Freigeistige Betrachtungen

Eine Sendung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) im Bayerischen Rundfunk, Bayern II, UKW am Sonntag, den 07. Januar 2007

um 7.05 Uhr.

 

Sprecherin:
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer, wir begrüßen Sie zur ersten Sendung des Bundes für Geistesfreiheit Bayern, kurz bfg im neuen Jahr.

 

Sprecher:
Wie es zu Jahresbeginn üblich ist, wollen wir einige Ereignisse des letzten Jahres nochmals kurz aufgreifen:

Anfang des Jahres beschäftigt der so genannte „Karikaturenstreit" die Medien und Gemüter. Bilder in einer dänischen Zeitung zeigten Karikaturen von Mohammed. Monate nach ihrer Veröffentlichung entwickelten sich gewalttätige Proteste in der islamischen Welt. Als Reaktion darauf wurde von Unionspolitikern eine Verschärfung des Paragrafen 166 StGB gefordert - und somit eine Beschneidung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Im September war Papst Benedikt XVI zu Besuch in Bayern. In München und Regensburg wurden von den örtlichen bfg´s Gegenveranstaltungen gemacht. Was der Papstbesuch der Kirche in Bayern gebracht hat, vermögen wir nicht zu sagen. Aber der bfg Bayern konnte durch seine Aktionen zum Papstbesuch viele neue Mitglieder gewinnen.

Lisbeth Böttcher verstarb kurz vor ihrem 96. Geburtstag. Als langjährige Vorsitzende des bfg Bayern und Vorsitzende des bfg Schweinfurt setzte sie sich für die freigeistige Bewegung in Deutschland ein.

Der Humanistische Pressedienst Deutschland (hpd) startete im Oktober seinen Betrieb. Auf www.hpd-online.de finden Journalisten und Interessierte Informationen und Meinungen aus der freigeistigen Welt.

Im Oktober wurde bereits zum fünften Mal der Erwin-Fischer-Preis des IBKA verliehen. Erstmalig ging der Preis an eine Organisation: die Nesin-Stiftung in der Türkei. Damit wurde posthum das Werk des türkischen Autoren und Humanisten Aziz Nesin geehrt.
Die Nesin-Stiftung wurde im Jahre 1972 gegründet. Das säkulare Heim ermöglicht Kindern und Jugendlichen den Besuch staatlicher Schulen oder Universitäten. In einem liebevollen Umfeld werden die Kinder zu kreativen und kritischen Menschen erzogen.

 

Sprecherin:

Die Internationale Humanistische und Ethische Union (IHEU)

Moderner Humanismus ist eine Lebensauffassung, die im rationalen Denken begründet ist. Er vermittelt ein naturwissenschaftliches Verständnis unseres Universums und bemüht keine übernatürlichen Erklärungen. Er bietet Frauen und Männern sowohl auf der individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene eine weltliche Ethik an, die auf humanistische Werte gründet.

Humanisten beziehen Anregungen aus ihrem rationalistischen und freidenkerischen Erbe. Sie lehnen absolute Autoritäten und offenbarte Wahrheiten ab. Humanisten vertrauen auf die intellektuelle Integrität des Menschen und sind dagegen, dass überkommene Traditionen das Gewissen ersetzen. Humanisten berufen sich auf einen toleranten Pluralismus und auf die Menschenrechte. Da der Humanismus auch eine Philosophie der menschlichen Freiheit ist, setzen sich Humanisten für eine soziale Ordnung ein, die individuelle Freiheit, Würde, soziale Gerechtigkeit, Grund- und Bürgerrechte schützt.
Humanisten versuchen, eine moderne, kosmopolitische und demokratische Alternative zur traditionellen Religion und ebenso zu autoritärem und totalitärem Verhalten zu sein.

Die humanistische Welt

Die humanistische Tradition hat ihre geistigen Wurzeln im traditionellen China, in Indien und Europa. Humanistische Organisationen sind dagegen relativ jung. In einer modernen Gesellschaft bieten diese Organisationen eine Gemeinschaft für diejenigen, die Sinn und Wert in ihrem Leben ohne die Hilfe der traditionellen Religionen oder Götter bestimmen.

Ungefähr 100 humanistische Verbände gibt es in über 30 Ländern. Humanistische Gruppen bieten Kritik an dogmatischen und religiösen Behauptungen, fördern das kritische Denken, entwickeln ethische Werte, die den menschlichen Existenzbedingungen gerecht werden, bestärken die Ideale der Toleranz und respektieren die Unterschiedlichkeit der Meinungen und fördern die Klärung von Differenzen durch Vernunft.

