Rudolf Ladwig
Historiker, 2. Vorsitzender des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) schildert seine Begegnung mit Johannes Neumann, seine überverbandliche Bedeutung und welche wichtige Entscheidungen Johannes und Ursula Neumann gebahnt haben.
„… mit gelassener Entschiedenheit …“
Es gab mit ihm, einem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des IBKA, Telefonate und Faxwechsel lange bevor ich Johannes Neumann vor gut 12 Jahren zum ersten Mal persönlich begegnet bin. Das geschah dann eher beiläufig. Und darin liegt durchaus etwas Charakteristisches! Zwar hat er nicht ganz alltägliche Dinge getan (die missio canonica zurückgegeben, mit seiner Frau bis zum Bundesverfassungsgericht gegen Ethikunterricht als Zwangs“ersatz“fach geklagt), aber all dem haftet kein Bestreben nach Spektakulärem an. Johannes Neumann verfolgt seine grundsätzlichen bürgerrechtlichen Ziele nicht ob der kurzfristigen Schlagzeile, oder aus Selbstdarstellungsbedürfnissen - und schon gar nicht rhetorisch aufgerüstet, oder gar verletzend: Klar in der Sache, aber sachlich im Tonfall.
Dies ist im besten Sinne old fashioned – aber durchaus auf der Höhe der Zeit! Mich hat Johannes Neumann einmal leicht verwundert gefragt, warum ich ihm im Zeitalter der E-Mail dann doch noch ein Fax gesendet hatte. Die offensichtliche Antwort hätte als Eingeständnis meiner Aufmerksamkeitserheischungsabsicht lauten müssen: „Ja eben drum!“
Damit ist auch unser einseitiges Verhältnis gekennzeichnet: Ich hatte aus der Vereinsarbeit Fragen und erhoffte mir von dem Rechts- und Religionssoziologen Johannes Neumann Antworten. Diese versuchte ich gelegentlich mit derlei List(en) ihm zu entlocken, denn der Emeritus befand sich als wissenschaftlicher Autor in einem beachtlichen ‚Unruhestand’.
Johannes Neumann nähert sich religiösen Phänomenen als Geisteswissenschaftler und auf dem profunden lebensgeschichtlichen Hintergrund der eigenen Erfahrung kirchlicher Sozialisation als ehemaliger Priester und Kirchenjurist. Seine Kenntnis von Religion ist eben nicht lediglich virtuell.
Das Erfordernis, sich als Säkularer zu organisieren, hat der Agnostiker Johannes Neumann vielfältig und offen für Veränderungen gesehen und pragmatisch erfüllt (u. a. als Vorstandsmitglied des IBKA), ohne sich aber als Exkirchenmann je von einer neuen Organisation wieder allzu sehr vereinnahmen zu lassen. Auch darin liegt seine überverbandliche Bedeutung. Sein Vortrag auf dem Ersten Atheistenkongress 1991 in Fulda ist auf VCD erhältlich. Einige seiner Aufsätze sind auf der Webseite des IBKA im Volltext dokumentiert. Wer beispielsweise nach der Kontinuität von Kirche vor und nach 1945 fragt, sollte erst mal die Darstellung dazu von Johannes Neumann lesen.
Als der IBKA an Ursula und Johannes Neumann im Jahr 2000 für deren indirekten Erfolg über „Kirchen und die ihren hörigen Kultusbürokratien“ zum ersten Mal einen nichtdotierten Preis - in dem sehr bescheidenem Rahmen unserer damaligen Möglichkeiten – verlieh, titelte die Badische Zeitung feinsinnig: „Ein Preis für einen ‚verlorenen’ Prozess“. Richtig daran war, dass das Bundesverfassungsgericht – mal wieder! – einer Klärung staatskirchenrechtlicher Fragen durch Nichtbefassung auswich. Aber erst mittelfristig wird der eigentliche Erfolg der Familie Neumann deutlich. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ja nicht nur zahlreiche diskriminierende Regelungen des Ethikunterrichtes für unzulässig erklärt, sondern zudem zum „Ersatz“fach Ethik konstatiert, dass es dem Staat rechtlich durchaus freistünde, dieses auch als Pflichtfach für alle - völlig unabhängig von der Religionsunterrichtsteilnahme - einzurichten. Diese Feststellung besiegelte inzwischen das Scheitern sämtlicher kirchlich motivierten Klagen gegen den als integratives Pflichtfach angelegten Ethikunterricht in Berlin.
Ich wünsche – auch im Namen des IBKA – ihm und uns, dass Johannes Neumann - zusammen mit seiner Frau Ursula - den Weg, die religionspolitische Neutralität des Staates, um dessen Zukunft in Freiheit, Demokratie und Frieden zu verwirklichen, mit der von ihm selbst in der Festschrift für uns alle postulierten „gelassenen Entschiedenheit“ noch lange in Gesundheit weitergehen kann.