FREIBURG/Brsg. (hpd) Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat sich am Montag entschieden, die Ermittlungen gegen Erzbischof Dr. Robert Zollitsch aus Freiburg, gleichzeitig Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, zu übernehmen.
Eine detaillierte Analyse von Matthias Krause
In diesem Artikel zeige ich, dass die Zisterzienser in Birnau Seelsorgeaufgaben für das Erzbistum Freiburg wahrnehmen. Der pädokriminelle Pater Gregor M. war von 1989 bis 1992 im Personalverzeichnis der Erzdiözese Freiburg aufgeführt. Damit kann sich das Erzbistum nicht auf fehlende Zuständigkeit der Diözese oder mangelnde Informationspflicht des Ordens berufen. Obwohl der Orden 2006 trotz seiner Versprechungen dem Erzbistum gegenüber nichts gegen den Pater unternommen hat, hat Erzbischof Zollitsch denselben Orden erneut mit der Seelsorge in der Diözese betraut. Nachdem das Bistum im März erfahren hat, dass der Orden im Fall des pädosexuellen Zisterzienserpaters Gregor M. seit 2006 untätig geblieben war, hätte Zollitsch dem Orden die Seelsorge in seinem Bistum sofort entziehen müssen.
Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat klargestellt, dass es nicht darum geht, dass Zollitsch 1987 die Anstellung des bekannt pädokriminellen Zisterzienserpaters Gregor M.„veranlasst“ habe, wie zunächst in den Medien berichtet wurde. Vielmehr gehe der Anzeigeerstatter „davon aus, dass Zollitsch damals um Vorgeschichte und Aufenthalt des beschuldigten Zisterzienserpaters wusste oder bei genügender Sorgfalt hätte wissen können.“ (Badische Zeitung, 07.06.2010) Im Bistum Basel, in dem der Pater ebenfalls eingesetzt war, war jedenfalls bereits 1971 dokumentiert, dass er in Deutschland und Österreich sexuell übergriffig geworden war. Außerdem wurde Pater Gregor im Jahr seines Weggangs aus Birnau strafversetzt (1968) – und davon soll das Erzbistum Freiburg, für das die Zisterzienser dessen Pfarreien Nußdorf und Deisendorf betreuen (s.u.), nichts gewusst haben?
Das hätten Journalisten übrigens auch auf der Website des Anzeigeerstatters bzw. Opfers erfahren können.
Bistum verschweigt Beauftragung der Zisterzienser mit der Seelsorge im Bistum
Das Erzbistum Freiburg hatte seit Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Zollitsch den Eindruck erweckt, das Erzbistum sei für die Personalentscheidungen in der Zisterzienserabtei weder zuständig noch darüber informiert gewesen. Diesen Eindruck erweckt das Erzbistum auch weiterhin:
„Die Zisterzienserabtei Mehrerau ist eine ‚Territorialabtei’, die dem zuständigen Abt untersteht. Die Wallfahrts- und Klosterkirche Birnau gehört als Priorat seit 1919 zur Abtei Mehrerau. Bei einer „Territorialabtei“ (vgl. can. 370 CIC/1983) handelt es sich um ein territorial umschriebenes Gebiet, dessen Betreuung einem Abt übertragen ist. Dieser trägt die alleinige Verantwortung - wie ein Diözesanbischof. Eine solche Gebietsabtei gehört zu keinem Bistum und ist vollständig unabhängig vom Diözesanbischof. Geleitet wird sie von einem Abt (als „eigenberechtigter Ortsordinarius“), der die entsprechenden Rechte und Pflichten in seinem Gebiet wahrnimmt. Dieser Abt trifft nach Maßgabe seiner Ordensstatuten auch die Personalentscheidungen innerhalb seines Territoriums. Er benötigt dazu weder die Genehmigung eines anderen Bischofs noch besteht irgendeine Form der Informationspflicht an andere Bischöfe." (Bistum Freiburg)
Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Was das Erzbistum in seinen Presseerklärungen nicht erwähnt ist, dass den Zisterziensern seit 1946 auch die Seelsorge für die umliegenden Orte Nußdorf und Deisendorf übertragen ist. Diese gehören aber zum Erzbistum Freiburg, nicht zur der österreichischen Zisterzienserabtei Meherau.
