das "schockierende" ist nicht der fehlende Speziesismus. Folgende Aussage wäre völlig un-schockierend, obwohl sie anti-speziesistisch ist:
"Das Töten von Tieren ist so problematisch wie das Töten von Kleinkindern"
Folgende Aussage ist jedoch durchaus schockierend, meines Erachtens:
"Das Töten von Kleinkindern ist so unproblematisch wie das Töten von Tieren"
Das schockierende liegt eher im Wort "unproblematisch". Die Pathozentrische Position ist nicht nur nicht speziesistisch, sie hat auch ausschließlich Interessen im Blick. Wo es keine Interessen gibt die verletzt werden könnten, sind Handlungen ihr zufolge unproblematisch.
Das Töten von Tieren für völlig unproblematisch zu halten ist nach dieser Sichtweise eben NICHT speziesistisch. Das scheinen Sie noch nicht verstanden zu haben. Dass andere ethische Theorien das Töten von Tieren durchaus aus speziesistischen Gründen für unproblematisch halten, ist hier völlig irrelevant.
Thomas am Permanenter Link
"Das schockierende liegt eher im Wort "unproblematisch"."
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"Die Pathozentrische Position ist nicht nur nicht speziesistisch, sie hat auch ausschließlich Interessen im Blick."
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NOCH einmal: Ethik soll der LEIDVERMEIDUNG dienen. Leid entsteht durch Interessenverletzungen. Die Abwägung von Interessen ist also "nur" Mittel zum ethischen Zweck.
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"Wo es keine Interessen gibt die verletzt werden könnten, sind Handlungen ihr zufolge unproblematisch."
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Korrekter: Wo ein bestimmtes Interesse nicht vorliegt, kann dieses bestimmte Interesse auch nicht geltend gemacht werden. Allerdings (und ich wiederhole): "Die Menge der Wesen und Interessen, die von einer Handlung oder Unterlassung direkt oder indirekt betroffen sind, ist in jedem Fall so groß, daß es keine Tötungsfrage gibt, die sich ALLEIN unter Bezugnahme auf ein vorhandenes oder nicht vorhandenes Lebensinteresse adäquat beantworten ließe." Ethische Reflexion besteht in der Abwägung mehrerer bis extrem vieler Interessen vor dem Hintergrund der jeweils mit ihnen verbundenen Leidensfähigkeiten. Eine Tötung nur deshalb für "unproblematisch" zu halten, weil das zu tötende Wesen kein Lebensinteresse hat, ist kurzsichtig, dumm und vor allem antimoralisch, weil es Interessen Dritter vorsätzlich mißachtet (siehe dazu auch meinen Beitrag vom 25.5., dessen Inhalt Sie offenbar noch gar nicht verarbeitet haben)!
Maximilian am Permanenter Link
Ihre Behauptungen vom 25.5. sind leider weitgehend unbegründet und vermutlich falsch.
Thomas am Permanenter Link
"Ihre Behauptungen vom 25.5. sind leider weitgehend unbegründet und vermutlich falsch."
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...was eine unbegründete und (vermutlich) falsche Behauptung ist...
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In Ihrer augenscheinlichen Entschlossenheit zur Opposition ist Ihnen der konkrete Inhalt meiner Äußerungen offenbar entgangen. Ich schrieb, daß die Empathie nichtrational und deshalb kein Element ethischer Methodik ist (!), jedoch in ihrer ethisch geschulten Form (!) unter bestimmten Umständen (!) hilfreich sein kann - von einer "Fokussierung" auf Empathie ist das WEIT entfernt.
Nach dem, was ich kurzfristig über Blooms Buch herausgefunden habe, sehe ich nichts, was meinem Ethikverständnis zuwiderläuft. Den Begriff "rational compassion" würde ich wegen seiner Selbstwidersprüchlichkeit nicht verwenden, empfehle aber gern, sich die beflügelnde Kraft der Empfindungen zunutze zu machen, wenn und wo sie in Einklang mit dem ethisch Erforderlichen stehen.
libertador am Permanenter Link
Die Frage ist im Zusammenhang mit der Pathozentristischen Positionen unterbestimmt.
Viele pathozentristische Positionen wie der Utilitarismus sprechen nicht von Rechten.
Markus Schiele am Permanenter Link
Folgende Passage bereitet mir Kopfzerbrechen:
"Hält man jegliche Nutzung von Tieren und Tierprodukten für verwerflich, muss man begründen, warum dies jeweils problematisch sein soll. Ist es beispielsweise verwerflich, wenn man Pferde reitet oder wenn man Honig aus Bienenstöcken erntet? Dazu müsste gezeigt werden, dass Pferde darunter leiden, geritten zu werden. Im Falle von Bienen müsste nachgewiesen werden, ob sie überhaupt empfindungsfähig sind, und damit, ob sie überhaupt Interessen haben. Kurz, man müsste zeigen, dass die jeweilige Nutzung gegen das Empfindungswohl und die Interessen der betroffenen Tiere verstößt."
