Viele Religionsfunktionäre sind der Meinung, dass sie durch Vorschriften und Gebräuche
ihren Anhängern das Leben erleichtern. Das kann so sein, muss es aber nicht immer sein.
Fangen wir mit der einfachen Frage an: „Wo liegt Mekka?"
Nun sagen Sie nicht vorschnell: „In Saudi-Arabien!", denn Sie müssen vorher - um die Frage zu beantworten -, in den Keller gehen und dort dann nur in die entsprechende Richtung zeigen. Mehr nicht. Ist doch einfach, oder nicht?
Nein, Kompass mitnehmen, geht nicht.
Nun sagen Sie nicht: „So'n Quatsch!", nur weil Sie es nicht gewusst haben und es als Atheist, oder sei es als Christ, auch nicht zu wissen brauchen. Muslime müssen das aber wissen, da sie sich beim Beten unabdingbar in der Richtung niederwerfen müssen, wo Mekka liegt.
Die Redaktion von Diesseits berichtet im aktuellen Heft über dieses Problem – am Beispiel des malaysischen Raumfahrers Muszaphar Shukor, der im kommenden Herbst als erster Mensch aus Malaysia ins All starten soll. Um ihm die Reise zu erleichtern, hat ein Team islamischer Gelehrter eine Fibel zusammengestellt, wie sich religiöse Probleme im All meistern lassen. Insbesondere ging es dabei um die Frage, wie der Astronaut bei einer Geschwindigkeit von 27400 km/h die Betrichtung Mekka einhalten soll - zumal bei Schwerelosigkeit. Der weise Rat dazu lautet, dies solle er von seinen Möglichkeiten abhängig machen. Nicht minder umsichtig entschieden sie in der Frage des Ramadan, der zeitgleich mit der im Oktober geplanten Mission stattfindet - er soll das Fasten einfach nachholen.
Weniger Fürsorge erhielten muslimische Gefangene in den Niederlanden. Wie die Notizen Ende April berichteten.
Mekka liegt im Westen
Muslime, die im Haagschen Polizeirevier von Segbroek eingesperrt waren, haben eine Zeit lang nach Westen anstatt nach Osten gebetet. Die Polizei hatte ihnen zur Unterstützung eine Windrose auf die Mauer gezeichnet. Leider waren die Richtungen darauf falsch wiedergegeben. Dann war man jedoch Mitte Juni einsichtig.
Das Anbringen von Himmelsrichtungen in den Gefängniszellen wurde zwar durch die Partei PVV kritisiert, aber Guusje ter Horst, Minister für die Inneren Angelegenheiten, ist der Meinung, dass dies im Rahmen des Grundrechts auf Religionsfreiheit gestattet sei. Die Haagsche Polizei hat nun in allen Zellen Tupfer angebracht, welche die Richtung nach Mekka anzeigen.
Für Patienten islamischen Glaubens
Wie sehr man sich dagegen um die muslimische Kundschaft in Deutschland bemüht, zeigt das Beispiel der Firma Berlin-Chemie Menarini, die auf den Beipackzettel eines Medikaments - das aus Pankreas (Bauchspeicheldrüse)-Pulver des Schweins hergestellt wird -, einen Hinweis drucken ließ: „An dieser Stelle noch eine Information für Patienten islamischen Glaubens: Auch Sie dürfen Pangrol® 40000 einnehmen. An mehreren Steilen des Korans (2. Sure, Vers 168; 6. Sure, Vers 146; 16. Sure, Vers 116) findet sich dazu eine eindeutige Aussage. Bitte gestatten Sie uns diesen Hinweis. Es heißt: „Verwehrt hat er euch nur Verendetes und Blut und Schweinefleisch oder Unheiliges, was nicht im Namen Allahs geschlachtet wurde. Wer aber dazu gezwungen wird, ohne Verlangen danach und ohne sich zu vergehen, auf dem sei keine Sunde; siehe Allah ist verzeihend und barmherzig."
Aber auch andere Religionszugehörigkeiten werden in Deutschland bedacht oder beschäftigen die Justiz.