„Hallo Bistum?“ – „Hier Zisterzienser-Priorat Birnau!“
Dass die Zisterzienser für das Erzbistum tätig waren und immer noch sind, wird auch darin deutlich, dass damals wie heute die Telefonnummern der jeweiligen Seelsorgeeinheit des Bistums (heute: Seelsorgeeinheit Birnau, damals: Pfarrkuratie Birnau) auf Anschlüsse der Zisterzienser verweisen. Im Personalverzeichnis (Schematismus) der Erzdiözese Freiburg von 1992 ist der Zisterzienser-Prior auch als Verantwortlicher für die Pfarrkuratie des Erzbistums ausgewiesen:
Wie aus dem Personalverzeichnis hervorgeht, wurde der damals bereits 79jährige Prior von zwei weiteren Patres unterstützt: einem 78jährigen – und dem damals 51jährigen Gregor M., der z.B. auch Taufen und Beerdigungen durchgeführt hat (jeweils eine durch Zeugen belegt).
Nicht zuständig? Nicht informiert?
Es mag ja sein, dass die Zisterzienser „innerhalb ihres Territoriums“ ihre Personalentscheidungen selber bestimmen können. Aber wenn die Zisterzienser in Nußdorf und Deisendorf für die Erzdiözese Freiburg und auf deren Territorium tätig werden, wird sich das Erzbistum wohl kaum hinter der Schutzbehauptung „nicht zuständig“ und „nicht informiert“ verstecken können. Insbesondere auch deshalb nicht, da die Erzdiözese bestätigt hat dass Pater Gregor ab 1989 wieder in den den Personalverzeichnissen geführt wurde. Allerdings erst, nachdem das Opfer mit Zeugenaussagen und einer Auskunft aus dem Einwohnermelderegister bewies, dass Pater Gregor vom 09.04.1987 bis 15.09.1992 wieder in Uhldingen-Mühlhofen gemeldet war. Ein Auszug aus der Anzeige:
„Freiburg hat diese zweite Amtszeit jahrelang bewusst verschwiegen und schriftlich geleugnet. Es besteht deshalb der dringende Verdacht, dass Freiburg dies vertuschen wollte. Erst nachdem ich mit Zeugenaussagen sowie Auskunft aus dem Einwohnermelderegister belegen konnte, dass der Täter noch einmal in Birnau war, wurde dieser Umstand eingeräumt.“
Am 23.03.2010 schrieb Domkapitular Dr. Meier dem Opfer:
„Pater Gregor M. hatte die Abtei Birnau 1968 verlassen und hielt sich seither nicht mehr in der Erzdiözese Freiburg und nicht mehr in Deutschland auf.“
Am 26.03.2010 schrieb Dr. Maier, dass
„[...] Pater G. - bezogen auf das Jahr 2006 - seit 37 Jahren [also seit 1969] nicht mehr im Bereich der Erzdiözese Freiburg und der Bundesrepublik Deutschland war. Ich kannte seinen Aufenthaltsort nicht.“
Knapp eine Woche später, am 01.04.2010, schrieb Dr. Maier:
„Meine mit Ihnen abgesprochene Entscheidung, Ihre Anzeige sofort an den Abt weiter zu leiten und ihn aufzufordern, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen (einschl. der sofortigen Verständigung der aktuellen Einsatzstelle von Pater G.) halte ich auch heute für angemessen - zumal Pater G. die Erzdiözese Freiburg und die Bundesrepublik Deutschland 1968 verlassen hat.“
Auf seiner Internetseite schreibt das Opfer:
„Erst als ich eine Zeugenaussage habe, die bezeugt, dass Pater Gregor Müller 1988 noch in Birnau tätig war, korrigiert der Domkapitular am 9. April in einer E-Mail seine Aussage wie folgt: „In der Akte Birnau ist Pater Gregor für die von Ihnen benannten Jahre nicht nachweisbar. (…) In den Personalschematismen der Jahre 1989 bis 1995 ist Pater G. aufgeführt. Meine Aussage war also falsch. Die falsche Aussage entsprang nicht meiner Absicht, sondern den Angaben der Registratur. Die falsche Aussage bedauere ich, und ich bitte um Entschuldigung." Ist das noch glaubhaft?“
Es wäre jedenfalls glaubhafter, wenn das Bistum nicht bereits etliche Male unter Beweis gestellt hätte, dass es offenbar bewusst irreführende Erklärungen abgibt. (Vgl. auch „Zollitschs laxer Umgang mit der Wahrheit“.)
Außer der irreführenden Erklärung über die Zuständigkeiten in Birnau beispielsweise zu den folgenden Punkten.
Zollitsch / Screenshot / Fotos: Evelin Frerk Hinweise oder Fakten?
