Notizen aus Frankreich

Sarkozys „positiver Laizismus“.

PARIS, im Januar. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy

sorgt weiter für Kontroversen wegen seiner Haltung zum Verhältnis von Staat und Kirche. Insbesondere wird seine Konzeption des sogenannten „positiven Laizismus“ als ideologische Grundlage der neuen Regierung in ihrem Verhältnis zur Religion diskutiert.

Nach einem Empfang von Vertretern der sechs wichtigsten Religionen des Landes am 17. Januar hat Sarkozy seine Verbundenheit mit dem Prinzip des französischen Laizismus betont und diesen so ausgelegt, dass er das Prinzip der Achtung der Religion und nicht des Kampfes gegen sie beinhalte. Wörtlich erklärte der Präsident: „Die Anerkennung religiöser Gefühle als Ausdruck der Meinungsfreiheit … sei wie die Anerkennung des Erbes der Aufklärung ein Teil unseres republikanischen Paktes und unserer Identität.“ Einen Tag darauf setzte sich Sarkozy dafür ein, dass Vertreter aller Religionen einen Sitz im nationalen Ökonomischen und Sozialen Rat (CES) von Frankreich bekommen. Der CES ist eine Art dritte parlamentarische Kammer mit weitgehenden beratenden Funktionen.

Die Vertreter der Kirchen äußerten sich sehr zufrieden mit den Worten des Präsidenten bei ihrem Empfang am 17. Januar wie auch bei seinen kürzlichen Besuchen im Vatikan und in Riad. Altminister Laurent Fabius von den französischen Sozialisten kritisierte hingegen Sarkozys Rede mit den Worten: „Man kann nicht zur selben Zeit laizistisch und nichtlaizistisch sein.“ Sarkozy solle bei der „traditionellen Definition des Laizismus“ bleiben.

Die Gewerkschaft der Lehrer (Snes-FSU) bezeichnete die Auslassungen Sarkozys als unvereinbar mit seiner Funktion als Staatspräsident. Die Gewerkschaft vermutet bei Sarkozy die Idee einer Republik, die sich den Religionen unterordne. Das nationale Komitee der laizistischen Aktion (CNAL) will daher sogar ein „laizistisches Aktionsjahr“ organisieren und betont, dass sich Repräsentanten der Republik nur um republikanische Werte zu kümmern haben.

Selbst einige katholische Vertreter zeigen sich von Sarkozys propagierter Idee des „positiven Laizismus“ nicht allzu begeistert, da sie eine neue antireligiöse Stimmung im Land hervorrufen könne. Die Geistlichen sind auch inhaltlich mit einigen Elementen von Sarkozys Konzeption nicht einverstanden, da sie unter anderem die Öffnung zum Islam hin beinhalte. (Französisch) (Französisch) (Französisch)

Erster staatlicher Ausbildungskurs für Imame

PARIS, 30. Januar. Für 25 zukünftige Imame hat die staatlich anerkannte Ausbildung am Katholischen Institut von Paris begonnen (hpd berichtete). Unter dem Motto „Religion, Laizismus und Interkulturalität“ sollen die islamischen Geistlichen im Sinne einer „republikanischen Integration“ geschult werden. Die Lehrinhalte beruhen auf den fünf Eckpfeilern Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Laizismus und Demokratie. Der staatliche Abschluss wird mit dem französischen Abiturzeugnis +2 (Bakkalaureat) gleichgestellt. (Französisch)

Die extreme Rechte wird proisraelisch

FRANKREICH, 29. Januar. In seinem Buch „Die neue jüdische Frage“ (La nouvelle question juive, Quiévrain, 2007) vertritt der rechte Publizist Guillaume Faye die These, dass sich angesichts der „islamischen Gefahr“ europäische Nationalisten mit Israel, den zionistischen Organisationen und den Juden in der Diaspora verbünden sollten.

Diese Position ist nicht neu. So wurde Israel bereits im Algerienkrieg 1954-62 von der militanten Geheimorganisation französischer Nationalisten OAS als Verbündeter betrachtet. Die Thesen Fayes werden in rechtsextremen Kreisen sehr kontrovers diskutiert, finden aber auch im Ausland immer mehr Sympathie, z. B. bei Filip Dewinter, dem Chef der neofaschistischen flämischen Partei „Vlaams Belang“. (Französisch)

Muslime verlangen Aussetzung des Gesetzes von 1905

PARIS, 28. Januar. In der Debatte um die geplante Novellierung des Gesetzes zur Trennung von Staat und Kirche aus dem Jahre 1905 hat Dalil Boubakeur, Rektor der Pariser Moschee und Vorsitzender des französischen Rates für islamischen Kultus (CFCM), ein Moratorium von 10 bis 20 Jahren für das Gesetz vorgeschlagen. Die in einem solchen Fall außer Kraft gesetzten Vorschriften wie das Kopftuchverbot oder das Verbot der Finanzierung von Kirchen aus öffentlichen Mitteln würde eine breitere Diskussion unter den Muslimen und die Festigung islamischer Infrastrukturen ermöglichen. Damit könnte „der Rückstand des Islams aufgeholt werden“.

