Fundis im Aufwind

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Foto: Anna Paseka

WIEN. (hpd) Eine Demonstration von radikalen Abtreibungsgegnern sorgt für Aufregung in Wien. Auch wenn die Zahl der Teilnehmer überschaubar blieb und zwei Gegendemonstration deutlich größer waren. Die Fundamentalisten drängen mit zunehmend radikalen Parolen an die Öffentlichkeit. Frauenrechtsorganisationen und Österreichs atheistische Vereine zeigen sich besorgt.

Sie sind das, was man Söhne und Töchter aus gutem Haus nennt. Teure Kleider und Anzüge, klassische Eleganz, leicht rustikal angehaucht. Ihre Eltern haben gute Verbindungen zum Cartellverband, dem katholischen Studenten- und Alumninetzwerk oder halten sich auch 91 Jahre nach dem Ende der Monarchie für adelig. Dazwischen eine Nonne mit Modehandtasche, mehrere katholische Pfarrer, einige Pensionisten. Der Großteil ebenfalls mit sichtbar besserem finanziellen Hintergrund. Die Laufarbeit machten die Aktivistinnen und Aktivisten von Human Life International (HLI), das Rückgrat der Straßenpräsenz der Abtreibungsgegner in Österreich. Private Securities bewachen die Demonstration der Partei „Die Christen“ vor dem Wiener Rathaus.

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Foto: Anna Paseka
Vielleicht sind es 50 Teilnehmer. Die vielen Fotografen, Journalisten, Kameraleute lassen die Gruppe deutlich größer aussehen. Auch die überdimensionierten Transparente, die Politiker des Mordes bezichtigen und mit den üblichen Schauer-Bildern bedruckt sind, tragen das ihre dazu bei, die Demo der „Christen“ und HLI größer wirken zu lassen. Dazwischen ein aufblasbarer Plastikfötus. Er ist den Plastikpuppen nachempfunden, die die so genannten Freibeter der HLI Frauen vors Gesicht halten, die Hilfe in Abtreibungskliniken suchen. Psychoterror ist das, sagen Frauenrechtsorganisationen. Aufklärung nennen das die Fundis. Seit neuestem werfen sie amtierenden Politikern offen vor, Mörder zu sein oder sich an einem Genozid am eigenen Volk zu beteiligen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sei „dümmer als die Nazis“ heißt es in einem E-Mail einer Fundi-Organisation an das Wiener Rathaus. Nicht viel dezenter die Slogans am Donnerstag. „30 Jahre Holocaust am Fleischmarkt“ steht auf einem der Transparente.

Rückendeckung durch katholische Kirche und katholische Verbände

Die Fundis zeigen sich militant, wenn auch nicht gewalttätig. Zumindest nicht physisch. Über die Polizeiabsperrungen hinweg beschimpfen sie Gäste, die auf dem Weg zum Empfang sind, den die Stadt Wien für die Klinik am Fleischmarkt eingerichtet hat, Österreichs renommiertestes Ambulatorium für Familienplanung und Frauenmedizin. Hier werden auch Abtreibungen vorgenommen. Hier versuchen die Fundis Tag für Tag, die Fristenlösung ungeschehen zu machen. Die Ehrung sei „eine Provokation“, sagt Rudolf Gehring, Bundesobmann der „Christen“. „Eine solche Veranstaltung darf nie wieder stattfinden“.

Dass sie mit ihren radikalen Parolen in den öffentlichen Raum drängen, ist neu. Die Fundis spüren offenbar Aufwind. Nicht umsonst haben „Die Christen“ bei mehreren Wahlen kandidiert. Erfolglos, kaum sind sie je in die Nähe von einem Prozent der abgegebenen Stimmen gekommen. Und doch, die Kampagnen haben der Partei mit starken Verbindungen zu HLI offenbar die Selbstsicherheit zu geben, auch auf die Straße zu gehen. Und Parolen, die sie sonst nur von sich geben, wenn sie sich unter ihresgleichen wähnen, öffentlich zu äußern. Ermutigendes Signal war auch der Offene Brief von Christoph Schönborn an den Wiener Bürgermeister Häupl. Diplomatisch hatte der Kardinal die Debatte um die Fristenlösung bei der Abtreibung eröffnet. Seitdem hat sie an Schärfe gewonnen. Auch der CV leistet Schützenhilfe und fordert einen besseren „Schutz für das Leben“. Ähnlich argumentierte der Katholische Familienverband. So geballt waren die Angriffe auf die Fristenlösung in Österreich lange nicht. Vorläufiger Höhepunkt ist Demo am Donnerstag. Am Samstag legen die Fundis nach und marschieren in der Grazer Innenstadt auf.

Die Polizei hat eine Gegendemonstration im letzten Moment unter verschärften Auflagen genehmigt, nachdem der erste Antrag zurückgewiesen worden war. Studentenvertreter, Frauenrechtsorganisationen, Politikerinnen und Atheisten, die zur Demo aufgerufen haben, müssen einen Abstand von 70 Metern zu den Leuten von HLI einhalten. Die Organisatoren sprechen von polizeilicher Schikane im ÖVP-dominierten Graz. Auffällig ist, dass sich Vertreterinnen der Konservativen in Graz erst jüngst dafür aussprachen, die Auflagen unter denen in Österreich eine Abtreibung straffrei möglich sein soll, zu verschärfen.