Es fällt auf, dass das Erzbistum in seinen jüngsten Pressemitteilungen vom 07.06.2010
und 02.06.2010 – also etwa zwei Monate später – formuliert, dass es „Hinweise darauf gibt, dass der beschuldigte Pater erneut zur Klostergemeinschaft des Zisterzienserordens in Birnau gehörte.“ [Hervorhebung von mir.] Wenn Pater Gregor jahrelang im Schematismus geführt wurde, muss er ja entweder den Zisterziensern oder direkt dem Verantwortungsbereich des damaligen Personalreferenten Zollitsch zugeordnet gewesen sein, und der Erzdiözese liegen (und lagen damals) diese Informationen vor. Außerdem ist dem Erzbistum seit März bekannt, dass Pater Gregor von 1987 bis 1992 wieder in Uhldingen-Mühlhofen gemeldet war.
Aber gut: Die Information, dass Pater Gregor, der 1968 strafversetzt wurde und von dessen Übergriffen in Birnau selbst das Bistum Basel bereits 1971 nachweislich Kenntnis hatte, während Zollitschs Zeit als Personalreferent jahrelang im Personalverzeichnis der Erzdiözese geführt wurde, würde sich in einer „Medien-Information“, die das Bistum und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz entlasten soll, natürlich nicht so gut machen.
Bistums-Erklärungen vs. Opferperspektive
Aber nicht nur im Hinblick auf Zollitschs Zeit als Personalreferent der Erzbistums (1983 bis 2003), auch im Hinblick auf das Verhalten 2006, als sich das Opfer mit dem Missbrauchsvorwurf an die Erzdiözese wandte, hält das Bistum es offenbar für nötig, die Darstellung zu schönen.
Nach Darstellung des Opfers lief dieser Kontakt so ab:
"12/2006: Ich informierte die Erzdiözese Freiburg und die Abtei Mehrerau von den Übergriffen auf mich. Ich wies schon damals darauf hin, dass ich den Verdacht habe, dass weitere Kinder/Ministranten Opfer dieses Pädophilen sein könnten. Außer diesem Telefongespräch wurde ich nicht über den Ausgang der Ermittlungen informiert und bekam keine konkreten persönlichen Hilfsangebote. Den Verzicht auf eine staatsanwaltschaftliche Anzeige erreichte man, indem man mich "über den Tisch zog" und mir vorgaukelte, dass man Nachforschungen anstellen würde und man mir verschwieg, dass
a) der Kirche bereits weitere Übergriffe des Täters bekannt und dokumentiert waren
b) der Täter ein weiteres Mal in Deutschland, zudem in Birnau aktiv war - und das zu einer Zeit, die noch nicht verjährt war."
Demgegenüber erklärte der Generalvikar des Erzbischofs von Freiburg, Dr. Fridolin Keck, am 22.03.2010 – also diesen März:
„Uns ist in Birnau nur ein Missbrauchsfall bekannt: Ende 2006 hat uns darüber ein Mann informiert. Die Tatzeit war in der ersten Hälfte der 60er Jahre - liegt also etwa 40 Jahre zurück. Wir haben Hilfe und Gespräche angeboten. Das Opfer, das sich bei uns gemeldet hatte, forderte eine Aussprache mit dem beschuldigten Pater, der sich bei ihm entschuldigen sollte. Diese Aussprache und Entschuldigung ist erfolgt.“
Das Opfer sagt, es habe keine Aussprache mit dem Täter gegeben – es wartet noch heute darauf.
Die Kirche tat nichts
Warum äußerte sich Dr. Keck am 22. März? Kurz zuvor – mehr als drei Jahre nach dem Hinweis des Opfers an die Erzdiözese Freiburg – war der pädokriminelle Pater dann doch noch aus dem seelsorgerichen Dienst entfernt worden. Allerdings nicht auf Betreiben der Kirche, sondern des Opfers:
„2/2010: Nach den vollmundigen Ankündigungen von Dr. Ackermann und Zollitsch nehme ich erneut Kontakt mit diesen Stellen auf.
Nachdem ich über Internetrecherchen herausfand, dass Pater Gregor Müller weitere Übergriffe in Birnau und Mehrerau beging, habe ich erneut Freiburg und Mehrerau auf den pädophilen Priester hingewiesen und dessen Rücktritt gefordert. Freiburg und Mehrerau bleiben weiter untätig.
Dann rief ich den Täter in Schübelbach an und forderte von ihm, sofort zurückzutreten. Danach versuchte mich eine Pfarrgemeinderätin aus Schübelbach telefonisch von meinem Vorhaben abzubringen, indem sie mich als Täter und den Kinderschänder als Opfer darstellte und Sätze wie
"er war ja so lieb zu Kindern ..."
