Bedenken gegen Abgeltungs- / Kirchensteuer

HALTERN. Der Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V. hat an den Bundespräsidenten geschrieben und noch einmal darauf hingewiesen, dass

die in der Unternehmensteuerreform vorgesehenen Regelungen der Abgeltungssteuer in Verbindung mit der Kirchensteuer verfassungswidrig seien.

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Sehr geehrter Herr Bundespräsident Köhler.

Gegen die vom Parlament verabschiedete Unternehmensteuerreform, speziell gegen den Teil, der die Abgeltungsteuer und die an diese gekoppelte Kirchensteuer betrifft, tragen wir Ihnen folgende Bedenken vor.

 

1. Es stellt unseres Erachtens einen Übergriff der Bundesregierung auf Länderkompetenzen dar, wenn diese per Gesetz einen neuen Kirchensteuer-Annex-Tatbestand schafft.

Kirchensteuerangelegenheiten fallen in die Zuständigkeit der jeweiligen Kirchen und Bundesländer. Einen neuen Kirchensteuererhebungstatbestand zu schaffen, steht nur den Länderparlamenten zu. Diese stimmen in der Regel dem Ersuchen der Kirchenleitungen zu, wenn diese einen neuen Anknüpfungstatbestand wünschen.

Die Kirchenleitungen haben bis heute nicht einmal Anträge auf Änderungen der Kirchensteuergesetze gestellt.

Trotz der Zusicherungen des Gesetzgebers, mit der Verabschiedung dieses Gesetzes die Zuständigkeit der Bundesländer zu respektieren, scheint gerade dies nicht zuzutreffen.

 

2. Die (ab 2011 geltende generelle) Verpflichtung für Bankkunden, ihrem Geldinstitut den Konfessionsstatus offenbaren zu müssen, verstößt nach unserer Einschätzung gegen das Grundrecht der negativen Religionsfreiheit und gegen das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung.

Laut BVerfGE 12 S.1-5, Az. BvR 59/56 v. 08.11.1960 schließt die in Art. 4 Abs. 1 GG deklarierte Bekenntnisfreiheit grundsätzlich auch das Recht ein, "auszusprechen und auch zu verschweigen, dass und was man glaubt oder nicht glaubt".

Bereits heute wird im Rahmen des Kirchensteuereinzugverfahrens das Grundrecht auf Religionsfreiheit als nachrangig geachtet. ArbeitnehmerInnen müssen ihrem Arbeitgeber ihren Konfessionsstatus offenbaren.

Könnte man hier vielleicht noch von einer Zumutung sprechen, die geduldet werden muss - es sei denn, die Kirchen verzichteten auf die staatliche Mithilfe beim Einzug der Kirchensteuer - so ist für die neuerliche Verletzung des genannten Grundrechts kein zwingender Grund erkennbar.

Die Bundesregierung begründet die Notwendigkeit, die Bekenntnisfreiheit erneut einzuschränken, ausschließlich mit technizistischen Argumenten, nämlich mit der 'elektronischen Machbarkeit', dem ´geringen Verwaltungsaufwand´ z.B. für die Banken, der 'Einfachheit' des Verfahrens insgesamt und seiner 'Effizienz'.

Wir bitten Sie, den Beschluss des Bundestages hinsichtlich der genannten Aspekte auf seine Verfassungsverträglichkeit zu überprüfen und dem Ihnen vorliegenden Gesetz die Zustimmung zu verweigern.

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Halfmann
2. Vors. des Vereins zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.

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Der hpd hat bei Friedrich Halfmann nachgefragt.

hpd: Warum haben Sie diesen Weg des Versuchs politischer Einflussnahme gewählt?

Halfmann: Sowohl die öffentliche Diskussion als auch die parlamentarische Beratung der Unternehmensteuerreform haben sich vor allem auf die finanzpolitischen und finanziellen Folgen dieses Gesetzes konzentriert. Und die Abgeltungsteuer ist ja nur ein Detail des Riesenreformpakets und die Kirchensteuer ist ihrerseits wiederum nur ein Anhängsel an diese.

Die aus unserer Sicht gewichtigen Aspekte haben in diesem ganzen Verfahren keine nennenswerte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Kritisches Potential beim Bündnis90/Die Grünen und der Linken drang dann auch nicht mehr durch, weil beide Parteien die Unternehmensteuerreform insgesamt ablehnten.

hpd: Sehen Sie diesen Brief als letzte Möglichkeit, das Gesetzgebungsverfahren noch zu stoppen?

Halfmann: Ja, es eilt sogar, das Präsidialamt hat zu erkennen gegeben, dass sich der Bundespräsident schon bald des Gesetzes annehmen werde.

hpd: Halten Sie es prinzipiell für möglich, dass dies Gesetz vom Bundespräsidenten gestoppt werden kann?

Halfmann: Natürlich, solches ist bereits geschehen. Ich erinnere an den Fall der Privatisierung der Flugsicherung, die vom Bundestag beschlossen worden war. Das war im Herbst des vorigen Jahres

hpd: Werden Sie, falls der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnet, vor dem Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Klage einreichen?

Halfmann: Ich denke nein, denn ich bin selbst nicht Betroffener. Etwas anders liegt der Fall bei einer weiteren Intervention, die beim Bundespräsidenten eingegangen ist. Es hat den Anschein, dass das neue Gesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz Art.3 GG verstößt. Steuerzahlende, die (ab 2011) per Abgeltungssteuer ihre Kirchensteuer entrichten, sind im Fall eines Kirchenaustritts schlechter gestellt, als jene, die diesem Verfahren nicht unterworfen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass dann Betroffene auf Gleichbehandlung klagen werden.

hpd: Worauf führen Sie es zurück, dass die (Erz-)Bistümer und Landeskirchen gegen dieses Bundesgesetz nicht protestiert haben - es ist doch in den von Ihnen angesprochenen Problemen die Aushöhlung der Ländergesetzgebung in Kirchenfragen und könnte doch der Beginn einer sich bildenden Bundeskompetenz in Kirchenfragen sein, die sich auch nachteilig für die Kirchen auswirken könnte?

Halfmann: Das rührt einmal daher, weil sie selbst an dieser Ausgestaltung der Abgeltungsteuer beteiligt waren.
Zum anderen sind sie sicher, dass durch die Abgeltungsteuer ab 2011 die Kirchensteuereinnahmen auf eine mehr als solide Basis gestellt wird. Nicht nur Liebe - auch Geld soll ja blind machen...

hpd: Herr Halfmann, danke für das kurze Gespräch.

Die Fragen stellte Carsten Frerk.