Ist die öffentliche Schule so gut wie erledigt?
Internetblog, 29.08.2008 - Nach Caroline Fourest können
die Anhänger der privaten Schulen sich freuen. All jene, die die Trennung von Schule und Staat der Trennung von Kirche und Staat vorziehen, ob sie ultrakatholisch oder ultraliberal sind, oder beides, können ihren Sieg genießen. Der Schulkrieg wäre fast beendet. Und sie haben gewonnen.
„Der Wurm fraß sich in die Frucht" seitdem Minister Debré 1959 den privaten Schulen erlaubt hat, „die Butter und das Geld für die Butter" zu bekommen: durch Selektion und die finanzielle Unterstützung des Staates erhielten sie die Macht, um mit den öffentlichen Schulen zu konkurrieren. Der Fortschritt der Schuldemokratisierung hat diesen Wettbewerb immer ungleicher gemacht. Mit der Zielsetzung, 80% der Kinder, die aus benachteiligten sozialen Kreisen und überlasteten Klassen kommen, den mittleren Schulabschluss zu garantieren (Bac), kam die öffentliche Schule ins Schlingern. Um das Niveau zu retten müsste man eigentlich die Zahl der Lehrer erhöhen und die der Schüler und Klassen senken. Aber die Budgets waren nicht auf der Höhe der Anforderung. Anstatt seine Mittel für die öffentlichen Schulen zu konzentrieren, hat der Staat die Mittel für die privaten Schulen erhöht. Während es immer noch mehr als 500 Gemeinden ohne eine öffentliche Schule gibt, finanzieren der Staat und die Gemeinschaften die Einschulung eines Schülers im Privatsektor und in der Öffentlichkeit fast paritätisch. Das heißt, „die Öffentlichen auszuziehen, um die Privaten besser anzuziehen."
Seitdem geht die öffentliche Schule unter. Der Staat könnte von der Verminderung bestimmter Altersklassen profitieren, um die Anzahl der Schüler pro Klasse zu senken, aber er zieht es vor, die Anzahl der Lehrer zu vermindern. Ergebnis: die Klassen sind überfüllt, insbesondere in den Volksvierteln. Als Antwort sieht der „plan banlieue" (Plan der Vororte) die Schaffung von 50 Klassen für die privaten, hauptsächlich katholischen Schulen vor. „Nie hat der Staat so den Wettbewerb gegen seinen eigenen öffentlichen Dienst organisiert", kommentiert Eddy Khaldi, Gewerkschaftler und Lehrer. Und der Prozess schreitet weiter voran: In diesem Jahr ist es die Abschaffung von 11.000 Lehrerstellen und von 44.000 in den nächsten vier Jahren. Und man bereitet bereits etwas Neues vor: den „Erziehungsscheck". Mit diesem wird jeder Schüler die Hilfe des Staates direkt erhalten und kann seinen Unterricht im privaten oder öffentlichen Sektor frei wählen. Eine Idee, die dem vom angelsächsischen Modell entliehen wurde und die religiösen Schulen privilegiert.