"... die Ministranten gingen so gerne zu ihm hin ..."
"... auf Frauen stand er nicht so, das merkte man ..."
Diese Sätze alleine hätten aufhorchen lassen müssen, statt dessen legte diese Frau "... ihre Hand ins Feuer, dass die letzten 16 Jahre in Schübelbach keine Übergriffe waren"
[...] Inzwischen hörte ich von Videoabenden und Pizzaparties die Pater Gregor Müller in Schübelbach mit Kindern veranstaltete ... zu welchem Zweck? Mit welchen Folgen?“
Das Opfer musste selber handeln
Der Rücktritt des Paters wurde offenbar dadurch erreicht, dass das Opfer ankündigte, sonst vor dessen Gottesdienst zu demonstrieren – mit einem Plakat „Hier zelebriert ein Kinderschänder.“ (Badische Zeitung, 22.04.2010)
Der Täter war also nach dem Hinweis des Opfers an die Zisterzienser und das Erzbistum Freiburg 2006 noch mehr als drei Jahre lang völlig unbehelligt in der Seelsorge tätig. Wie ging man in Zollitschs Bistum mit der Angelegenheit um?
Hierzu wieder Generalvikar Dr. Keck:
„Der Beschuldigte Pater aus der Abtei Mehrerau (in Österreich) war zum Zeitpunkt der Anzeige (2006) nicht mehr in Birnau (in unserem Erzbistum Freiburg) eingesetzt. Wir haben 2006 sofort den zuständigen Abt im Kloster Mehrerau verständigt - mit der Aufforderung, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Der Abt hat uns zugesichert, dies zu tun und sofort auch das Bistum Chur verständigen. Dieser Zusicherung haben wir vertraut. Der uns gemeldete Fall aus den 60er Jahren war strafrechtlich verjährt. Wir haben den Wunsch des Opfers respektiert, nicht die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Der Pater hat sich für den Missbrauch in Birnau entschuldigt und diese Tat als Einzelfall dargestellt.“
Keine Anzeige: „Auf Wunsch des Opfers“
Wie oben im Opferbericht bereits dargestellt, scheint der Verzicht auf eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft weniger auf „Wunsch des Opfers“ als vielmehr aufgrund der Versprechungen seitens des Bistums erfolgt zu sein.
Das Bistum glaubte die Lüge des Täters
Das Bistum schenkte also der Lüge des Täters Glauben, es habe sich nur um einen Einzelfall gehandelt. Eine Rückfrage bei den Bistümern, bei denen Pater Gregor in der Zwischenzeit (nach 1968) beschäftigt war, hätte ergeben, dass man beim Bistum Basel bereits 1971 von mehreren Opfern wusste – dass der Pater also gelogen hat.
Den Bock zum Gärtner gemacht
Ansonsten hat das Bistum nichts anderes gemacht, als den Zisterzienserabt über den Vorwurf zu informieren. Wie der Äbteliste der Zisterzienser in Mehrerau zu entnehmen ist, handelte es sich dabei um denselben Abt, der 1968 von der Strafversetzung des Paters gewusst oder diese sogar verfügt haben muss. Mit demselben Abt stand sicher auch das Bistum Basel in Kontakt, als es 1971 entschied, Pater Gregor trotz seiner pädokriminellen Übergriffe einzustellen. Damit hat Zollitschs Erzdiözese den Bock zum Gärtner gemacht, denn wenn jemand von den Vorwürfen gewusst und den Pater trotzdem nicht aus dem Verkehr gezogen hätte, dann wäre es dieser Abt gewesen. Außerdem hat das Bistum es offenbar versäumt, diesen Abt zu fragen, ob weitere Vorwürfe gegen Pater Gregor bekannt waren. Obwohl sie mit ihm in dieser Angelegenheit Kontakt hatten.
