Erinnerung an Irene Nickel

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Irene Nickel / Foto: privat

BRAUNSCHWEIG. (hpd) Sie gehörte zu den nicht eben zahlreichen Frauen, die sich in der säkularen Szene kontinuierlich politisch engagierten. Und obwohl sie niemals im Vordergrund stand, hat sie die Arbeit des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) über zwei Jahrzehnte hinweg mitgestaltet. Am 8. März ist sie nach schwerer Krankheit gestorben. Vergangene Woche wurde ihre Urne beigesetzt.

Ich begegnete Irene Nickel erstmals Anfang der 1990er Jahre auf einer Mitgliederversammlung des IBKA in Berlin. Ihr Name war mir damals bereits bekannt, denn in MIZ 3-4/89 hatte sie in einem Leserinnenbrief kritisierte, dass der IBKA die Forderung nach der ersatzlosen Streichung des § 218 StGB erhob. Sie meinte, das Eintreten für eine Fristenregelung sei ausreichend; die Mehrheit der Versammlung war anderer Meinung.

Trotzdem engagierte sich Irene seitdem in dem damals noch ziemlich kleinen Konfessionslosenverband. Als Regionalbeauftragte war sie über viele Jahre Kontaktperson in Niedersachsen, kurzzeitig gehörte sie einmal auch dem Bundesvorstand an. An der Gründung des Landesverbandes Niedersachsen-Bremen im März 2010 war sie maßgeblich beteiligt und hat dann noch fast zwei Jahre aktiv im Vorstand mitgearbeitet.

Als Mitglied der Satzungs- sowie der Leitfaden-Kommission des IBKA zeichnete sie mitverantwortlich für die aktuelle Fassung dieser Texte. Daneben schrieb sie viele Leserbriefe, Beiträge für die Zeitschrift MIZ und arbeitete an vielen einschlägigen Wikipedia-Artikeln.

Politisch aktiv war Irene Nickel aber bereits vorher. Ihr Studium begann sie 1968, „also genau in der richtigen Zeit, um von der 68er Bewegung vieles mitzubekommen und viel daraus zu lernen“, wie sie in einer biographischen Notiz auf ihrer Webseite schreibt. Sie engagierte sich bei amnesty international und trat der SPD bei (die sie 1982 wegen deren Atompolitik wieder verließ).

Die existentiellen ethischen Fragen fanden ihr besonderes Interesse, wie bereits ihr erster Leserinnenbrief in der MIZ zeigt. Auf ihrer Webseite finden sich einige Artikel zu entsprechenden Themen. Als Mutter eines schwerbehinderten Kindes setzte sie sich für Stammzellenforschung und Präimplantationsdiagnostik ein. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) plädierte sie dafür, Sterbehilfe zu ermöglichen. Sie war eine emanzipierte Frau, ohne in der Frauenbewegung verwurzelt zu sein. „Gelebte Emanzipation“ nannte sie es, dass sie zu einem Zeitpunkt Judo betrieb (und 1974 den 3. Platz bei der deutschen Judo-Meisterschaft belegte), als dieser Sport für Frauen noch als exotisch galt.

Irene Nickel zeichnete sich durch klares Denken aus und war besseren Argumenten immer zugänglich. Auf ihrer Webseite findet sich ein Text zum Schwangerschaftsabbruch, der auf einem MIZ-Artikel aus dem Jahr 1991 basiert, aber an einigen Stellen geändert ist; in den Fußnoten gibt sie den Originaltext wieder und erläutert, warum sie nun zu einer anderen Einschätzung kommt. Ein solches reflektiertes Vorgehen, die Bereitschaft, Positionen zu ändern, wenn neue Argumente sie überzeugten, war typisch für sie, aber die diplomierte Mathematikerin konnte sich auch leidenschaftlich und beharrlich für ihre Positionen einsetzen.

Irene Nickel hat in den vergangenen 20 Jahren viel für den IBKA, aber darüber hinaus für die gesamte säkulare Szene getan. Und sie gehörte nicht zu den Menschen, die nur gute Ratschläge gaben; ihr war stets bewusst, dass Freiheitsrechte im real existierenden Kapitalismus auch eine ökonomische Dimension haben. Als Alibri-Verleger bin ich ihr hier auch persönlich zu Dank verpflichtet.

Irene hinterlässt im IBKA, gerade die Satzungs- und die Leitfaden-Kommission betreffend, eine Lücke. Wir werden es wohl schaffen, diese zu füllen. Ihre kluge, sachliche Art, ihren Humor, den kennenlernte, wer sie ein wenig besser kannte, werde ich aber vermissen.

Gunnar Schedel