Drei Fragen an... Utz Anhalt

In Trier findet vom 15. bis 17. Juni der Kongress ¡Die erschöpfte Theorie? – Evolution und Kreationismus in Wissenschaften statt. Im Vorfeld stellt der hpd die Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

 

Dr. Utz Anhalt ist Redakteur der sopos. Sein Vortrag „Darwin ist unschuldig – Warum der Rassismus in Deutschland mit Darwins Lehre wenig zu tun hat“ gehört zum Themenblock „Soziobiologie – Ansatz, Theorie, Methode“ (Samstag, 16.6.2007, 16-18 Uhr)

 

hpd: Warum lässt sich der „Sozialdarwinismus“ Ihrer Auffassung nach nicht auf Charles Darwin zurückführen?

Utz Anhalt: Der Begriff „surviving of the fittest“, den Darwin von Herbert Spencer übernahm, bedeutet Überleben der am besten Passenden, nicht etwa der Stärksten oder der Besten. Im Gegensatz zu den „Sozialdarwinisten“ wie Ernst Haeckel hielt sich Darwin sehr zurück, was die – bei Haeckel zusätzlich verzerrte – Übertragung dieses biologischen Grundmusters auf menschliche Kulturen betrifft. Das Überleben der am besten passenden Arten – heute heißt es Anpassung an ökologische Nischen – ist bei Darwin zudem hierarchiefrei und hat auch in diesem Sinne mit „Völker- oder Rassenkampf“ nichts zu tun.

hpd: Aber Darwin verwendete den Begriff der „Rassen“...

Utz Anhalt: Der Begriff der Rasse war zu Darwins Zeit nicht eindeutig festgelegt, wie er selbst schreibt. Darwin verwendete ihn biologisch, als geographische Varianten einer Art, nicht als Auf- und Abwertung menschlicher Kulturen wie die Rassisten. Nach der Erkenntnis, dass die Menschen nicht an einem Tag der Schöpfung von einem personalen Gott geschaffen wurden, sondern sich, wie alle Arten, in einem Evolutionsprozess formten, war es wissenschaftlich vollkommen redlich, die Frage zu stellen, ob die Menschen Untergruppen einer Art oder sogar verschiedene Arten sind. Darwins systematische Untersuchung der Unterschiede zwischen den Menschen in Hautfarbe, Haarstruktur, Krankheitsanfälligkeit etc. hatte mit Diskriminierung nichts zu tun. Darwin kam zu dem Ergebnis, dass die äußeren Unterschiede nicht von großer Bedeutung und die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen entscheidend sind.

hpd: Aus welchen Quellen speiste sich dann die Vorstellung vom „Kampf der Rassen“?

Utz Anhalt: Die Abwertung anderer als „Nichtmenschen“ ist ein uraltes und globales Ärgernis. Die Verachtung Anderer als „Barbaren“ oder „Wilde“ war den antiken Griechen ebenso vertraut wie dem alten China, der moderne Rassismus war zu Darwins Zeit bereits hundert Jahre alt. Fehlinterpretationen des „surviving of the fittest“ ließen sich als Pseudobeleg für die Ideologie des Imperialismus und den völkischen Nationalismus einsetzen. Hinzu kam eine „rassische“ Verbrämung der antisemitischen Stereotypen und der Verachtung der „Heiden“ des Christentums. Diese völkermörderischen Weltanschauungen waren bereits vor Darwin in sich geschlossen und gierten nach einem „wissenschaftlichen“ Feigenblatt. Insbesondere Ernst Haeckel verknüpfte seriöse Zoologie mit unwissenschaftlichem Rassismus und bastelte daraus eine Quasi-Religion.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

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