Linke uneinig

Die Debatte zeigt auch, dass die linken politischen Parteien und Frauenrechtsorganisationen einige Konflikte auszufechten haben. Zwischen den und innerhalb der Organisationen. Dass Grüne und Sozialistische Jugend (entspricht den Jusos in Deutschland) eine Gegendemo organisiert haben und die Frauenorganisation der SPÖ eine zweite liegt zwar an der Kurzfristigkeit, in der das passieren musste. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass die Fundis vor dem Rathaus aufmarschieren wollen. Das ließ zu wenig Zeit, um die Veranstaltungen zu koordinieren.

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Foto: Anna Paseka
Dass auf der Gegendemo von Grünen, SJ und KP die SPÖ heftig attackiert wird, sagt aber mehr über die Stimmung aus. Den Wiener Sozialdemokraten wird die Schuld gegeben, dass Abtreibung in Österreich immer noch illegal ist und nur unter bestimmten Bedingungen nicht strafrechtlich verfolgt wird. Ungeachtet der Tatsache, dass das Bundesgesetzgebung ist. Mona Vana, Frauen-Sprecherin der Wiener Grünen, hält der Wiener SPÖ auch vor, dass es nach wie vor keine Schutzzonen um Abtreibungskliniken gibt. Auch das fällt unter Bundesgesetzgebung. Vielleicht wollen sich die Grünen auch ein knappes Jahr vor der Wiener Gemeinderatswahl stärker links positionieren.

Auf der Kundgebung der SPÖ verspricht Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek solche Schutzzonen durchzusetzen. „Ich führe gerade Gespräche mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Wir suchen nach Möglichkeiten, wie man solche Schutzzonen oder Bannmeilen errichten kann“. Der tägliche Psychoterror der Fundis vor den Abtreibungskliniken müsse ein Ende haben.

Uneinigkeit herrscht auch in der Frage, ob an allen öffentlichen Spitälern in Wien Abtreibungen möglich sein sollen oder nicht. Die Grünen fordern das etwa. „Wenn man in allen Spitälern Abtreibungen vornehmen lassen kann, tun sich die Abtreibungsgegner wesentlich schwerer, Gewalt gegen Frauen auszuüben“, sagt etwa Grün-Politiker Sigrid Pilz. Unterstützung kommt von Österreichs erster Frauenministerin, der SPÖ-Politikerin Johanna Dohnal. Sie hatte ihre eigene Partei in den vergangenen Tagen dafür kritisiert, dass sie ihrer Meinung nach nicht deutlich genug auf die Fundis reagiert hatte. Auch sie fordert Abtreibungen an allen öffentlichen Spitälern – allerdings nur auf der Demo der SPÖ. Bei der Kundgebung von Grünen und SJ fehlt die legendäre Frauenpolitikerin.
Wiens Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) äußert sich in dieser Frage nicht. Einig zeigt sie sich mit ihren Kritikerinnen aber in der Ablehnung der Fundis. Das Recht auf Abtreibung sei ein Selbstbestimmungsrecht der Frau. Das lasse man sich nicht wegnehmen. Dafür werde man kämpfen.

Gut 500 Demonstranten gegen Fundamentalisten

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Foto: Karl Linek
Das eint die Demonstranten über die Veranstaltungs- und Organisationsgrenzen hinweg. „Kirche raus aus der Gebärmutter“ steht auf dem Schild einer jungen Demonstrationsteilnehmerin. „Frauenrechte sind Menschenrecht“ auf einem anderen. Egal ob die Schilder in grün oder rot gehalten sind. Die Botschaft ist eindeutig: Ein Recht, das sich Frauen in Österreich vor 35 Jahren gegen harte Widerstände erkämpften, lassen sich diese großteils jungen Menschen nicht nehmen. 250 sind sie bei der Kundgebung von SJ und Grünen um 17:00 Uhr, gut 500 eine Stunde später bei der Demonstration der SPÖ-Frauen. Deutlich mehr als die Fundis.

Die NS-Vergleiche will man auch nicht auf sich sitzen lassen. „Das ist ein Skandal und die Umkehrung historischer Tatsachen", zeigt sich Frauenministerin Heinisch-Hosek "empört über die menschenverachtenden Methoden". Jene, die das Recht der Frauen auf ihren eigenen Körper verteidigten, mit den Schergen des nationalsozialistischen Regimes zu vergleichen, sei ein massiver Angriff auf die Demokratie.

Das weckt auch bei der kämpferisch auftretenden Dohnal Optimismus. Sie erinnert an die harten Kämpfe für die Fristenlösung in Österreich. Es sei ein gutes Zeichen, dass heute nicht nur die Kämpferinnen von damals aufstünden sondern auch junge Menschen. Sie sei überzeugt "dass uns die Fristenlösung niemand mehr wegnehmen kann".

Christoph Baumgarten

 

Weitere Impressionen von der Demonstration sind auch auf Christoph Baumgartens Blog  nachzulesen