Laizismus und „geistige Immunschwäche"?

FÜRTH. Offener Brief des Bund für Geistesfreiheit Bayern an Bischof Dr. Mixa anlässlich seines Interviews mit der Augsburger Allgemeinen

(AZ vom 28./29. 7 2007).

 

Sehr geehrter Herr Dr. Mixa,

in Ihrem Interview mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung fordern Sie von muslimischen Staaten mehr Toleranz gegenüber der Christenheit. Mit dieser Forderung nach mehr Weltanschauungsfreiheit geht der Bund für Geistesfreiheit konform, will sie jedoch auf alle nichtmuslimischen Weltanschauungen einschließlich des Nichtglaubens ausgedehnt wissen.

Nicht in Ordnung ist, dass Sie die in Deutschland lebenden Muslime quasi als Faustpfand behandeln möchten für mangelnde Toleranz in muslimischen Staaten. Was ist das für ein Demokratieverständnis, dass Sie das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 GG) einschränken wollen wegen Zustände in anderen Ländern, auf die die in Deutschland lebenden Muslime meistens nicht einmal mehr Einfluss ausüben können? Jede Weltanschauungsgemeinschaft hat Anspruch auf dieses Grundrecht, solange nicht ein ordentliches Gericht eine Verfassungsfeindlichkeit festgestellt hat.

Sehr befremdlich ist auch, dass Sie den Laizismus als Ursache für "geistige Immunschwäche" diffamieren. Schließlich ist der Laizismus, also die Forderung eines weltanschaulich neutralen Staates, ein grundgesetzliches Gebot (Art. 3 GG, Art. 4 GG, Art. 140 GG/Art. 137 - 141 WRV) von Verfassungsrang. Und hier ist in der Tat ein erhebliches Defizit der Katholischen Kirche an Demokratieverständnis und Toleranz gegenüber anderen Weltanschauungen, insbesondere den Konfessionsfreien, festzustellen.

Entgegen dem staatlichen Neutralitätsgebot eignet sich die Katholische Kirche immer mehr Privilegien an. So lässt sie sich vom Staat Kirchenbauten ebenso bezahlen wie die Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen (Militär, Polizei, Gefängnis, Anstalten). Kirchliche Sozialeinrichtungen oder Theologenausbildung werden in dreistelliger Millionenhöhe im Jahr bezuschusst. Zahlreiche sogenannte Konkordatslehrstühle (allein 21 in Bayern) kann die Katholische Kirche mit Professoren ihrer Wahl besetzen - der Staat darf zahlen. Sogar die Gehälter von Bischöfen, auch das Ihre, und anderen kirchlichen Würdenträgern werden vom Staat aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt. Hier werden in hohem Maße konfessionsfreie Bürger zur Finanzierung der Katholischen Kirche gezwungen. Der Sozialwissenschaftler Carsten Frerk addiert die Zahlungen des Staates an die beiden Großkirchen auf 19,8 Mrd. Euro pro Jahr auf (sh. Buch „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland").

Einen schlimmen Akt der Intoleranz der Katholischen Kirche stellt jedoch deren Umgang mit Konfessionsfreien hinsichtlich des Ethikunterrichtes dar. Dieser Unterricht wurde auf Betreiben Ihrer Kirche (Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer vom 22.11.1974) für die SchülerInnen eingeführt, die von Ihrem Grundrecht Gebrauch machen, dem Religionsunterricht fern zu bleiben. Nun wird dieser Unterricht systematisch zur Zwangsmissionierung genutzt. Denn Gedankengut der Konfessionsfreien sucht man in dem vom christlich-konservativen Kultusministerium festgelegten Lehrplan vergeblich. Religiöse und insbesondere christliche Beeinflussungen herrschen hingegen vor, z.B. in Lehrplaneinheiten wie "Religionen als Möglichkeit Gemeinschaft zu erleben". Dazu passt, dass das zugelassene Ethik-Lehrbuch für Bayern (BSV-Verlag) von der ev. Regionalbischöfin Frau Susanne Breit-Kessler herausgegeben wurde. Der Studienplan für angehende EthiklehrerInnen wurde "praktischerweise" gleich von einem kath. Theologen, dem Konkordatslehrstuhlinhaber für Philosophie Herrn Prof. Dr. Christian Schröer, ausgearbeitet. Ein Löwenanteil der angehenden EthiklehrerInnen wird an Konkordatslehrstühlen ausgebildet - meistens ohne sich dessen bewusst zu sein. An der Universität Passau schwelt gerade ein Konflikt, weil der einzig verbleibende Lehrstuhl für Philosophie mit einem Professor aus der katholisch-theologischen Fakultät besetzt werden soll. Damit würde ein kirchenunabhängiges Ethik-Studium auf verfassungswidrige Weise unterbunden werden.

Die mit ca. 20 Professoren /Dozenten, 30 Lehrbeauftragten und 600 Studenten größte bayerische Ausbildungsstätte für Philosophie und angehende Ethiklehrkräfte, die Hochschule für Philosophie in München, wird von den Jesuiten betrieben - natürlich mit Staatsgeldern!

Immer wieder kommt es vor, dass katholische SchulleiterInnen den Ethikunterricht auf den späten Nachmittag legen, an eine entfernte andere Schule zentralisieren oder den Eltern gleich ganz davon abraten.

Über Jahrzehnte hat die Katholische Kirche dieses System an christlicher Zwangsmissionierung aufgebaut und nutzt es zur intoleranten Grundrechtsabschneidung konfessionsfreier SchülerInnen und Eltern.

Herr Dr. Mixa, bevor Sie und Ihre Institution sich als Anwalt der Toleranz aufspielen, sollten Sie diese durch Sie mit zu verantwortenden Missständen im eigenen Lande beseitigen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dietmar Michalke
Vorsitzender des bfg-Bayern