Und bis jetzt wollte die konfessionelle Schule nur bekehren. Aber die Zeiten ändern sich. Die Kirche vertraut ihre Erziehungsaufgaben immer mehr Strömungen wie dem Opus Dei oder der Legion des Christus an, kämpft, um den „sauberen Charakter", das heißt, um den katholischen Charakter ihrer Schulen zu stärken. Die anderen Religionen machen das auch. Frau Fourest stellt sich abschließend die Frage, wie wohl das Zusammenleben aussehen wird, wenn eine steigende Anzahl französischer Schüler in Schulen erzogen werden, die durch den Opus Dei, die muselmanischen Brüder oder die Loubavitchs geführt werden? (Französisch)
Auch in diesem Jahr müssen die katholische Schulen Einschreibungen ablehnen
Paris, 03.09.2008 - Nach den ersten Schätzungen sind die katholischen Schuleinrichtungen gezwungen gewesen, mangels ausreichender Mittel 30.000 bis 35.000 Einschreibungen abzulehnen. Dieses Phänomen betrifft hauptsächlich, wie bereits in der Vergangenheit, die Pariser Region, die großen Provinzagglomerationen und im Allgemeinen den Mittelmeerbogen von Perpignan bis Menton. In anderen Zonen ist die private Schule stärker aktiv, ohne dass sie gezwungen wird, viele Schüler abzulehnen, der große Westen einschließlich dort außerhalb der Städte. „Was beweist, dass die Wahl des Privatsektor oft anders als taktisch ist", begrüßt Éric de Labarre die Situation. Der Generalsekretär des katholischen Unterrichts erklärt sich überzeugt davon, dass die Lockerung des Schulkartensystems mit seinen erweiterten Möglichkeiten - Kinder können in einer reputierten öffentlichen Einrichtung und nicht nur in der nächstliegenden eingetragen werden - kaum eine Auswirkung auf den Privatsektor gehabt hat. Dieser Schub müsste andererseits in hohem Maße durch einen Rückgang der Schüler in anderen ländlichen Gebieten kompensiert werden, einen Rückgang, der auch den öffentlichen Unterricht betrifft. Im Ganzen kann man eine Stabilisierung auf etwas mehr als zwei Millionen Schüler feststellen.
Der Schulanfang 2008 hat jedoch auch im katholischen Unterricht dazu geführt, mit den Zahlen jonglieren zu müssen. Es mussten die Folgen der Reduzierung mit 1.400 Stellen durch das nationale Schulwesen gemeistert werden (bei einer Gesamtzahl von 11.200 Stellenstreichungen - privat und öffentlich insgesamt.). „Überstunden haben es erlaubt, den Verlust eines Postens auf zwei zu kompensieren. Wir haben auch versucht, unser Lehrerpersonal zwischen den Zonen umzugruppieren", sagte Éric de Labarre. „Die private Schule", sagt er, „lehnt es nicht ab, an den Anstrengungen teilzunehmen, die durch den Staat unternommen wurden, um die Defizite und die Verschuldung zu reduzieren. aber ihre Lage wird immer delikater". Dies in der Voraussicht der Entscheidungen für das künftige Budget, die bereits heute die Streichung von 13.500 Stellen im nationalen Schulwesen vorsieht. Das wird aber weniger den privaten Unterricht betreffen, da sie vor allem durch eine Neuorganisation des Schultransports entstehen, der im katholischen Unterricht nicht besteht. (Französisch)
Der tote Fötus kann ins Geburtenregister eingetragen werden
Paris, 22.08.2008 - Das Kassationsgericht hat drei Urteile gefällt, die den Familienmitgliedern die Möglichkeit geben, einen Fötus ohne Leben und ungeachtet seines Entwicklungsstadiums ins Geburtenregister einzutragen und zu bestatten.
Der Text der Erlässe gebraucht den Begriff „Fötus", obwohl er nicht durch das Recht definiert wird. Bis jetzt wurden in den meisten Krankenhäusern die Fötusse von weniger als 22 Wochen mit den Abfällen des Operationsblocks verbrannt. Vorgesehen ist auch, dass auf Antrag die Familienmitglieder „ein Familienbuch" ausgehändigt werden kann, das einen Auszug der Geburtsurkunde sowie „der Hinweis auf ein Kind ohne Leben" beinhaltet. Die Akte wird auf Basis eines medizinischen Zertifikats, das die Stunde, den Tag und den Ort der Entbindung erwähnt, ausgestellt.
