„Gemeinsam statt getrennt!“: Ethik in Berlin

BERLIN. (hpd) In den nächsten Tagen startet der Verein „Pro Reli“ die zweite Stufe des Volksbegehrens als Unterschriftensammlung

für einen Wahlpflichtbereich Ethik/Religion und damit gegen das gemeinsame Unterrichtsfach Ethik für die 7. – 10. Klassen an Berliner Oberschulen. Ziel von „Pro Reli“ sind mindestens 170.000 Unterschriften, um dadurch einen Volksentscheid zu erreichen.

Aus diesem Anlass erklärt der Sprecher der am 20. Mai 2008 gegründeten Initiative
„Pro Ethik“, Dr. Gerhard Weil:

Ethik ist in Berlin ein Fach, das verbindet. Im gemeinsamen Ethikunterricht, den es hier seit 2006 an den Oberschulen gibt, erwerben Kinder und Jugendliche Wissen über verschiedene Kulturen, Lebensweisen, Religionen und Weltanschauungen, über Philosophie und Fragen ihrer eigenen Lebensgestaltung. Sie lernen sich gegenseitig mit ihren Lebensauffassungen und Lebensweisen besser kennen, reden über Konflikte im Zusammenleben und über Möglichkeiten, diese friedlich auszutragen. Damit dies alles gut gelingen kann, ist es unverzichtbar, dass sie gemeinsam und miteinander lernen und nicht nach Religion oder Weltanschauung voneinander getrennt.

Der mit dem Slogan "Wir wollen Wahlfreiheit!" agierende Verein "Pro Reli" verdeckt damit sein tatsächliches Ziel, den gemeinsamen Ethikunterricht, der die Verständigung von Schülern unterschiedlicher Religionen, Weltanschauungen und Kulturen fördert, in Berlin abzuschaffen. Außerdem will der Verein die bewährte Trennung von Staat und Religion an den Berliner Schulen aufheben und christlichen, islamischen u.a. Glaubensunterricht auf die gleiche Stufe stellen wie den allgemeinbildenden Ethikunterricht.

Der Begriff der Freiheit wird von "Pro Reli" sinnverkehrend verwendet. Ein Wahlpflichtbereich Ethik/Religion würde die Freiheit der Schülerinnen und Schüler nicht erweitern, sondern sie einengen. Denn derzeit können sie an den Oberschulen den verpflichtenden Ethikunterricht und darüber hinaus auf Wunsch auch einen Religions- bzw. Weltanschauungsunterricht besuchen. Nach "Pro Reli" müssten sie sich jedoch für nur einen Unterricht entscheiden und könnten damit am jeweils anderen Unterricht nicht teilnehmen. Außerdem würde so verhindert, dass die Schülerinnen und Schüler in einem gemeinsamen Ethikunterricht verschiedene Religionen und Weltanschauungen auch durch persönliche Begegnung kennenlernen und sich so freier orientieren können.

Ein allgemeinbildender und gemeinsamer Ethikunterricht ist für unsere Metropole Berlin unverzichtbar. Denn in ihr leben Menschen unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen, Kulturen und Nationen miteinander auf engem Raum. Die von "Pro Reli" angezielte Beseitigung dieses integrativen Unterrichts und die Trennung nach Religionen und Konfessionen würde Möglichkeiten der Verständigung untereinander verhindern. Das ist besonders deshalb bedauerlich, weil nach Angaben des Statistischen Landesamtes bereits heute 42,7 Prozent der 6- bis 15-jährigen Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Berliner Ethikunterricht vom 15. März 2007 (Auszug im Anhang) die Beschwerden von Eltern gegen dieses Fach abgewiesen und die Einführung des gemeinsamen Ethikunterrichts ausdrücklich als Bestreben gewürdigt, „der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten 'Parallelgesellschaften' entgegen[zu]arbeiten“. Weiterhin stellte es fest: „Die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog ist eine Grundvoraussetzung für die spätere Teilnahme nicht nur am demokratischen Willensbildungsprozess, sondern auch für ein gedeihliches Zusammenleben in wechselseitigem Respekt auch vor den Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen anderer." (1 BvR 2780/06)

Schüler, die in Berlin über den gemeinsamen Ethikunterricht hinaus einen freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht besuchen wollen, können das an zwei Stunden in der Woche weiterhin tun. Dieser nichtstaatliche Unterricht von der 1. bis zur 13. Klasse wird zu 90 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert. Und das soll auch so bleiben.

Unsere Initiative, der Mitglieder der SPD, der Partei Die Linken, von Bündnis 90/Die Grünen, der GEW und weiterer Verbände und Gruppen sowie verschiedener Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften angehören, wird in den nächsten Monaten die Berliner Bevölkerung über die Notwendigkeit des Ethikfaches als nicht abwählbares Fach und über die gegen das Fach gerichteten Absichten von "Pro Reli" aufklären. Nicht Trennung, nicht Segregation der Schülerinnen und Schüler, sondern Integration und ein friedliches Miteinander aller ist unser Ziel!

 

Rückfragen können gerichtet werden an den Sprecher der Initiative, Dr. Gerhard Weil, Tel.: 030–745 29 22 (bis 20.09.) bzw. an den stellvertretenden Sprecher Gerd Eggers, Tel.: 030–381 06 904  (ab 21.09.).

 

Schirmherr: Walter Momper MdA
Koordinierungskreis: Dr. Felicitas Tesch MdA, Steffen Zillich MdA, Özcan Mutlu MdA, Dr. Elke Brosow, Gerd Eggers, Dr. Gerhard Weil, Roland Otte, Werner Schultz, Ruth Priese, Josef Göbel, Peter Kriesel

Rückfragen können gerichtet werden an:
Sprecher: Dr. Gerhard Weil, Tel.: 030 7452922, E-Mail
Koordinator und Ansprechpartner: Gerd Eggers, Tel.: 030 38106904, E-Mail