(hpd) Der Kognitionswissenschaftler und Informatiker Douglas Hofstadter beschäftigt sich mit der Frage des menschlichen Ichs, des Bewusstseins und was eine Seele ist. Die Schwierigkeit des Themas liegt in der Natur der Sache. Es ist ein verständlich geschriebenes Buch, das für Viele zu einem besseren Verständnis des Bewusstseins führen wird und auch die Konsequenzen für unsere Ethik behandelt.
Douglas Hofstadter ist Professor für Kognitionswissenschaften und Informatik an der Indiana University in Bloomington und ist dort Leiter des „Center for Research on Concepts and Cognition". Sein 1973 erschienenes Buch „Gödel, Escher, Bach" ist ein Weltbestseller und wurde 1980 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sein neues Buch mit dem Titel „Ich bin eine seltsame Schleife" hat im Prinzip die gleiche alte philosophische Frage zum Thema: „Was ist der Mensch?" oder etwas genauer, was ist ein Ich, was ist Bewusstsein oder was ist eine Seele? In seinem neuen Buch versucht er die Dinge noch allgemeinverständlicher darzustellen. Er vermeidet daher auch mathematische Formeln und verzichtet weitgehend auf Fachausdrücke. Dennoch dürfte die Verbindung zwischen Gödels Unvollständigkeitssatz der Mathematik und dem Selbstbewusstsein für die meisten Leser nur schwer nachvollziehbar sein. Dies liegt aber weniger an Hofstadters Darstellung, sondern mehr in der Natur der Sache.
Die philosophische Grundposition von Hofstadter berücksichtigt die neuesten Erkenntnisse der Psychologie und der Hirnforschung und ist dem nichtreduktionistischen Physikalismus zuzuordnen, der eine moderne Variante des materialistischen Monismus darstellt. Er erteilt damit jedweder Mystik eine Absage. Alles was im Gehirn passiert, geht mit rechten Dingen, d.h. im Rahmen der Naturgesetze zu (daher Physikalismus), aber man kann diese Dinge nicht restlos mit dem Schalten einzelner Nervenzellen erklären. Was hier mit ins Spiel kommt, ist das, was in der Regel als Emergenz bezeichnet wird. Das heißt, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Damit hält er reduktionistische Ansätze bis hin zum Mikroreduktionismus für unbrauchbar, um die abstrakten Vorgänge im Gehirn zu erklären. So schreibt er z.B. (Seite 60):
Das Gehirn muss als ein System angesehen werden, das viele Ebenen besitzt; ohne diesen Ansatz ist es unmöglich, schwer fassbare mentale Phänomene wie Wahrnehmung, Vorstellungen, Denken, Bewusstsein, „Ich", den freien Willen und so weiter zu analysieren. Eine Vorstellung oder eine Empfindung oder eine Erinnerung (oder ähnliches) auf ein einziges Neuron zu reduzieren ist unsinnig.
Hofstadter versucht die Problematik sehr überzeugend anhand von Gedankenexperimenten, Fallbeispielen und eigenen Geschichten schrittweise zu erklären. Für Fachleute, d.h. Kognitionswissenschaftler, Hirnforscher und Psychologen wird das Buch keine allzu großen neuen Erkenntnisse bringen. Aber für Geisteswissenschaftler und interessierte Laien ist es ein gut verständliches, hervorragend geschriebenes Buch, das für Viele zu einem besseren Verständnis des Bewusstseins führen wird.
Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage „Was ist der Mensch?" stellt dieses Buch einen großen Fortschritt dar. Der Autor zeigt, dass viele Dinge, die wir für selbstverständlich und unumstößlich halten, wie die unauflösbare Verbindung eines Ichs mit einem bestimmten Körper, der freie Wille und die Seele letztlich Illusionen unseres Geistes sind. Seine Erkenntnisse sind nicht nur rein theoretischer Natur, sondern haben auch praktische Auswirkungen auf unsere Ethik. So zeigt er, dass Bewusstsein viele Stufen haben kann. Je nach Komplexität des Gehirns müssen wir daher den Tieren ein gewisses Maß an Bewusstsein zugestehen. Ein Grund, weshalb der Autor überzeugter Vegetarier ist. Auf der anderen Seite verfügen Neugeborene noch über kein Bewusstsein und ihnen kann daher auch keine Seele zugesprochen werden. Bewusstsein entwickelt sich nach der Geburt erst langsam, über mehrere Jahre hinweg durch die Interaktion mit der Umwelt. Stammzellenforschung, Präimplantationsdiagnostik und Schwangerschaftsabbruch sind aus diesen Gründen ethisch vertretbar. Wer diese Dinge dagegen als „Mord am Erbgut" bezeichnet, ist auf die Propaganda von religiösen Eiferern hereingefallen, deren Menschenbild im Mittelalter stehen geblieben ist. Zu den Vertretern des Dualismus schreibt er (Seite 270):
Zwischen Geist und Materie sehen sie einen unüberwindlichen Abgrund, und davon fühlen sie sich so vor den Kopf gestoßen, dass sie all ihre Anstrengungen einstellen, herauszubekommen, wie Bewusstsein und Selbst aus physikalischen Prozessen hervorgehen können; stattdessen werfen sie das Handtuch und werden Dualisten.
Eine weitere Schlussfolgerung aus Hofstadters Ich-Theorie ist, dass es in der Zukunft prinzipiell möglich sein wird, Maschinen mit Bewusstsein, d.h. mit „Ichs" auszustatten. Für Freunde der Science Fiction versucht er noch das Problem des Zwillingsparadoxons beim „Beamen" zu lösen. Wenn man eine Person „scannt" und diese Information an zwei verschiedene Empfangsorte schickt und dort daraus jeweils wieder die Person rekonstruiert, sind das dann zwei verschiedene Ichs oder nur ein Ich, das gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten existiert? Seine Antwort darauf ist, dass es sich um ein Ich handelt, das gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten existiert, auch wenn man sich das nicht so recht vorstellen kann.
Fazit: Wenn es irgendwann einmal eine allgemein anerkannte Theorie des Ichs geben sollte, so wird dieses Buch ein wesentlicher Grundstein dazu sein. Wer nach der Lektüre des Buches immer noch Anhänger des Leib-Seele-Dualismus ist, wird die Welt und den Menschen nie begreifen.
Bernd Vowinkel
Douglas Hofstadter: „Ich bin eine seltsame Schleife", übersetzt von Susanne Held. Verlag Klett-Cotta, 2008; 29,50 €
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.