USA. (hpd) Der fundamentalistische evangelikale US-Prediger Fred Phelps ist tot. Er und seine radikale Westboro Baptist Church machten vor allem mit ihrer extremen Rhetorik gegen Homosexuelle von sich reden.
Eine Gruppe stimmt ein Lied an. Es ist dieselbe Melodie, die Michael Jackson und Lionel Richie komponierten, um die Hungersnot in Afrika zu lindern. Ein Lied voller Barmherzigkeit also. Doch weit gefehlt: Die Christen singen, dass Gott die Welt hasst.
Sicher, fromme Christen warnen davor, Gott nicht zu erzürnen, doch immer betonen sie auch seine Liebe. Dreht das Video also den Spieß um? Singen hier in Wirklichkeit Atheisten, die den Widerspruch von Gottesstrafe und Gottesliebe aufs Korn nehmen? Nein, das Video ist echt.
Die Christen, die voller Freude Gottes Hass auf die Welt besingen, meinen es ernst. Aktionen, die wie eine bitterböse Satire auf das Christentum wirken und doch authentisch sind, gehören zu den Markenzeichen der Westboro Baptist Church aus Topeka, Kansas. Deren Gründer, Pastor Fred Phelps ist im Alter von 84 Jahren gestorben.
Über Tote nur gutes. So heißt es. Aber was soll man Gutes über einen der radikalsten Fundamentalisten des Christentums sagen? Doch, eine Sache gibt es: Phelps war immer ehrlich.
“Ich bin kein Rassist, aber…”. Wir kennen den Spruch. Und oft genug folgt ihm dann eine Aussage, die den Sprecher eben doch als Rassisten entlarvt. Daraus, dass er Schwule hasste, machte Phelps nie ein Geheimnis. God Hates Fags! (Gott hasst Schwuchteln!) war der Slogan, der seine radikale Gemeinde in den ganzen USA bekannt machte.
Was Phelps’ Gemeinde an Mitgliedern nicht hatte, konnte sie durch die Radikalität ihrer Thesen locker ausgleichen. Die Anzahl der Gläubigen überschritt nie die Marke von 100, fast alle waren mit Phelps verwandt oder verschwägert. Insgesamt hatte Der Pastor 54 Enkel.
Bekanntheit erlangte die Westboro Baptist Church erstmals 1998, als ihre Mitglieder die Beerdigung Matthew Shepards störten. Der junge Mann war ermordet worden und sein Tod hatte die landesweite Diskussion ausgelöst, ob seine Homosexualität das Tatmotiv war. Bei der Beerdigung hielten die Mitglieder der Familie Phelps Schilder in die Luft, um ihrer Abscheu gegenüber Homosexuellen (nicht gegenüber dem Mord!) Ausdruck zu verleihen. Auf der Website der Westboro Baptist Church wurden die Tage gezählt, die Matthew Shepard bereits in der Hölle brennt, verbunden mit dem Hinweis, dass trotzdem noch unendlich viele weitere folgen werden.
Die Radikalität mit der Phelps seine Thesen vertrat, schockiert. Im direkten Vergleich wirken selbst christliche Hassprediger wie Bryan Fischer zahm. Das allerdings wirft die Frage auf, ob Phelps tatsächlich radikaler war als die übrige Christliche Rechte, oder ob er nur offen aussprach, was sich sonst niemand zu sagen traute. Aber selbst wenn man annimmt, dass sich viele Evangelikale aus Sorge um ihre Außenwahrnehmung etwas im Ton zügeln, muss man festhalten, dass die Westboro Baptist Church tatsächlich stärker im fundamentalistischen Glauben verwurzelt war.
Fred Phelps gehörte zur Strömung der primitiven Baptisten. (Theologische Bezeichnung, keine Wertung.) Er glaubte daher an die Prädestination, also dass alle Geschehnisse von Gott vorherbestimmt sind. Der einzelne Mensch hat in diesem Weltbild keine Entscheidungsfreiheit. Ob er Jesus als seinen Erlöser annimmt, ist seit dem Anbeginn der Zeit festgeschrieben. Die meisten evangelikalen Konfessionen nehmen hingegen an, dass der Mensch frei wählen kann, ob er der Hölle durch den christlichen Glauben entgeht oder nicht. Für Phelps waren auch Schwule von Gott für ein Leben in der Hölle vorgesehen.