Die Folgen dieser Erlässe können gefährlicher sein als die Befriedigung des ebenfalls legitimen Bedürfnisses der trauenden Familie, da ein neuer Durchbruch zugunsten der Gegner des Schwangerschaftsabbruches befürchtet wird. (Französisch)
Die Christen und die Herausforderung der Neurowissenschaften
Valpré, 01.09.2008 - Die katholische Zeitung „La Croix" berichtet über die Sommeruniversität am Maria Himmelfahrt in Valpré, die sich Gedanken über die „transhumanistische Bewegung" gemacht hat. „Die Christen wären abseits der Welt, wenn sie nicht versuchten, zu erfassen, was für den Menschen heute eine Rolle spielt", sagt Françoise, Professor für Geschichte i. R.: „die durch die Wissenschaft unaufhörlich zurückgedrängten Grenzen". Besonders mit den faszinierenden Fortschritten im Verständnis der Gehirnmechanismen würde nach Jean Staune, Gründer der interdisziplinären Universität von Paris, eine „eingeschränkte und materialistische Vorstellung" der Menschheit triumphieren. Schon der Transhumanismus hat seine Anhänger, deren Traum eines „erhöhten Menschen nach der Konvergenz der Biotechnologien nicht mehr eine Illusion zu sein scheint", erklärte der Biologe Jean-Sébastien Vialatte, Abgeordneter, dem aufgetragen wurde, eine Bewertung der Anwendung des Bioethikgesetzes von 2004 zu machen.
„Kein ernsthafter Forscher hat jedoch die Menschen zu einem Päckchen Neurone reduziert", sagte Philippe Deterre, Priester der „Mission de France", der zur „Entteuflung" seiner wissenschaftlichen Kollegen aufrief. Aber die Forschung ist eine Sache, der Gebrauch davon eine andere. In diesem Rahmen hängt alles ab von der Bedeutung der Wiederbelebung der Dialogräume zwischen Wissenschaft und Glauben. Ein Hintergrund für das für 2010 programmierte nächste Bioethikgesetz.
Jean-Louis Schlegel erinnert an die ganze Schwierigkeit des Unternehmens, das noch immer durch das „Phantom Galileis" verfolgt und das durch den evangelischen oder muselmanischen Fundamentalismus parasitisiert wird. Für den Religionssoziologen muss dieser Dialog aufgrund „einer notwendigen Rechtschaffenheit, ein Vertrauen in die Argumente der anderen entstehen". Kurz gesagt müssen „die Religionsleute akzeptieren, dass die Wissenschaft das Gebiet des Zweifels und der Forschung ohne Ende ist", und nicht das „Glücksversprechen" ignorieren, dass sie enthält. Umgekehrt muss „die Wissenschaft erkennen, dass sie unfähig ist, ihre eigenen ethischen Gründe zu definieren". Der Dominikaner Jean-Michel Maldamé, Mitglied der pontifikalen Akademie der Wissenschaften, hat eine „Vertrauensbotschaft" an die Neurowissenschaften adressiert. „Der Mensch, der nach dem Gottesbild geschaffen ist, ist ein Wesen, das eine Vollmacht für Handlungen auf andere besitzt". Es ist in der Ausübung dieser Verantwortung, dass er wächst. " (Französisch)
Wie wird man zum französischen Staatsbürger?
Paris, 02.09.08 - Ein Urteil des Staatsrates vom 27. Juni 2008, hat schon Ströme von Tinte vergossen. Es stand als prinzipielle Frage: Ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit nach einer Heirat mit einem Franzosen ein Recht, wenn die Einbürgerung nach wie vor eine hoheitliche Entscheidung des Staates ist?
Durch das Urteil wurde nun einer Frau aus Marokko, Faïza A., dieses Recht verweigert, weil sie einen Niqab trug. Und das wäre ein Beweis für "mangelhafte Assimilation". Zur Begründung formuliert der Erlass: „Auch wenn Frau A. die französische Sprache gut beherrscht, praktiziert sie jedoch eine radikale Religion, unvereinbar mit den Grundwerten der französischen Gemeinschaft, insbesondere mit dem Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter; also, erfüllt sie nicht die Voraussetzung für die Assimilation nach Artikel 21-4 des BGB (...)"
Das Gesetz sieht nämlich nicht vor, dass eine Frau, verheiratet mit einem französischen Ehegatten, die französische Staatsangehörigkeit automatisch mit vollem Recht erwerben kann: "Die Regierung kann, durch Dekret des Staatsrates, bei [...] fehlender Assimilation, anders als die der Sprache, den Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit durch den ausländischen Ehegatten verweigern."