Müsste es fairerweise eigentlich nicht genau umgekehrt sein? Müsste nicht gezeigt werden, dass die "Nutzung" der jeweiligen Tiere für diese unproblematisch ist, anstelle in einer Art von Beweislastumkehr zu verlangen zu zeigen, dass die Nutzung problematisch ist? Ginge es um Menschen, würde man dies wohl zurecht einfordern. Ist es nicht spezisitisch, nichtmenschliche Tiere in dieser Hinsicht anders zu behandeln?
Claudia am Permanenter Link
Weshalb sollte von Kritikern von Tiernutzung gezeigt werden müssen, dass Pferde darunter leiden, geritten zu werden oder nachgewiesen, dass Bienen empfindungsfähig sind, und nicht von Tiernutzern, dass Pferde NICHT da
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es müsste gezeigt / nachgewiesen werden, dass / ob ... - WER dies zu tun hat, sagt doch der Autor überhaupt nicht! ^^
Claudia am Permanenter Link
Ja wer denn sonst als die, die ich in meiner Replik genannt habe.
libertador am Permanenter Link
"Ist es beispielsweise verwerflich, wenn man Pferde reitet oder wenn man Honig aus Bienenstöcken erntet? Dazu müsste gezeigt werden, dass Pferde darunter leiden, geritten zu werden."
Faktisch vermute ich, dass es von der Behandlung des Pferdes abhängt. Im Bereich des Profisportes gibt es viele quälerische Praktiken und es gibt auch viele überforderte Halter.
Ansonsten gehe ich auch davon aus, dass Pferde ganz gerne geritten werden, da dies Ihnen Bewegung erlaubt. Voraussgesetzt das das Gewicht des Reiters nicht zu groß ist und der Reiter das Pferd nicht quält. Wobei ich wenig Ahnung habe, ob zur Erziehung von Pferden Qual notwendig ist.
Dominik F. am Permanenter Link
Der Autor schreibt am Anfang des Absatzes deutlich, dass diejenigen, die es für verwerflich halten, es belegen sollen. Dass die zweite Forderung ganz offen gemeint ist, erschließt sich mir hier nicht.
Thomas am Permanenter Link
Ein Artikel von außergewöhnlicher Klarsicht, wie man ihn nur sehr selten zu lesen bekommt! Dennoch möchte ich Folgendes zu bedenken geben:
Das "Beraubungsargument" ist nicht nur "defekt", sondern irrational, denn der Tod ist kein leiderfüllter "Zustand des Beraubtseins". Was ein Wesen nicht erlebt, weil es nicht mehr existiert, kann also auch nicht als Argument gegen seine Tötung herangezogen werden.
Ein nicht vorhandenes Lebensinteresse kann man auch nicht verletzen, aber es ist speziesistisch, nichtmenschliche Tiere aus mehr oder weniger niederen Beweggründen zu töten, während man das bei menschlichen Säuglingen, Kleinkindern oder geistig Schwerstbehinderten strikt ablehnt.
Die pathozentrische Position "erlaubt" Fleischverzehr nicht, sie lehnt ihn nur nicht kategorisch ab. Allerdings ist das direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Herstellung tierlicher Produkte entstehende und großenteils auch nicht vermeidbare Leid in Qualität und Umfang dermaßen grauenhaft, daß der generelle Verzicht auf solche Produkte ethisch geradezu selbstverständlich ist - umsomehr, als nur er eine nichtspeziesistische Ablehnung des Kannibalismus ermöglicht.
Die Benutzung und Tötung empfindungsfähiger Wesen ist dazu geeignet, die menschliche Empathiefähigkeit zu schädigen, und sofern dieses Tun speziesistischen Unterscheidungen folgt, stabilisiert es faschistische Denkstrukturen. Das halte ich für sehr gute Gründe, es als verwerflich zu beurteilen.
Es ist dringend notwendig, die Erforschung nichtmenschlicher Empfindungsfähigkeiten voranzutreiben, aber da wir nicht alle Spezies der Erde kennen und auch nicht annähernd genug ethisch relevantes Detailwissen über ihre Individuen in all ihren (Entwicklungs-)Zuständen haben können, bleibt uns nur, Absehbarkeiten und Plausibilitäten zu berücksichtigen und sie im Zweifelsfall sicherheitshalber zugunsten der definitiv oder wahrscheinlich von unserem Verhalten betroffenen Wesen auszulegen.