In diesem Punkt unterschied sich Phelps von den anderen Predigern. So übel Bryan Fischers Hetze gegen Schwule auch ausfallen mag – er will sie retten, nicht bestrafen. Fischer will Homosexuelle zur Umkehr bewegen, um sie vor der Hölle zu bewahren – ein ehrenwertes Motiv. Phelps erfreute sich an dem Gedanken, dass Schwule auf ewig Qualen erleiden müssen. Selbst den größten Massenmördern der Geschichte kann man edle Absichten attestierten – Phelps nicht.
Die Westboro Baptist Church ist fest davon überzeugt die einzig wahre Kirche zu sein – wie tausende anderer Kleinkirchen auch. Nur die wenigen Gläubigen in Topeka werden werden ins Paradies einziehen. Millionen von Christen weltweit haben den falschen Predigern geglaubt und werden auf ewig brennen. Eine Missionierung ist also völlig überflüssig. Diesen Umstand besingt die Gemeinde so fröhlich in ihrem Video.
Phelps warf selbst Pastor Jerry Falwell, der davor gewarnt hatte, dass die Teletubbies der Versuch finsterer Mächte seien, um Kinder zur Homosexualität zu verführen, vor, in Wirklichkeit für die Schwulen einzutreten. Kein Wunder, dass die anderen Evangelikalen auf die Westboro Baptist Church nicht gut zu sprechen waren. Deren radikale Positionen gaben für die Medien ein gutes Feindbild ab. Phelps brachiale Methoden färbten auch auf Evangelikale ab, die sich moderater gegen Homosexualität aussprachen. Erst vor kurzem vermuteten konservative Christen daher, dass Phelps in Wirklichkeit ein Agent der Homo-Lobby sei, der Evangelikale in besonders schlechtes Licht rücken solle.
Die große Stunde der Westboro Baptist Church schlug jedoch erst mit dem Irak-Krieg 2003. Woche für Woche kehrten die Särge toter Soldaten heim. Phelps’ Anhänger belagerten die Beerdigungen mit den berühmten “God hates fags”-Schildern. Die Soldaten seien in einem Krieg der Bush-Regierung gestorben. Diese sei zu homosexuellenfreundlich. In der Sicht der Westboro Baptist Church ist dies aber jede Regierung, die keine Schwulen hinrichtet. Gegen die Aufmärsche auf den Beerdigungen regte sich Widerstand. Veteranenverbände, Rockerclubs und selbst der rechtsextreme Ku-Klux-Klan wollten die Ehre der getöteten Soldaten schützen und versuchten, Phelps’ Anhänger von den Friedhöfen fernzuhalten. Auch Präsident Bush verabschiedete ein Gesetz, dass für die Mitglieder der Westboro Baptist Church eine Bannmeile bei Beerdigungen vorsah.
Auch nahezu jeder Tod eines Prominenten oder nationale Katastrophen, wie zum Beispiel das Massaker an kleinen Kindern in der Newton-Grundschule wurden zur Strafe Gottes interpretiert. Für jeden getöteten Prominenten ließen sich Hinweise für seine Homosexualität finden. Der Amoklauf in der Schule war Gottes Strafe dafür, dass der Bundesstaat Connecticut die Homo-Ehe eingeführt hatte.
Neben Schwulen wurden auch Juden Opfer des heiligen Zorns. Fred Phelps behauptete, die “Schwuchtel Hitler” sei jüdisch gesteuert gewesen. Im antiken Rom hätten Juden 6 Millionen Christen ermordet. Und der Katholik John Kerry sei als US-Präsident ungeeignet, weil er jüdische Wurzeln habe.
Einen afro-amerikanischen Politiker verunglimpfte Phelps als Nazi-Gorilla, außerdem beteiligte er sich an der Koran-Verbrennungs-Aktion von Pastor Terry Jones.
In den letzten Jahren ging Phelps’ Einfluss spürbar zurück. Mitglieder wandten sich von der Westboro Baptist Church ab. Einer seiner Söhne setzt sich sogar aktiv für Schwulenrechte ein. 2013 wurde Phelps nach internen Streitigkeiten sogar von der eigenen Kirche exkommuniziert. Seine letzten Monate verbrachte er in einem Hospiz.
Seine Tochter Margie kündigte an, dass es keine Beerdigungsfeier geben wird – vielleicht aus Angst genau das zu erfahren, was man anderen angetan hat?
Eine Unterstützerin hatte Phels jedoch. Matthews Mutter Judy Shepard zeigte sich erfreut über die homophoben Ausfälle. Ohne Phelps Aktionen wäre es vermutlich nie zur Unterzeichnung der Antidiskriminierungsrichtlinie gekommen, die nach ihrem Sohn benannt ist.
Lukas Mihr