Obwohl durch verschiedene feministische Organisationen unterstützt, kritisieren doch viele andere laizistischen Stimmen diese juristische Entscheidung. Laurent Levy fasst die delikaten Problemstellungen in „Les Mouvements" aus seiner Sicht zusammen. (Französisch)
Was ist beispielsweise mit Assimilation gemeint? Man kann sich vorstellen, dass dies bedeutet, dass die AusländerIn "ähnlich" geworden ist, "ähnlich" den FranzösInnen. Aber was bedeutet das? Die FranzösInnen sind ganz unterschiedlich. Welcher soll sie ähnlich sein? Welchem Modelltyp? Die offizielle Definition von Assimilation hilft da wenig: Die Annahme der „wesentlichen Werte der französischen Gesellschaft". Welche Werte sind aber die wesentlichen in einer so heterogenen Nation? Der einzige dazu im Urteil genannte Wert ist dieser der Gleichheit der Geschlechter. Die Realität der französischen Republik beweist aber, dass dieses Prinzip kaum zur Identifikation der französischen Nation beitragen kann. Noch heute sterben z. B. jede Woche drei Frauen infolge Vergewaltigung in der Ehe. Das Wesen der Nation wird somit definiert durch ein imaginäres Konzept und nicht durch das reale Leben. Außerdem entsteht so eine „interne Xenophobie". Nicht nur Ausländer können als minderwertig, sondern auch Franzosen können als Ausländer definiert und so ihre Rechte als Staatsbürger in Frage gestellt werden.
Und selbst wenn die Sichtweise des Ehemannes nur einen marginalen Bereich der Nation repräsentiert, zeigt dies, dass die Nation nicht eine Wirklichkeit ohne Widersprüche ist. Aber, so Levy, ist dies Verwischen der Widersprüche der Gesellschaft vielleicht eben das Wesen nationalistischer Ideologien. Der nationale Mythos kann auch gegen den strukturellen Rassismus und den sozialen Kampf eingesetzt werden. Der Verweis der Entscheidung des Staatsrates auf die "radikale Praxis der Religion" ist in diesem Sinne besonders aufschlussreich. Der Fundamentalismus, im Sinne des katholischen Fundamentalismus des verstorbenen Bischofs Marcel Lefèbvre, oder des jüdischen Loubavitismus sind marginale französische Realitäten und integristische katholische Frauen aus Polen oder Loubavitinnen aus New-York hat man deshalb noch nie die französische Nationalität verweigert.
Wer die Widersprüche der Gesellschaft verneint, sie ausblendet hinter angeblichen "Grundwerten der französischen Gemeinschaft (oder der Gesellschaft, der Nation), sie als antinational verweigert, fordert den status-quo der Herrschaftsstrukturen auf Basis einer ideologischen Mystifikation. Es gab eine Zeit, nicht so lange her, wo man sagte: "Kommunist, nicht französisch", oder "der Jude ist der Feind von Frankreich". Man weiß, wie das endete, meint Levy.
Die Freimaurer des Grand Orient schließen die Tür vor den Frauen
Lyon, 04.09.2008 - Auf ihrem Kongress, den sie Kloster (convent) nennen, haben die 1.080 Delegierten der Freimaurer des Grand-Orient (GO) in Lyon einen ganzen Tag über eine Frage debattiert, die die Gesamtheit der französischen Obedienzen umtreibt: Soll man die Logen - ja oder nein - für die Frauen öffnen? Schließlich wurde nach der 7. Abstimmungsrunde beschlossen, nichts zu entscheiden. Für das zweite Jahr in Folge. Mit 553 Stimmen für und 511 gegen hat der GO sich für eine erneute Diskussionsrunde entschieden. Die Frage der Stellung der Frauen ist nun an den nächsten Kongress, im nächsten Jahr, verwiesen. Dagegen lehnte die GO es ausdrücklich ab, in seinem allgemeinen Statut, das rein Männliche seiner Mitglieder aufzunehmen. (Französisch)
Für eine amerikanische proreligiöse Stiftung ist Sarkozy Staatsmann des Jahres
New York, 04.09.2008 - Am 23. September wird Sarkozy, die durch die „Stiftung für den Aufruf am Gewissen" vergebene Auszeichnung als „weltweiter Staatsmann des Jahres" in New York entgegennehmen. Geehrt wird er für seine „Rolle des Führers der Freiheit, der Toleranz und des interreligiösen und interkulturellen Verständnisses". Offensichtlich sind es die berüchtigten Reden im Lateran, von Riad und andere Stellungnahmen (hpd berichtete) hinsichtlich des Statuts der Religionen, welche die Stiftung überzeugt haben, deren Präsident der Rabbiner Arthur Schneier ist und deren Vizepräsidenten Kardinäle oder Bischöfe sind.
