Berichte zum Rechtsextremismus in Europa

(hpd) Der Sozialpädagoge Martin Langebach und der Journalist Andreas Speit legen eine Art Reise­bericht über Eindrücke vom Rechts­extremismus in unterschiedlichen Ländern vor. Durch die journalistische Darstellung erhält man einen anschaulichen Eindruck von den verschiedenen Facetten dieses politischen Phänomens, an analytischen Betrachtungen mangelt es dem beschreibend gehaltenen Buch indessen.

Nicht nur in Deutschland allein, sondern allgemein in Europa lassen sich unter­schiedliche Phänomene am „rechten Rand“ des politischen Spektrums ausmachen: Sie reichen von Erfolgen für rechts­extremistische oder rechts­populistische Parteien über islam- und muslimen­feindliche Kampagnen angeblicher Bürger­bewegungen bis zu fremden- und minoritäten­feindlichen Gewalt­akten.

Auf die Dimension der damit einhergehenden Gefahren wollen der Sozial­pädagoge Martin Langebach und der Journalist Andreas Speit in ihrem Buch „Europas radikale Rechte. Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten“ aufmerksam machen. Darin schreiben sie: „Die radikale Rechte erlebten die Autoren vor Ort, auf der Straße, bei Kund­gebungen, während Wahlkampf-Abend­veranstaltungen, in Parlaments­sitzungen und bei RechtsRock-Events in elf europäischen Ländern“. (S. 13) Durch nahezu das gesamte Jahr 2012 reisten sie zu unter­schiedlichen Anlässen durch Europa und berichten darüber in ihrem genannten Buch.

Begrifflich orientieren sich Langebach und Speit an der Definition von Michael Minkenberg, wonach der Terminus „Rechts­radikalismus“ für eine „ultra­nationalis­tische Vorstellung“ stehe, welche nicht not­wendiger­weise aktuell direkt und explizit gegen die liberale Demokratie gerichtet sei (vgl. S. 13). Damit umfasst die Darstellung ganz unter­schiedliche Phänomene aus diesem politischen Bereich, wobei es um die Erfolge der NPD und die Serien­morde des NSU in Deutschland ebenso wie um die Neuaus­richtung des „Front National“ und die Wirkung der Neuen Rechten in Frankreich als auch um die Entwicklung der post-faschistischen „Alleanza Nazionale“ und die Positionen der pro-faschistische „Casa Pound“ in Italien geht.

So nehmen die Autoren politische Prozesse in vielen Ländern aus der journalis­tischen Perspektive in den Blick. „Journalis­tische Perspektive“ meint hier, dass persönliche Eindrücke von Beobachtungen in Verbindung mit Hinter­grund­gesprächen mit Experten zu den jeweiligen Themen den Kern­bestand der einzelnen Länder­kapitel ausmachen.

Bilanzierend heißt es: „Vierzehn europäische Länder, ein internationaler Ort. Die radikale Rechte bemüht sich, gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen. Auf den Straßen protestieren Parteien und Kameradschaften gegen Sozial­kürzungen und Renten­alter­erhöhung. In den Parlamenten, auf Landes-, nationaler oder europäischer Ebene, lehnen die Abgeordneten und Landtags­mandats­träger Einwanderung und Banken­unterstützung ab, und bei Konzerten beklagen Bands und Fans den Bau von Moscheen und Identitäts­verluste.

Themen nicht nur am rechten Rand der Gesellschaften in Europa. In den vergangenen Jahren sind in den Staaten, so belegen es Studien, rechte Ressentiments gewachsen. Die Themen der radikalen Rechten sind die Themen der nervösen Gesellschaften ...“ (S. 269) „So unterschiedlich die Parteien und Kamerad­schaften in den Ländern erscheinen – ihnen allen gemein ist, die Ängste und Sorgen der Bürger auszunutzen, um Zuspruch und Wähler­gunst zu gewinnen“ (S. 270). Einschlägige Ein­stellungen und ökonomische Krisen­erfahrungen erklärten dies.

Das Urteil über das Buch ist abhängig vom Erwartungs­horizont des Lesers: Wer eine gut lesbare beschreibende Darstellung zu Entwicklungen am „rechten Rand“ in den europäischen Ländern in einem eindringlichen Sinne lesen möchte, ist hier mehr als nur gut bedient. Wer eine detaillierte Analyse mit genaueren Ein­schätzungen erwartet, wird wohl enttäuscht sein. Es handelt sich eben um ein journalistisches Buch. Da fangen Kapitel mit Sätzen wie „Der Saal ist kühl. Die Abendsonne wirft, nach einem sehr warmen Tag, noch einige Strahlen durch die Tür“ (S. 83) an.

Es fehlt ebenso an genauen Belegen für das Dargestellte wie an näheren Informationen zu einzelnen Organisationen. Gleichwohl informiert der Band auch zur Entwicklung in Ländern im Umbruch wie Griechenland oder Ungarn, woraus aus der vergleichenden Perspektive etwas gelernt werden kann. Die Darstellung bleibt aber fast nur auf dieser phänomenologischen Ebene stehen. Die Frage nach der gesellschaft­lichen Wirkung wird allzu einfach mit dem Hinweis auf Studien beantwortet.

Armin Pfahl-Traughber

Martin Langebach/Andras Speit, Europas radikale Rechte. Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten, Zürich 2013 (Orell Füssli-Verlag), 287 S., 21,95 €