Dürfen Buddhisten Räucherstäbchen in der Zelle haben?
Der 5. Strafsenat des Kammergerichts Berlin entschied am 22. Dezember 2006, dass auch buddhistischen Strafgefangenen grundsätzlich kein Recht auf Aushändigung von Räucherstäbchen zusteht, obwohl Paragraf 53 des Strafvollzugsgesetzes Gefangenen Gegenstände des religiösen Gebrauchs zusichert.
Das Gericht zweifelte an, dass es sich bei Räucherstäbchen um Gegenstände des religiösen Gebrauchs handelt. Diese fänden im alltäglichen Leben Anwendung, um eine angenehme Atmosphäre zu verbreiten, ohne dass eine religiöse Beziehung besteht und die für das buddhistische Gebet erforderliche meditative Versenkung könne der Gefangene auch ohne Benutzung dieser Stäbchen erlernen.
„Die Ausübung der Religionsfreiheit" - so der Strafsenat weiter -„finde zudem dort ihre Grenze, wo sie (...) die sichere und geordnete Unterbringung der Gefangenen in Frage stelle und mit schwerwiegenden Gefahren für Dritte verbunden sei." Hintergrund der Entscheidung war die Tatsache, dass der starke Duft die Kontrollen in Bezug auf Drogen und Alkohol behindere.
Diesseits nahm eine Pressenotiz zu diesem Fall zum Anlass, beim Pressereferat der Senatsverwaltung für Justiz anzufragen, welche Gegenstände zum religiösen Gebrauch konfessionell gebundenen Häftlingen zugestanden werden und ob darunter Gegenstände sind, die Konfessionslose nicht erhalten würden. Dabei fragte die Redaktion auch nach kuriosen Fällen. Darüber hinaus baten wir um Auskunft, inwieweit Justizvollzugsanstalten Rücksicht auf Speisevorschriften und Kleidungsvorschriften der einzelnen Religionen nehmen.
Gebetsteppiche im Haftraum zulässig
Pressesprecherin Corinna Hartmann teilte der Diesseits-Redaktion mit: „Bei der Frage, welche Gegenstände eines Gefangenen im Haftraum zulässig sind, ist stets die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu berücksichtigen. Dazu gehört auch die Übersichtlichkeit des Haftraumes und die Minimierung der Möglichkeiten zum Verstecken von Drogen und anderen unerlaubten Gegenständen. Bei Gegenständen zur Religionsausübung muss bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen das Recht auf Religionsausübung berücksichtigt werden. Dies geschieht, so ist z.B. ein Gebetsteppich im Haftraum zulässig.
In den Justizvollzugsanstalten wird mit einer Vielzahl verschiedener Kostformen auf besondere Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht genommen. So wird moslemischen Gefangenen Essen ohne Schweinefleisch angeboten. Koscheres Essen kann allerdings nicht hergestellt werden, es ist insoweit aber noch nicht zu Schwierigkeiten gekommen. In der Justizvollzugsanstalt für Frauen war bisher noch nicht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sich eine Gefangene verschleiern darf. Sollte der Fall eintreten, wird eine individuelle Entscheidung getroffen werden. Einige Frauen tragen dort allerdings ein Kopftuch, was selbstverständlich erlaubt ist."
Aber auch Christen haben so ihre Probleme. Auf die interessante Frage, ob Weihnachtsbäume als Gegenstände des religiösen Gebrauchs einzuordnen sind, gibt die Pressestelle bereits im Dezember 2005 „erleuchtende" Antworten.
Christliche Weihnachtsbäume im Strafvollzug
Der 5. Strafsenat des Kammergerichts hat entschieden, dass Strafgefangenen grundsätzlich kein Recht zusteht, ihre Hafträume mit Weihnachtsbäumen auszustatten.