Die Aktion der Stiftung konzentriert sich in der Tat auf religiöse Angelegenheiten: die ersten Aktionen in den sechziger Jahren bis 1980 bestanden ausschließlich in der Sendung interreligiöser Delegationen in Richtung der kommunistischen Länder. Die Internetseite der NRO erklärt, dass „seit dem 11. September" die Stiftung ihre Verbindungen mit den religiösen Führern der ganzen Welt verstärkt. Zum Papst Benedikt selbstverständlich, aber auch zu der „Islamischen Weltliga", deren erklärte Zielsetzung die Förderung der Scharia in der Welt ist.
Die Zeremonie der Überreichung des Preises bleibt im Lebensmilieu des Präsidenten. Das Abendessen des 23. September wird durch Serge Dassault präsidiert, einen dem Präsidenten sehr nahestehenden französischen Großunternehmer, der für seine antisozialen Auffassungen und für die Apologie des chinesischen Systems bekannt ist (siehe das Video)
Die andere Persönlichkeit, die diesem Abendessen vorsitzen wird, ist Stephen A. Schwarzman, Besitzer des Blackstone-Fonds, der mit seinem Derivaten- und Heuschreckenhandel ein Eckstein der USA Finanzkrise ist. Mit denen an der Seite kann man nicht sagen, dass Sarkozy kein „Führer der Freiheit und der Toleranz" sei. (Französisch)
Über die Datei Edvige wird im Dezember entschieden
Paris, 04.09.2008 - Das höchste Verwaltungsgericht will Ende Dezember seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der „Datei Edvige" bekannt geben. Ein Dekret vom 1. Juli d. J. erlaubte das Aufbauen der Datei „Dokumentarische Nutzung und Verwertung von allgemeinen Informationen" (Edvige). Durch sie können gegen alle Personen ab 13 Jahre ermittelt werden, welche "die öffentliche Ordnung beeinträchtigen " und die eine wichtige institutionelle, wirtschaftliche, soziale oder religiöse Rolle ausüben. Diese polizeiliche Datei löste eine Protestwelle bei den Verfechtern der Menschenrechte und der Opposition aus. Der Staatsrat hat 13 Beschwerden insbesondere von 12 Organisationen und Persönlichkeiten (Aides, CFDT, CGT, die Liga der Menschenrechte, die Gewerkschaft der Richterschaft, etc) registriert.
Es waren die Verbände, die als ersten reagierten. Eine Aktionsgruppe wurde gegründet - wozu knapp 700 Organisationen, Gruppen, Parteien und Gewerkschaften gehören. Die Bewegung gewann auch die Bürger: eine Petition „Nein zu Edvige", hat bereits in Juli über das Internet die Marke von 100.000 Unterschriften übersprungen.