2007: Erzbischof Zollitsch beauftragt die Zisterzienser erneut mit der Seelsorge im Erzbistum
Im Dezember 2007 – genau ein Jahr, nachdem sich das Opfer gemeldet und der Abt aus Meherau zugesichert hatte, „die erforderlichen Schritte einzuleiten“ und „sofort auch das Bistum Chur [zu] verständigen“, beauftragte Erzbischof Dr. Robert Zollitsch die Zisterzienser erneut mit der Seelsorge in der neu errichteten Seelsorgeeinheit Birnau im Dekanat Linzgau:
„Der Herr Erzbischof [Dr. Robert Zollitsch] hat mit Urkunde vom 17. Dezember 2007 die Seelsorgeeinheit Birnau, bestehend aus der Pfarrei Mariä Himmelfahrt Birnau, Dekanat Linzgau, mit Erlasse des Ordinariates Wirkung vom 1. Januar 2008 errichtet und P. Bruno Metzler OCist zum Leiter dieser Seelsorgeeinheit bestellt." [Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg, 1. Februar 2008, S. 213-214]
Wenn der Erzbischof von Freiburg die Zisterzienser mit der Seelsorge in den umliegenden Orten Nußdorf und Deisendorf betraut – wie es, wie gesagt, schon seit 1946 praktiziert wird – dann wird sich das Erzbistum nicht darauf berufen können, dass es nicht für Kindesmissbrauch durch deren Pater verantwortlich ist – auch, wenn die Mönche selbst entscheiden, wer wo eingesetzt wird.
Darüber hinaus fällt auf, dass Erzbischof Zollitsch die Zisterzienser 2007 erneut mit der Seelsorge beauftragte, ohne sich zu erkundigen, wie mit dem Pater verfahren wurde, der eben dort in den sechziger Jahren ein Kind missbraucht hatte. Es war erst ein Jahr her, dass sich das Opfer beim Erzbistum gemeldet hatte. Der zuständige Abt hatte zugesagt, „die erforderlichen Schritte einzuleiten“ und „sofort auch das Bistum Chur [zu] verständigen“. Ein Jahr später war nichts davon geschehen – und Erzbischof Zollitsch übertrug den Zisterziensern erneut die Seelsorge in den umliegenden Orten.
Aufklärer oder Vertuscher?
Dr. Robert Zollitsch wurde in den Medien ja bereits als „Aufklärer“ bezeichnet. (z. B. DIE WELT: „Ein Aufklärer unter Verdacht“). Anhand der hier dargelegten Punkte kann wohl jeder selbst einschätzen, ob Zollitschs Verhalten und das seiner Bistumsverwaltung als Aufklärung zu bezeichnen ist, als unverantwortliche Naivität – oder als Vertuschung.
Gefährliche Seelsorger
Einen Vorwurf wird man Zollitsch aber auf jeden Fall machen müssen: Das Erzbistum hat seiner eigenen Darstellung zufolge erst diesen März (2010) und zu seiner eigenen Überraschung erfahren, dass Pater Gregor weiterhin in Schübelbach tätig war, obwohl das Erzbistum 2006 „nach Bekanntwerden eines Vorwurfs gegen den beschuldigten Zisterzienserpater rasch gehandelt, den Orden eingeschaltet und den Zisterzienserorden auf die zu ziehenden Konsequenzen hingewiesen hat.“ („Medien-Information“ der Erzdiözese Freiburg, 02.06.2010).
Generalvikar Dr. Keck am 22.03.2010: „Wir haben 2006 sofort den zuständigen Abt im Kloster Mehrerau verständigt - mit der Aufforderung, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Der Abt hat uns zugesichert, dies zu tun und sofort auch das Bistum Chur verständigen. Dieser Zusicherung haben wir vertraut.“
Die Erzdiözese Freiburg erhielt im März diesen Jahres davon Kenntnis, dass trotz der Zusicherung des Zisterzienserabts drei Jahre lang nichts unternommen wurde, um den pädokriminellen Pater aus dem Verkehr zu ziehen, und dass der Abt dem Bistum bei der Kontaktaufnahme wegen dieses Falles 2006 auch keinen Hinweis auf die weiteren Taten des Paters gab. (Obwohl er davon, wie gesagt, mit höchster Wahrscheinlichkeit Kenntnis hatte, und seine Information die Lüge des Täters vom Einzelfall als solche entlarvt hätte.)
Damit hätte Erzbischof Zollitsch den Zisterziensern in Birnau sofort die Zuständigkeit für die Seelsorge in den Pfarreien seines Erzbistums entziehen müssen, bis dieser Fall restlos aufgeklärt ist. Pater Gregor ist nach seiner „Enttarnung“ untergetaucht – die nahe liegendste Vermutung wäre, dass ihm eine Zisterziensereinrichtung Unterschlupf gewährt. Eine Organisation, die jahrzehntelang vertuscht (keine Meldung an Freiburg Ende der 60er – wenn man dem Bistum glauben möchte –, keine Information des Bistums Chur bei der Einstellung des Paters 1992, keine Information der Erzdiözese über die Vergangenheit des Paters 2006, Untätigkeit nach 2006) darf nicht mit der Seelsorge für Mitglieder der Erzdiözese beauftragt sein.
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Überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Beitrages des Blogs skydaddy