Vorfahrt für die Kirchen auch im Social Web?

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Grafik: www.studivz.net/evangelisch

INTERNET. (hpd) Seit Januar 2007 gehören die VZ-Netzwerke in Deutschland der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (Stuttgart). Die Verlagsgruppe ist für ihre pietistischen Einstellungen bekannt. Alle, die hinter dem Erwerb der erfolgreichen drei Internetportale bestimmte Absichten vermuteten, haben jetzt Recht bekommen. Ab sofort gibt es jetzt dort kostenlose christliche ‚Edelprofile’.

 

Das Internetportal StudiVZ gilt als Marktführer bei den „Socialnetworks“ in Deutschland. Für alle drei VZ-Portale geht man von 14 Millionen Nutzern aus. Was sich die Holtzbrinck-Verlagsguppe bei dem Kauf gedacht hatte, blieb lange unklar, da die Monetarisierung bisher nicht erfolgreich war, d.h. sie erwirtschaften bisher keine Gewinne. Mehrfach waren in der Branche Gerüchte über einen Verkauf der Portale unterwegs, für die Holtzbrinck angeblich bis zu 100 Mio. Euro bezahlt hat.

Nun hat die Verlagsgruppe, der auch DIE ZEIT (Hamburg) und der Tagesspiegel (Berlin) gehören, ebenso wie das Handelsblatt (Düsseldorf) und der Rowohlt-Verlag (Reinbek) ebenso wie S.Fischer (Frankfurt) die Öffentlichkeit überrascht.

Bisher religionspolitisch nur mit Symposien der Art von „Religion und Glauben im 21. Jahrhundert" bekannt geworden - in Zusammenarbeit u.a. mit der Robert Bosch Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung – hat es jetzt begonnen, seine „Socialnetwork“-Portale mit kostenlosen „Edelprofilen“ von anerkannten christlichen Religionsgemeinschaften auszustatten.

Angefangen hat es vergangene Woche mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, betreut durch die Evangelische Landeskirche Württemberg in Stuttgart, dem Konzernsitz der Verlagsgruppe.

 

Dazu ein Kommentar von René Hartmann, Zweiter Vorsitzender des Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA).

Staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften erhalten auf Wunsch kostenlose Edelprofile in den VZs. Den Anfang macht die evangelische Kirche. Dies wirft einige Fragen auf. Zunächst die, was mit „staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften“ eigentlich gemeint ist. Denn da in Deutschland Religionsfreiheit herrscht, benötigen Religionsgemeinschaften keine staatliche Zulassung. Möglicherweise sind diejenigen Religionsgemeinschaften gemeint, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sind. Dies wären dann vor allem die evangelische und die katholische Kirche.

Das liefe darauf hinaus, den großen Kirchen, die bereits über breite Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit verfügen, einen weiteren privilegierten Kanal einzuräumen. Andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften würden in die Röhre schauen. Somit würden gerade diejenigen Religionsgemeinschaften, die bereits überreich mit Privilegien versorgt sind, auch im Social Web einen bevorzugten Status erhalten. Eine in mehrfacher Hinsicht problematische Angelegenheit. Ausgeschlossen wären damit solche Religionsgemeinschaften, die den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus nicht besitzen. Etwa die protestantischen Freikirchen.

Außen vor bleiben sollen offenbar auch atheistische Organisationen, weil sie keine anerkannten Religionsgemeinschaften sind. Aber auch hier liegen die Dinge nicht so einfach. Der Bund für Geistesfreiheit Bayern etwa hat ein deutlich religionskritisches (manche würden sagen: atheistisches) Programm, ist aber als Weltanschauungsgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts den Kirchen gleichgestellt und hat dementsprechend z. B. Anspruch auf Sendezeiten im Bayerischen Rundfunk. Er könnte also mit einigem Recht ebenfalls ein Edelprofil beanspruchen.

Daneben gibt es nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften, die zwar den Körperschaftsstatus nicht besitzen, aber eine Gleichberechtigung mit Religionsgemeinschaften einfordern. Dazu gehört z. B. der Humanistische Verband Deutschlands, der in Berlin und Brandenburg den humanistischen Lebenskundeunterricht trägt.

Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) wiederum versteht sich nicht als Weltanschauungsgemeinschaft und beansprucht daher keine Teilhabe an den Privilegien der Kirchen. Er tritt vielmehr für die Beendigung der Privilegierung von Religionen ein.

Und das ist die wohl wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Warum müssen die Kirchen, die mit staatlichem Kirchensteuereinzug, direkten staatlichen Zuwendungen, Präsenz im öffentlichen Rundfunk, staatlich finanziertem konfessionellem Religionsunterricht usw. überreich mit Privilegien versorgt sind, zusätzlich noch von einem Privatunternehmen ein kostenloses Edelprofil erhalten?

Es wird oft behauptet, die Kirchen würden das Wertefundament der Gesellschaft sichern. Dabei wird aber unterschlagen, dass sich die Werte der demokratischen Gesellschaft im Zeitalter der Aufklärung entwickelt haben, und dass die Religionskritik ein wesentliches Element der Aufklärung war und ist. Dogmatische Religion bedarf des Gegengewichts der Religionskritik. Eine einseitige Subventionierung von Religion erweist der Gesellschaft einen Bärendienst.

Wenn die VZs religiöse Profile zulassen, wären sie daher gut beraten, auch religionskritische Stimmen zu berücksichtigen, statt nur einigen ohnehin bereits über Gebühr privilegierten Religionsgemeinschaften einen bevorzugten Platz einzuräumen.