Wenn Glocken die Stille zerreißen

(hpd) „In Würzburg läuten die Glocken deshalb so eindringlich, weil es die Erlösung ist, wenn sie wieder aufhören.“

 

Das Copyright für diesen Spruch hat Elmar Kupke. Am letzten Sonntag war es wieder einmal so weit. Am 25.11.2007 war Totensonntag. Das bedeutete, dass sich die Lebenden allerhand Beschränkungen gefallen lassen mussten. Das galt auch für diejenigen unter uns, die sich diesem Totenkult nicht hingeben wollten. Denn wie so oft an religiösen Feiertagen – zum Beispiel am Karfreitag – kann das „sich ganz normal verhalten“ einigen Ärger hervorrufen. Der Staat, etwas zu lässig von der Kirche getrennt, verbietet vieles, was mit nichtreligiösem Kolorit verbunden ist. Dies variiert nach Bundesland, ist also abhängig, welche Kirche den meisten Einfluss im Land hat.


König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ordnete 1816 an, den letzten Sonntag des Kirchenjahres als Gedenktag der Freiheitskriege gegen Napoleon zu feiern. Im Laufe der Zeit wurde der Totensonntag dann zum allgemeinen Feiertag – zur Erinnerung an alle Verstorbenen – quasi das evangelische Gegenstück zum Feiertag von Allerseelen.


Doch dieser stille Sonntag war nicht leiser als jeder andere im Jahr mit Ausnahme der kurzen vorösterlichen Zeit, denn Kirchenglocken waren in voller Dröhnung weithin zu hören und störten die Mitbürger, die in der Nähe einer der zahlreichen Türme wohnen, wie gewöhnlich.


Kommt da nicht die Frage auf, warum all dieser Spektakel – und für wen eigentlich? Für wen? Das ist schnell geklärt, denn geläutet wird für die gläubigen Christen, die ihren Glauben leben und am Geschehen in den Gemeinden Anteil nehmen. Das sind in der heutigen Zeit unter den Katholiken recht wenige und in den evangelischen Gemeinden nicht viele. Gleichwohl, es wird gebimmelt, dass die Schwarte kracht.

Aber warum also tönen mehrfach am Tage die Glocken?

Zunächst hört man sie etwas zurückhaltend, wenn sie uns die Zeit ankündigen – unbeirrt, als hätte kein Mensch eine Uhr oder könne so einen Zeitmesser nicht lesen. Das lassen sie auch in der Nacht nicht, wenn die meisten Menschen schlafen und auch die zur Ruhe kommen wollen, deren Gehör sehr empfindsam ist, so dass sie jede Stunde mitzählen können, die ihnen der nächststehende Kirchturm verkündet. Dagegen wird inzwischen angekämpft und das teilweise mit Erfolg für die Kläger – gegen das Läuten.


Das Läuten aus religiösen Beweggründen wird zurzeit immer noch vom Recht gedeckt, man beruft sich dabei häufig auf das Brauchtum. Doch die meisten Mitbürger erahnen nicht einmal, warum mehrmals am Tage die Kirchenglocken läuten und noch spärlicher ist das Wissen um die Geschichte des Glockenläutens überhaupt. Früher war das Schlagen von Glocken als heidnischer Brauch verpönt, doch später als christlicher Brauch übernommen. Deshalb wird es Zeit, einige Aspekte des uns umgebenden Geläutes an die große Glocke zu hängen.


Glocken dienten in früheren Zeiten nicht nur religiösen Zwecken, sie waren auch Signalinstrumente zum Beispiel bei Feuer, Katastrophen oder regelten den Tagesablauf.

Doch Hauptzweck der Kirchenglocken waren Aufrufe, Erinnerungen und Mahnungen an die Gläubigen.

Jeder wird schon bemerkt haben, dass immer 12:00 Uhr mittags die katholisch geweihten Glocken läuten. Dieses Läuten wird, fragt man Christen, vielfach damit begründet, dass es den Tag teilt. Doch weit gefehlt! Dieses Läuten ist ein Siegesläuten. Gefeiert wird ein Sieg der Christen über die Moslems. Papst Calixtus III. führte am 14. Juli 1456 diesen Brauch ein – als Dank für den Sieg über die Türken in Ungarn – insofern eine Art postumen Kriegsgeläutes.


Das 15 Uhr Läuten dagegen ist der Überzahl bekannt, es geht auf die angebliche Todesstunde von Jesus zurück und wird Karfreitag mit Gottesdiensten gefeiert.


Das Läuten morgens 6:00 Uhr geht auf die alten Gebetszeiten zurück und ist nicht mehr als ein Überbleibsel, an dem die Kirchen aber vehement festhalten. Heute ist es außer in geschlossenen Klosteranlagen praktisch bedeutungslos, da kaum ein Mensch täglich um diese Zeit zum Gebet in eine Kirche geht.


Die Kirchen jedoch werden nicht müde, für den Erhalt des alltäglichen Geläutes zu kämpfen, bzw. zu predigen doch diese spezielle Art der Ansprachen erreichen nur den Teil der Menschen, die sie hören wollen.


Es ist Tatsache, dass der Klang von Kirchenglocken in seiner Gesamtheit seiner Anlässe die Gesellschaft kaum noch interessiert, höchstens dann und wann auf die Nerven geht. Denn es ist eine Wissenschaft für sich und wird in unseren Tagen von automatischen Läutwerken bewerkstelligt, gesteuert von Elektronik. Technik im Dienste des Herrn oder Kirche – wie auch immer.


Dennoch ist es gut, um die teilweise überholten Gründe für die täglichen und nächtlichen Glockenschläge zu wissen. Denn wer über das, was uns umgibt, informiert ist, wer etwas weiß, der hat keinen Grund, etwas glauben zu müssen, was andere ihm weismachen.


Thomas Häntsch