Die Empörung gewann auch die politische Klasse. Der Präsident von MoDem (Partei der demokratischen Bewegung), François Bayrou, forderte die Abgeordneten auf zu "einer Bewegung der republikanischen Ablehnung", auch die Sozialistische Parei äußerte ihre Empörung. Der Strafanwalt Jean-Marc Fedida bezeichnet die Datei in der Zeitung Libération als "den Verdacht eines Staates gegenüber den Bürgern, der vermutet, dass jeder eine Quelle der Gefahr ist". Als Hauptproblem steht, ob die bestehenden Dateien auf Minderjährige und die Erfassung von delikaten Daten wie z. B. das sexuelle Verhalten erweitert werden sollen. (Französisch)
Wirbel um Ramadan
Rennes, 05, 06.09.2008 - Ein Gericht in Rennes hat den Prozess gegen muslimische Bankräuber, der während des Ramadan stattfinden sollte, von September 2008 auf Januar 2009 verschoben. Die Generalstaatsanwaltschaft des Berufungsgerichtes dementierte jetzt, dass die „Fastentage" des Ramadan den Beschluss zur Verschiebung des Prozesses motiviert hätten. „Das wäre gegen alle Grundsätze des republikanischen Laizismus. Die Justiz wird nicht aufhören, Menschen muslimischen Glaubens, die den Ramadan befolgen, zu beurteilen ", sagte der Generalstaatsanwalt des Gerichtes, Léonard Bernard des Gatinais. Er verwies auf verfahrenstechnische Gründen und die Notwendigkeit, "eines ruhigen Klimas" für eine Rechtssache, die schon viel Wirbel verursacht hätte (Der Prozess wurde bereits einmal verschoben wegen der Verurteilung eines ermittelnden Polizisten wegen sexueller Gewalt an einem der Zeugen).
Pierre Abbeg, einer der Anwälte der Nebenkläger, sagte, er sei "schockiert" und bleibt davon überzeugt, dass der Ramadan doch der entscheidende Grund war. Auch der Anwalt eines der Angeklagten, Choucq Yann, sieht den Ramadan explizit als Grund für die Verschiebung. Er versteht die Kontroverse nicht: „Es gibt auch keine Anhörungen zu Weihnachten oder Allerheiligen, die soweit ich weiß auch keine republikanische Feste sind." Er sieht kein religiöses Problem, sondern nur ein Problem der Diskriminierung gegenüber Personen, die körperlich geschwächt sind. Für eine Sitzung von drei Wochen, muss man im Vollbesitz seiner Kräfte sein; diese Personen seien aber in einem Zustand der größten körperlichen Schwäche. Deshalb hat er den auf den Ramadan bezogenen Antrag auf Verschiebung gestellt. (Französisch1) und (Französisch2)
Pierre-Henri Prélot, Direktor der Rechtsfakultät an der Universität von Cergy-Pontoise, weißt daraufhin, dass das Gesetz von 1905 zwar keinen Kultus anerkennt, aber dies im Sinne einer religiösen Institution und nicht im Sinne einer persönlichen Weltanschauung zu verstehen ist. Die Republik kann so zu berücksichtigen haben, dass sie, im Namen der Religionsfreiheit, die religiösen Überzeugungen garantiert. Nach Prélot, kann ein Richter (oder ein Beamter), der mit einem solchen Antrag konfrontiert wird, drei Haltungen einnehmen.
Die erste ist, dass diese Forderung, im Hinblick auf seine religiöse Grundlage, eine höhere Legitimität hat als das Prinzip der Laizität.
Er kann auch die umgekehrt Einschätzung vertreten, da auf Grund des religiösen Charakters des Antrags er im Namen des Laizismus grundsätzlich abzulehnen ist. Diese Idee, dass der Laizismus zwangsläufig die Ablehnung der Unwissenheit und des Religiösen beinhaltet, ist ziemlich verbreitet in Frankreich. Aber die religiöse Natur einer Überzeugung ist nicht immer einfach zu identifizieren und eine solche Haltung ist eindeutig diskriminierend gegenüber religiösen Überzeugungen.