Der CFCM befindet sich zurzeit in einer Krise, sodass ein Moratorium die Restrukturierung seiner Organisation ermöglichen würde. (Französisch) (Französisch)

Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare gestärkt

STRASSBURG, 22. Januar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Gegensatz zu einem französischen Urteil von 2003 das Recht homosexueller Paare auf Elternschaft gestärkt. Er verurteilte Frankreich wegen Diskriminierung, da das Land 1998 die Adoption eines Kindes durch eine lesbische Frau nicht genehmigt hatte. Laut dem Urteil des Gerichtshofes sei es unzulässig, dass Homosexualität zu einer anderen juristischen Behandlung der Elternschaft als bei Heterosexuellen führe. Die Klägerin bekam aus moralischen Gründen 10.000 Euro Schadenersatz zugesprochen und der französische Staat muss die Prozesskosten in Höhe von 14.500 Euro begleichen.

Nach Angaben des Nationalen Demografischen Instituts wachsen in Frankreich bis zu 40.000 Kinder in einer homosexuellen Lebensgemeinschaft heran. Die französische Vereinigung schwuler und lesbischer Eltern (APGL) spricht dagegen von 300.000 und prognostiziert für die kommenden Jahre eine Zahl von 1 Million Kindern. (Französisch)

Medizin und Heiligkeit

PARAY-LE-MONIAL, 22. Januar. Katholische Antiabtreibungsorganisationen organisieren eine internationale Konferenz, die im Mai im ostfranzösischen Paray-le-Monial (Region Burgund) stattfinden soll. Ärzte, Chirurgen und Medizinstudenten werden dort zur Thematik diskutieren, ob und wie „Medizin und Heiligkeit“ vereinbar seien. (Französisch)

Kampagne für freie Sexualität

PARISER REGION, 15.-21. Januar. Mehrere Organisationen starteten Mitte Januar in der Region Paris die Kampagne „Sexualität, Verhütung, Abtreibung: ein Recht, meine Wahl, unsere Freiheit“. Sie wurde vom Pariser Regionalrat finanziert. Ziel der Initiatoren dieser Aktion sei gewesen, für eine freie Entfaltung der Sexualität zu plädieren und gleichzeitig einer zu stark medizinisch gesteuerten Fruchtbarkeit sowie Abtreibungsbeschränkungen entgegenzutreten. In der Pariser Region leben 18 % der französischen Bevölkerung, werden aber 25 % der Schwangerschaftsabbrüche von insgesamt 220.000 Fällen pro Jahr in Frankreich vorgenommen.

Die Bischöfe der Region protestierten in einer Pressemitteilung gegen die „verantwortungslose“ Kampagne. Ihrer Meinung nach sei ein Schwangerschaftsabbruch immer „eine Wunde und Niederlage für die Frau, das betreffende Paar und die Gesellschaft“. Sie kritisierten auch jene Volksvertreter, die der Finanzierung der Aktion zugestimmt hatten. Die Gegner der Initiative protestierten Mitte Januar auf dem jährlich stattfindenden „Marsch für das Leben“ gegen diese „Banalisierung des Nichtbanalisierbaren“. Von den erwarteten 10.000 Teilnehmern kamen nach Angaben der Polizei aber nur 2.500 Protestierer. Als einziger Politiker unterstützte der Neofaschist Jean Marie Le Pen die Demonstration. (Französisch) (Französisch) (Französisch) (Französisch)

Demografischer Spitzenreiter Frankreich

PARIS, 15. Januar. Das nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE) hat die Ergebnisse seiner jährlichen demografischen Analyse veröffentlicht. Danach ist Frankreich mit 64,5 Millionen Einwohnern das zweitgrößte Land Europas. Für 2009 erwartet das Institut sogar 65 Millionen Einwohner, da die Geburtenrate steige. Als Ausnahme in Westeuropa gebe es 290.000 Geburten mehr als Sterbefälle, während die Zahl der Auswanderer vernachlässigenswert gering sei. Doch auch in Frankreich nehme die Geburtenrate ab und sei mit 1,98 wieder unter die magische Zahl von weniger als 2 Kindern pro Frau gefallen. Der europäische Durchschnitt betrage 1,5 Geburten. (Französisch)

Islamischer Gebetssaal in Universität geschlossen

ANTONY, 6. Januar. Mit Polizeigewalt wurde der islamische Gebetssaal in den Studentengebäuden der Universität Antony im Großraum Paris aus Sicherheitsgründen geschlossen. Die Direktorin des Studentenwerks von Versaille versprach, eine andere Räumlichkeit zur Verfügung zu stellen, aber nur unter der Bedingung, dass dort keine Kulthandlungen stattfinden. Die Vorschriften verbieten Kultpraktiken in öffentlichen Universitätsgebäuden. Abdelatif Belkadi, Sprecher der muslimischen Gruppen, äußerte sich sehr kritisch: „Uns schlägt hier ein unglaublicher laizistischer Fundamentalismus entgegen.“ (Französisch)

Immer mehr bloggende Priester

FRANKREICH, 5. Januar. Laut einer Internetanalyse haben immer mehr Priester ein eigenes Weblog (Internet-Tagebuch). Ursachen seien die Isolation der Priester, vor allem im ländlichen Raum, und der Wunsch, Kontakt mit Verwandten und Freunden zu halten. Weitere Motive seien das Bestreben, über sich zu sprechen und ins evangelisierende Gespräch mit den Gläubigen zu kommen. Im Gegensatz zu den USA gebe es in Frankreich jedoch noch keine Weblog-führenden Bischöfe. (Französisch)

Rudy Mondelaers