Die IHEU - eine internationale Organisation für den Humanismus

Eine starke humanistische Organisation ist wichtig, um den weltweiten Einfluss des Humanismus auszubauen. Die Internationale Humanistische und Ethische Union (IHEU) ist diese internationale Organisation für Humanisten.
1952 wurde die IHEU in Amsterdam als weltweite Dachorganisation gegründet für humanistische, rationalistische, atheistische, säkulare, ethische und agnostische Gruppen. Ihre Mitgliedsorganisationen reichen von großen Mitgliederverbänden bis hin zu spezialisierten Gruppen wie Verlagen, Universitäten und Dritte-Welt-Projekten.

Als eine Föderation von nationalen und regionalen humanistischen Gruppen koordiniert die IHEU die Aktivitäten ihrer Mitgliedsorganisationen, stimuliert politische Aktivitäten und hilft dabei sinnvolle Strategien zu entwickeln. Ferner unterstützt sie die Neugründung von humanistischen Gruppen und vertritt die Interessen von Humanisten in der UNO, der UNICEF, der UNESCO und im Europarat. Die IHEU versteht sich als Schaltstelle für den Austausch von Information und Anregungen. Sie bietet den humanistischen Organisationen und Individuen ein Forum, um Gedanken und Erfahrungen auszutauschen, die den Einfluss von Humanisten auf nationaler und internationaler Ebene verbessern können. Durch die Präsentation des Humanismus in den Medien gewährleistet die IHEU, dass die humanistische Alternative weltweit immer mehr Menschen bekannt wird.

Die IHEU ist demokratisch aufgebaut und wird von den Beiträgen ihrer Mitgliedsorganisationen und den Spenden einzelner Förderer finanziert.

IHEU - Internationalismus und Menschenrechte

Für die IHEU ist die nationale Identität weniger bedeutsam als der Aufbau einer internationalen Weltgemeinschaft. Die IHEU fühlt sich den Idealen der UNO besonders verpflichtet; und in der Tat waren die ersten Direktoren der UNESCO, der FAO und der WHO prominente Humanisten. Die IHEU befürwortet, dass die internationalen Abkommen über Abrüstung, Menschenrechte und Umweltschutz von allen Staaten ratifiziert werden sollen.

Viele der humanistischen Grundsätze finden sich wieder in den internationalen Konventionen über Menschenrechte, und sicherlich hat humanistisches Denken die philosophischen Grundlagen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen mit geprägt. Auch unterbreitete die IHEU immer wieder Vorschläge bei entsprechenden UNO-Organen zu Fragen des Umweltschutzes und zu ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechten. Die Wortmeldungen der IHEU zu den UNO-Konventionen über Kinderrechte, über Folter und zur Genfer Flüchtlingskonvention fanden die Unterstützung der einzelnen Mitgliedsorganisationen und spiegeln sich in der nationalen Arbeit der Verbände wieder.
In der Vergangenheit beteiligte sich die IHEU an der Kampagne der FAO gegen den Hunger auf der Welt und war auch Gründungsmitglied einer UNESCO-Arbeitsgruppe über Wissenschaft und Ethik. Die IHEU war auch auf den meisten thematischen UNO-Konferenzen vertreten.

Außerhalb der UNO verteidigen die IHEU und ihre angeschlossenen Mitgliedsorganisationen die Einhaltung der bürgerlichen Freiheiten. Sie fördern eine humanere und rationalere Haltung bei Gesetzen zu Abtreibung, in sexuellen Beziehungen und zum Recht auf freiwillige Sterbehilfe. Sie treten ein für die Abschaffung der Todesstrafe, die Humanisierung der Strafgesetzgebung und gegen die Ausbeutung von Tieren. Von Bedeutung für die IHEU waren die Kampagnen gegen Blasphemiegesetze, zum Schutz von Minderheiten und ethnischen Gruppen, sowie zur Überwindung der Diskriminierung auf Grund religiöser Überzeugungen bzw. mangels einer Religionszugehörigkeit. Die IHEU hat auch eine Kampagne gegen die Bezugnahme auf Gott im Grundgesetz Deutschlands durchgeführt, mit dem Ziel der Trennung von Staat und Kirche.

Seit 1952 hat die IHEU 15 internationale Kongresse veranstaltet. Dabei wurden herausragende Beiträge für die Entwicklung und die Verteidigung des Humanismus durch die Verleihung des "International Humanist Award" gewürdigt.
Die „International Humanist News" ist das vierteljährlich erscheinende Magazin der IHEU und enthält Meldungen und Reportagen aus der humanistischen Welt.
Die Internet-Adresse lautet: <www.iheu.org>.

