Die GWUP hat einen neuen Vorstand

Der Richtungsstreit bei den deutschen Skeptikern ist erstmal entschieden

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Das "100-Tage-Programm" des "Team Sebastiani"
Das "100-Tage-Programm" des "Team Sebastiani"

Am vergangenen Samstag um 17:45 Uhr waren die Stimmen ausgezählt und es stand fest, dass die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) einen neuen Vorstand hat. Mit "Team Sebastiani" hat sich der universalistische Flügel durchgesetzt. Die Mitgliedschaft hofft, dass die inhaltliche Arbeit in der wichtigsten deutschsprachigen Skeptikerorganisation nun wieder in den Vordergrund rückt und sachliche Differenzen konstruktiver ausgetragen werden als in den vergangenen Monaten.

Der Wahlkampf wurde bis zuletzt sehr intensiv und auch öffentlich ausgetragen. Noch während der seit Donnerstag laufenden Skepkon versuchten beide Lager, unter den noch unentschiedenen Mitgliedern Zustimmung zu gewinnen. Während das "Team Hümmler" auf die Prominenz seines Spitzenkandidaten baute und "Wählt Holm"-Buttons auslegte, hatte das "Team Sebastiani" so etwas wie ein 100-Tage-Programm mit allgemeinen Vorsätzen für die ersten Wochen nach der Wahl ausgearbeitet.

Das Interesse an der Vorstandswahl war riesig, es kamen fast 250 Mitglieder (etwa doppelt so viele wie im Durchschnitt der Mitgliederversammlungen vergangener Jahre). Durch die lang anhaltenden Auseinandersetzungen war diesmal vielen Mitgliedern klar, dass tatsächlich eine "Richtungswahl" anstand. So herrschte bereits während der Skepkon eine leicht angespannte Stimmung vor, allerdings in keiner Weise vergleichbar mit der unangenehmen Atmosphäre, die vor einem Jahr die Konferenz in Frankfurt bestimmt hatte. Da beide Spektren stark mobilisiert hatten, wurde allseits ein knappes Ergebnis erwartet. Eine Prognose wagten nur die wenigsten; selbst diejenigen, die sich am Beifall nach den Stellungnahmen der Kandidaten oder nach Wortmeldungen orientierten, kamen je nach Sitzplatz im Saal zu unterschiedlichen Einschätzungen, welches Lager zahlenmäßig stärker sein könnte.

In der Aussprache wurde schnell deutlich, dass eine ganze Reihe von Mitgliedern kein Verständnis für die Konfrontation hatte und auch das Wahlverfahren wurde kritisiert. Denn die beiden "Teams" hatten abgesprochen, dass es einen einheitlich besetzten Vorstand geben solle. Hätte die Wahl einen "gemischten" Vorstand ergeben, so war vereinbart, dass die Gewählten, die nicht aus dem "Team" des Vorsitzenden stammten, die Wahl nicht annehmen würden.

Was auf den ersten Blick wie eine Missachtung des Wählerwillens erscheinen mag, trug dem Umstand Rechnung, dass der GWUP-Vorstand nach der Wahl von Frankfurt aufgrund der inneren Differenzen nur eingeschränkt handlungsfähig war. Der Umgang miteinander war aufreibend, Holm Hümmlers Aussage, die letzten zwölf Monate seien "nicht vergnügungssteuerpflichtig" gewesen, hätten wohl die allermeisten der am Konflikt aktiv Beteiligten unterschrieben. Die Art und Weise, wie die Mitgliederversammlung im Mai 2023 in Frankfurt abgelaufen war, als unmittelbar vor dem Wahlgang plötzlich für sämtliche Vorstandsämter außer dem Kassenwart neue Kandidatinnen und Kandidaten präsentiert worden waren, die alle einem Lager zugehörten, hatte eine Atmosphäre des Misstrauens entstehen lassen, die schwer aufzulösen war.

Hinzu kam, dass es tatsächlich grundlegende inhaltliche Differenzen gibt, was die universelle Geltung wissenschaftlicher Methoden angeht. Hier eine Klärung herbeizuführen, ob sich der Skeptizismus jedes Thema, das wissenschaftlich untersucht werden kann, vornehmen darf oder ob es innerhalb der GWUP ein Gremium geben sollte, das im Zweifelsfall Einschränkungen vornimmt, erschien mit einem Vorstand, der mit einer Stimme spricht, einfacher. So gesehen war die gemeinsam getroffene Entscheidung der beiden "Teams", die Wahl auch vom Wahlmodus her als Richtungswahl zu gestalten, vernünftig. Denn damit könnte etwas Ruhe in die GWUP einkehren.

Screenshot X/Twitter
Screenshot: X/Twitter, Foto: © Andreas Brauer

Nach der Auszählung lag das "Team Sebastiani" dann bei etwa 55 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit werden die Geschicke der GWUP in Zukunft von dem neuen Vorsitzenden André Sebastiani sowie Judith Faessler, Stefanie Handl (beide stellvertretende Vorsitzende), Rouven Schäfer, Timur Sevincer, Stefan Uttenthaler, Stefanie Weig (alle Beisitzer) und Stefan Soehnle (Kassenwart) geleitet. Der Vorstandsposten, der vom Wissenschaftsrat besetzt wird, soll zukünftig von Barbro Walker übernommen werden (die Nikil Mukerji in dieser Funktion ablöst). Dieses Ergebnis ist relativ deutlich, aber über 40 Prozent der Mitglieder sehen sich nun möglicherweise nicht mehr in den Gremien der GWUP repräsentiert. So etwas ist – auch wenn es den Absprachen entspricht – für jeden Verein problematisch. So zählt André Sebastiani die Befriedung des Vereins auch zu den vorrangigen Aufgaben. Mit "mehr Partizipation" und einer verbesserten vereinsinternen Kommunikation soll erreicht werden, dass alle GWUP-Mitglieder den Eindruck haben, dass ihre Positionen einen Platz finden und ihre Bedenken gehört werden.

Inwieweit dies funktionieren wird, lässt sich so kurz nach der Mitgliederversammlung noch nicht abschätzen. Die Enttäuschung der unterlegenen Fraktion war spürbar und einzelnen Protagonisten auch anzusehen. Bereits unmittelbar nach der Veranstaltung soll es erste Austritte gegeben haben. Ob sich diese zu einer Austrittswelle aufschaukeln und eine weitere Skeptikerorganisation gegründet werden wird, werden erst die nächsten Wochen zeigen.

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