Markus am Permanenter Link
Angenommen ein erwachsener Mensch, der grundsätzlich die Fähigkeit hat, zukunftsgerichtete Interessen zu entwickeln, entscheidet sich dafür, von dieser Fähigkeit keinen Gebrauch zu machen.
Diese Entscheidung wäre aus pathozentrischer Position hinreichend, das (leidfreie) Töten dieses Menschen als moralisch einwandfrei anzusehen.
Maximilian am Permanenter Link
Ein weniger künstliches Beispiel wären Babies, vermutlich leben sie ja auch im Hier und Jetzt.
Dominik F. am Permanenter Link
Ein differenzierter Artikel. Eins fällt jedoch ins Auge. An entscheidender Stelle tritt er für das Töten ein und ignoriert einen wichtigen Aspekt der Tierrechtsdebatte.
Zur Verdeutlichung ein fiktives Gespräch.
A: "Wie bitte? Wir dürfen Tiere töten, sie zeigen kein Zukunftsinteresse, und woher sollen wir wissen, dass sie Schmerz so wahrnehmen wie wir? Das Schreien des Kälbchens oder das Zucken des Fisches kann auch nur Angst sein?"
B:"Genau."
A:" Ok, ich folge Deiner Logik: Ein Schwerbehinderter kann auf einen aversiven Reiz keine adäquate verbale oder nonverbale Reaktion zeigen? Zukunftsinteresse kann er wegen eines Hirnschadens sowieso nicht haben. Woher sollen wir wissen, dass er leidet. Machen wir Wurst aus ihm!"
B: "Aber er ist doch ein Mensch, ein Homo Sapiens!"
A: "Wo sind bitte Nachweise für die klare kategoriale Unterscheidung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren, also Merkmale, die nicht graduell sind und auch bei anderen Spezies gefunden werden, die es nur unter Zugehörigen der Spezies Homo Sapiens gibt?"
B: "Sprache, Empathie, geplantes, zielgerichtetes Verhalten, Kultur, Schmerzempfinden, Leidensfähigkeit!"
A: "Gibt es alles nachweislich alles auch bei Spezies, die sich nicht als Krone der Evolution sehen und aufspielen."
B: [Ok, ich verstehe Dein Argument. ABER:] "Das pathozentrische Argument verlangt, Rücksicht auf die Empfindungen von Tieren zu nehmen. Es gründet in dem Interesse von Tieren, keine Schmerzen und kein Leid zu empfinden. Es begründet aber kein Tötungsverbot, das in der Rücksicht auf Überlebensinteresse gründet. Wenn man empfindungsfähige Tiere ohne Zufügung von Leid oder gar mit positiver Lebensqualität halten und schmerzfrei töten kann, spricht [aus meiner Sicht] tierethisch grundsätzlich nichts dagegen, Tiere aufzuziehen und zu töten, um ihr Fleisch zu verzehren."
A: "Hier relativierst Du das Tötungsverbot denke ich beliebig! Du stimmst überein, dass wir den Tieren keine Schmerzen und kein Leid zufügen dürfen. Wie bitte tötet man ein Tier ohne das Zufügen von Angst, Schmerz, Leid? Und immer noch bleibt die Frage unbeantwortet, wo der kategoriale Unterschied zwischen H.S. und anderen Tieren liegt, sodass ich einen noch nichts wahrnehmenden Säugling oder vor sich hindämmernden Schwerstbehinderten ohne sichtlichen Überlebenswillen nicht töten darf, während ich ein fröhlich über die Weide tollendes Kalb ohne dass es Angst hat abknallen darf. Die genannten Argumente der relativierenden Tiertötungsapologeten überzeugen mich nicht, da sie an entscheidender Stelle immer die antropozentrische Kehre machen und sich auf die wortreich verteidigte Trennung hier Mensch, dort Tier zurückziehen, da das neben der Ignoranz die letzte Bastion des Tiertötungsapologeten ist."
B: "Also hier wirst Du mir zu extrem und radikal. Ich gehe."
A: "Radikal? Das Kälbchen oder Ferkel oft im eigenen Kot ohne Tageslicht mästen, ihm einen Bolzen in den Kopf jagen oder es vergasen, es zersägen und als Wochen alte Leiche "abgehangen" zu verzehren oder es zu Brei zu zermahlen, zurück in den eigenen Darm stopfen und sich das Würstchen schmecken lassen. Na, guten Appetit! Was ist wohl radikaler oder extremer?"
Wer sich für das Töten von nicht menschlichen Tieren außer in Notsituationen ausspricht, mus auch einen nachweis für die kategoriale Unterscheidung zwischen Mensch und Tier liefern.
Dominik F. am Permanenter Link
Eins fällt ins Auge. An entscheidender Stelle rechtfertigt der Autor das Töten von nicht menschlichen Tieren und ignoriert einen wichtigen Aspekt der Tierrechtsdebatte.