 

Sprecher:
Vom 26. - 28. Januar 2007 findet in der Franken-Akademie Schloss Schney ein Seminar statt, das u.a. vom Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften und dem bfg Bayern veranstaltet wird. Der Titel lautet: „Ethik ohne Kirche".

In Deutschland wird immer noch vom Monopol der Religionen in der Werteerziehung der Kinder ausgegangen. Schließlich müssen die Kinder erst einmal ein bestimmtes Wertegebäude erlernen, bevor sie offen sein können für andere Ansichten. Dies sind die Meinungen, die von den Besitzern des Monopols in der Werteerziehung vertreten werden. Mit wie viel Indoktrination aber diese Werteerziehung geleistet wird, so dass erst in späteren Jahren ein schwieriger Abnabelungsprozess einsetzen kann, wird immer wieder verschwiegen.
Jede Offenbarungsreligion hat eine Tendenz zur Ausschließlichkeit, zum Fundamentalismus und zur Gewalt. Gott hat ihr die Wahrheit verkündet, und so muss sie Anspruch auf die Wahrheit erheben. Wie soll sich ein Kind, das zwar Anlagen hat, auf dem weltanschaulichen Sektor aber ein unbeschriebenes Blatt ist, gegen solche Tendenzen wehren? Ist es nicht vielmehr an der Zeit, demokratische Prinzipien, Toleranz, Gewaltenteilung und die Bedeutung der Menschenrechte im Werteunterricht herauszuarbeiten?
Nur mit Ruhe und überlegter Vernunft kann man den fundamentalistischen Anfeindungen, die unsere durch die Aufklärung gereiften Grundwerte derzeit erleben, begegnen. Im Endeffekt geht es um eine ethische Erziehung für das 21. Jahrhundert ohne die Trug- und Scheinbilder der Kirchen. Der Mensch ist empfänglich für Platons Ideen von dem Wahren, dem Guten und dem Schönen. Auf dieser Rille arbeiten alle Offenbarungsreligionen. Die Kant'schen Fragen „Was kann ich wissen?", „Was soll ich tun?", „Was darf ich hoffen?", „Was ist der Mensch?" führen in eine Werteerziehung jenseits der Trug- und Scheinbilder.
Darum geht es bei diesem Seminar, zu dem wir Sie herzlich einladen.
Anmelden können Sie sich noch bis zum 14. Januar bei Horst Prem, Telefon: 089/6096255

 

Sprecherin:
Zur Hinrichtung von Saddam Hussein hören Sie jetzt einen Kommentar von Monika Hendlmeier. Frau Hendlmeier ist stellvertretende Vorsitzende des bfg Bayern.

Kommentar:
Der ehemalige irakische Präsident Saddam Hussein lebt nicht mehr. Wie viele Diktatoren ist er nicht friedlich in seinem Bett entschlafen, sondern starb eines gewaltsamen Todes - er wurde hingerichtet. Befürworter der Todesstrafe argumentieren gern mit der abschreckenden Wirkung. Doch in den Staaten, in denen die Todesstrafe praktiziert wird, gibt es nicht weniger Gewaltverbrechen als in liberaleren Staaten.
Und glaubt man wirklich, dass durch den gewaltsamen Tod Saddam Husseins nur ein einziger Diktator abgeschreckt wird? Geht es dabei nicht vielmehr um das biblische Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn"?
Ein langes Leben im Gefängnis, ohne jubelnde Anhängerschar, ohne die gewohnten Annehmlichkeiten eines „Hofstaates" wäre doch eine viel schlimmere Strafe als ein schneller Tod.

 

Sprecher:
„Heidenspaß am Haidplatz" heißt eine neu erschienene Broschüre des bfg Regensburg. In ihr wird die Regensburger Veranstaltung „Heidenspaß statt Höllenqual" am 10. September anlässlich des Papstbesuches dokumentiert. Doch nicht nur alle Reden, Liedtexte, Sketche und Gedichte der Veranstaltung finden sich darin, auch andere Aktivitäten im Umfeld des Papstbesuchs werden beschrieben. Die reich bebilderte Broschüre ist gegen einen Unkostenbeitrag von 5 Euro (incl. Versand) erhältlich bei: bfg Regensburg, Waldweg 1, 93105 Tegernheim.

 

Sprecherin:
Unsere nächste Sendung können Sie am 18. Februar hören

 

Texte: Monika Hendlmeier
SprecherInnen: Dr. Kerstin Pschibl, Karl Bierl