Die dritte mögliche Haltung ist, den Antrag wie jeden anderen sozialen Antrag zu prüfen, um zu sehen, ob er in einer Perspektive der "geordneten Rechtspflege" berücksichtigt werden kann. Ob das Fasten im Ramadan die Teilnahme an einem Prozess verhindert, verneint der Professor aber: „Schließlich gibt es Hunderttausende von Menschen, die während des Ramadan weiterhin ohne besondere Probleme ihre Arbeit nachgehen." (Französisch)
Fadela Amara, Staatssekretärin für städtische Politik, ist der Auffassung, dass die Entscheidung zur Verschiebung eines Prozesses wegen Ramadan „ein Anschlag auf die säkulare Republik" ist und ruft zur Wachsamkeit auf. „Es ist doch seltsam, dass Hunderte von Menschen sich in ihrem Prozess, weil sie arm sind, mit leerem Bauch präsentieren müssen. Sie sind geschwächt und man verschiebt nicht den Prozess. Das Religiöse hat nichts in der Justiz zu suchen. Man muss extrem vorsichtig sein. Das reiht sich ein in den Prozess von Lille (Die Annullierung einer Hochzeit wegen fehlender Jungfräulichkeit, hpd berichtete). Ein Punkt und noch ein Punkt und dann entsteht eine gerade Linie. (...) Man soll mit der Frage des kulturellen Relativismus sehr vorsichtig sein, sie droht alles zu vermischen und die Laizität zu unterminieren. Die Entscheidung, einer Frau die französische Nationalität zu verweigern wegen des Tragens einer Burka (siehe Notiz dazu in diesem Beitrag) ist demgegenüber eine richtige Entscheidung. Die Laizität hat einen hohen Wert." (Französisch)
Finanzamt erkennt die Ehe niederländischer Homosexueller an
Bercy, 07. 09.2008 - Nach anderthalb Jahren juristischen Streits erkennt die Steuerverwaltung die bis jetzt verweigerte gemeinsame Steuererklärung von zwei in den Niederlanden verheirateten, aber in Frankreich wohnenden Niederländer an.
PeterJan und Aad leben seit mehreren Jahren in Frankreich und zahlen ihre Steuern in Frankreich. Ihr Anwalt Alain Leclerc Me sagte: "Der Kampf war weniger eine wirtschaftliche als mehr eine prinzipielle Frage". Nach seiner Interpretation, „ist es ein sehr großer Durchbruch auch für andere homosexuelle Paare und für die Beurteilung anderer Abgaben. Das öffnet eine Tür zu den ungelösten Fragen der Erbschaftsregulierung". Die Entscheidung durchbricht in fiskalischen Bereich auch die paradoxe Situation homosexueller Ehen in Frankreich. Frankreich anerkennt die Ehe ausländischer Paare, aber verweigert dies den eigenen Bürgern (auch wenn sie in anderen EU-Ländern legal heiraten). Andersherum hat die Regierung Jospin 1999 das Statut der so genannten „Pacs" geschaffen (Pacte civil de solidarité, ein Vertrag zwischen zwei Erwachsen, unabhängig vom Geschlecht, zur Organisation des gemeinsamen Lebens. Der Pacs gibt eine minimale juristische Sicherheit und steht zwischen Konkubinat und legaler Ehe), aber verweigerte bis jetzt den Ausländern die juristischen Erleichterungen des Pacs (obwohl viele EU-Länder die französische Pacs-Paare als legal verheiratet betrachten). Letzteres wird in der EU stark kritisiert und Großbritannien will dagegen offiziell angehen. (Französisch1) und (Französisch2)
Die Muslime sind mehr links als die Mehrheit der Franzosen
Paris, 08/09/2008 - Laut einer Studie der IFop fühlen 52 % der französischen Muslime sich der Sozialistischen Partei (SP) verbunden, gegenüber 27 % der Franzosen. Nur 9 % fühlen sich der regierenden UMP nahe, gegenüber 28 % der Gesamtheit der Franzosen. Addiert man dazu die Quoten der extremen Linken und der Grünen, neigen mehr als 73 % der muslimischen Wähler zur linken Seite des politischen Spektrums.
Was die Popularität von Nicolas Sarkozy angeht, besteht sie nur bei 21 % der muslimischen Franzosen, gegenüber 37 % bei dem gesamten Land. (Französisch)
Redaktion und Übersetzung: Rudy Mondelaers