Ganz so antikatholisch war’s doch nicht
Der Antikatholizismus der Nazis in Österreich scheint insgesamt jedoch weniger scharf gewesen zu sein als es diese Maßnahmen erscheinen lassen. Bis 1942 dürften etwa 200.000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten sein – und beileibe nicht alle Nazis. Zum Vergleich: Die NSDAP hatte in der “Ostmark” 700.000 Mitglieder.
Katholische Umdeutungen
Dass es die katholische Kirche nicht härter traf, lag daran, dass sie nach dem Anschluss und anfänglichen, sehr deutlichen und devoten, Anbiederungsversuchen an das neue Regime ihre frühere Kumpanei mit dem Ständestaat sozusagen in eine Art nationalen Widerstand noch vor der Besetzung umdeuten konnten. Das machte sie in den Augen vieler zu einer Trägerin der österreichischen Identität.
Kardinal Innitzer gelang es, seinen einzigen offenen Akt des Widerstands (das so genannte Rosenkranz-Gebet im Wiener Stephansdom 1938) in eine prinzipielle und dauerhafte Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zu überhöhen. Eine illegale Anlaufstelle für Wiener Juden, die in der Regel Katholiken mit jüdischen Wurzeln waren, zweifelsohne ein mutiger Akt, wurde zur Unterhöhlung des Systems, zum Paradebeispiel des passiven Widerstands umgedeutet.
Zwangsarbeiter für den Kardinal
Gleichzeitig reichte seine Abneigung offenbar nicht so weit, dass er Zwangsarbeiter auf seinen erzbischöflichen Mensalgütern im Weinviertel verschmäht hätte – die, anders als etliche Klöster, übrigens nicht enteignet wurden. (Die Enteignungen waren übrigens selten spezifisch antikatholisch sondern Maßnahmen der Kriegswirtschaft.)
Dass die Bischöfe in Österreich bis zuletzt dem Regime die Treue gehalten hatten, bis zuletzt Soldaten an ihren Fahneneid erinnert hatten, bis zuletzt öffentlich mit den Machthabern aufgetreten waren – das machte man vergessen. Ebenso, dass die Bischöfe offiziell wie in privaten Schreiben die meisten Akte echten passiven Widerstands durch Katholiken verurteilten. Wie im Fall Franz Jägerstätter.
Finanzielle Trostpflaster
Die katholische Kirche kam 1945 erstaunlich unbeschadet davon. Ja, eigentlich war sie gestärkt. Die herzliche Komplizenschaft mit dem einen Faschismus und die noch reichlich offene mit dem anderen waren vergessen. Die Führung der neuen Republik trug Sorge, dass man finanziell nicht so schlecht ausstieg. Spätestens der so genannte Vermögensvertrag von 1960 schloss die finanziellen Wunden. Die Bundeskanzler der Jahre 1945 bis 1960 hießen übrigens Leopold Figl und Julius Raab. Beide waren ehemalige Heimwehrmänner.
Hier geht’s zum ersten Teil unserer Serie über die Februarkämpfe 1934 in Österreich und ihre Auswirkungen.