Der Entscheidung lag Folgendes zugrunde: Ein Gefangener, der in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt, hatte beim Anstaltsleiter beantragt, ihm die Ausstattung seines Haftraumes mit einem Weihnachtsbaum zu gestatten. Der Anstaltsleiter hatte dies unter Hinweis auf § 19 Absatz 2 Strafvollzugsgesetz abgelehnt. § 19 Strafvollzugsgesetz lautet: Absatz 1: „Der Strafgefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, ...Absatz 2: „Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraumes behindern oder in anderer Weise Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden, können ausgeschlossen werden."
Auf Antrag des Gefangenen hob die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin diese Entscheidung auf, da sie die Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 Strafvollzugsgesetz nicht als gegeben ansah. Die Kammer verpflichtete den Anstaltsleiter, dem Gefangenen „die Einbringung und die Ausstattung seines Haftraumes mit einem Weihnachtsbaum (keine Topfpflanze) von nicht mehr als 50 Zentimeter Höhe (ohne Einberechnung der Spitze) in der Zeit vom 20. Dezember 2004 bis zum 06. Januar 2005 zu gestatten."
Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den Antrag des Gefangenen endgültig zurückgewiesen. In der Begründung des Beschlusses heißt es unter anderem:
„Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass sich Äste und Stamm auch eines kleineren Baumes ohne nennenswerten Aufwand aushöhlen und danach mit Leim verschließen lassen, so dass es erhebliche Probleme bereitet, das Einschmuggeln von Rauschgift auf diesem Wege zu unterbinden. Von einem nur gering erhöhten und der Anstalt deshalb zuzumutenden Kontrollaufwand könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn sich die Überprüfungsmaßnahmen auf einen oder wenige Bäume beschränkten. Das lässt sich jedoch nicht sicherstellen. Denn wenn der Anstaltsleiter einem Gefangenen das Einbringen eines Weihnachtsbaumes genehmigt, wird er ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgebots anderen Gefangenen eine entsprechende Erlaubnis nicht mehr verweigern können. ...
Der hierfür erforderliche Aufwand ist dem Anstaltspersonal auch bei Berücksichtigung des Interesses der Gefangenen an der Schaffung einer weihnachtlichen Atmosphäre in ihren Hafträumen nicht zuzumuten. Hinzu kommt die ... beträchtliche Erhöhung der Brandgefahr, die die Ausstattung der Hafträume mit Weihnachtsbäumen mit sich brächte. Geschlagene Nadelbäume trocknen in einer beheizten Zelle in kurzer Zeit stark aus und geraten dann leicht in Brand. ... Ein Weihnachtsbaum als Topfpflanze wäre keine ... Alternative. Bei ihm wäre zwar die Brandgefahr geringer, die Erde in den Topf böte aber zusätzliche Versteckmöglichkeiten für unerlaubte Gegenstände."
Der Strafsenat setzt sich in der Folge auch mit der Frage auseinander, ob Gefangenen der Weihnachtsbaum als „ein Gegenstand des religiösen Gebrauchs" zu überlassen wäre. Er lässt diese Frage aber letztlich offen, da selbst, wenn man dies annähme, die Religionsausübung dort ihre Grenze finde, wenn - wie vorliegend - eine „sichere und geordnete Unterbringung der Gefangenen in Frage gestellt und mit schwerwiegenden Gefahren für Dritte verbunden ist".
„Informationshalber" wies der Pressesprecher noch auf Folgendes hin:
„Die Justizvollzugsanstalt Tegel ist mit zurzeit mehr als 1.600 Strafgefangenen die größte JVA Deutschlands. Sie nimmt ein Fläche von 130.000 qm ein (also etwa 14 Fußballfelder). Den Gefangenen steht zwar kein „Recht auf einen eigenen Weihnachtsbaum" zu. Sie müssen aber in der Weihnachtszeit nicht auf jede „weihnachtliche Atmosphäre" verzichten. In den Gemeinschaftsräumen der einzelnen Häuser als auch in meisten anstaltsinternen Betrieben werden Weihnachtsbäume aufgestellt oder entsprechende Kränze angebracht. Gleiches gilt natürlich auch für die anstalteigene Kirche, in der an den Weihnachtstagen besondere Gottesdienste stattfinden."