NÜRNBERG. (hpd) Palliation im Krankenhaus, Amputation und „Reichweitenbegrenzung"?
Auf unseren Beitrag vom 28. Januar erhielten wir eine Stellungnahme des Direktors des Amtsgerichts Straubing, Horst Böhm. Auf diese Einlassung antwortet die medizinrechtliche Sozietät ebenso grundsätzlich. Beide Positionen sind im folgenden dokumentiert.
Mitteilung des Amtsgerichts Straubing aufgrund Anfrage der Presse am 24.1.2008
„Die dem Amtsgericht Straubing von der Presse zur Verfügung gestellte Einstellungsverfügung des Generalstaatsanwalts darf im Interesse betreuungsbedürftiger Menschen nicht unwidersprochen bleiben. Wesentliche Sachverhalte sind bisher leider nicht zur Sprache gekommen.
Der zuständige Richter hat gerade auch im Hinblick auf die besondere Dringlichkeit des Falles umfassende Ermittlungen in kürzester Zeit durchgeführt, um den besonderen Umständen gerecht zu werden. Dabei hat er festgestellt, dass die Betroffene unter massiven Schmerzen gelitten hat, die außerhalb eines Krankenhauses nicht behandelt werden konnten. Dies konnte er bei einem Besuch vor Ort selbst miterleben. Darüber hinaus haben dies der Pflegedienst, eine behandelnde Ärztin, ein Berufsbetreuer und ein renommierter Sachverständiger, der seit Jahren bei verschiedenen Gerichten psychiatrische Gutachten erstattet, festgestellt. In einer derartigen Situation darf eine hilflose Person, die selbst nicht mehr entscheiden kann, nicht einem Bevollmächtigten überlassen bleiben, der in Kenntnis dieser Umstände eine Verbringung der schmerzleidenden Patientin in ein Krankenhaus verweigert. Für derartige schwierige Entscheidungen ist der Betreuungsrichter berufen und er weiß wie er zu entscheiden hat.
Eine schriftliche ‚Patientenverfügung' lag dem Gericht zu keinem Zeitpunkt vor. Bezüglich der Bevollmächtigung (Vorsorgevollmacht) hat der Sachverständige zudem ausgeführt, dass begründete Zweifel bestehen, ob die Patientin damals diese Vollmacht noch wirksam erteilen konnte.
Ein weiterer maßgeblicher Umstand wird bei den Vorwürfen in der Einstellungsverfügung leider ebenfalls nicht gewürdigt. Der Richter hat eine Amputation weder angeordnet noch genehmigt. Auch der vom Gericht eingesetzte Betreuer als gesetzlicher Vertreter hat nur die von zwei Ärzten im Hinblick auf die Schmerzbehandlung für dringend notwendig erachtete Krankenhausbehandlung veranlasst.
Schlussendlich wird unter den Experten des Betreuungsrechts seit langem die Reichweite einer ‚Patientenverfügung' diskutiert. Jeder Mensch bestimmt selbstverständlich ob und wie er behandelt wird. Jeder Mensch kann aber auch seine Ansicht ändern und er wird dies vielleicht tun, wenn sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Es ist nicht einzusehen, dass man einem einwilligungsunfähigen Menschen dies versagt, so dass sich die einmal versagte Einwilligung praktisch wie ein unabänderliches Todesurteil auswirkt.
Die Betreuungsrichter werden daher auch in Zukunft nicht wegschauen, wenn hilflose Menschen Schmerzen erleiden und Ihnen die dringend notwendige Schmerzlinderung versagt wird. Wohl, Wille, Wunsch der Betreuten werden auch weiterhin der richtige Maßstab für die Betreuungsrichter sein."
Einstellungsverfahren korrekt
Die medizinrechtliche Sozietät in München arbeitete daraufhin alle vorliegenden Ermittlungsakten bis ins Detail auf und diagnostizierte die Korrektheit der Einstellungsverfügung durch den Generalstaatsanwalt in Nürnberg.
Die Stellungnahme (PDF im Anhang) fügt dieser Aktenanalyse eine umfassende Würdigung des Falles bei.
„Wir werden diesen Fall künftig als idealen Lernfall für Fortbildungen aller Arten benutzen und stellen die anliegende Darstellung auch Ihnen und allen, die den Fal zu Schulungen verwenden wollen, gerne zur Verfügung. Der Fall enthält alle Probleme und Facetten des Themas der letzten zehn Jahre und hätte bei Informiertheit aller Beteiligten so problemlos ablaufen können. Leider bekamen wir das Mandat ja erst nach dem Ableben der Patientin", so Wolfgang Putz, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der LMU München.