Rezension

Das neue Buch von Abdel-Samad: "Der Preis der Freiheit"

Hamed Abdel-Samad sieht in seinem neuen Buch die Freiheit in Gefahr und erinnert an den "Preis der Freiheit". So angemessen viele Ausführungen zu Gefahrenpotentialen sind, so wirkt das mit leichter Hand geschriebene Werk doch eher unverbindlich, tragen die einzelnen Kapitel doch gute Wünsche vor, welche mehr Reflexionen und Systematik vertragen hätten.

Wie steht es um die Freiheit nicht nur in der westlichen Welt? Hamed Abdel-Samad erörtert diese Frage in einer neuen Monographie, die mit "Der Preis der Freiheit. Eine Warnung an den Westen" betitelt ist. Dabei handelt es sich um ein sehr persönliches Buch mit autobiographischen Erörterungen, keine philosophische Reflexion in einem systematischen Sinne. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die eigene Lebenssituation, machen doch Morddrohungen kontinuierlichen Polizeischutz nötig. Bekanntlich hatte eine Fatwa gegen ihn derartige Folgen, welche sich aus Einwänden gegen den heutigen Islam ergaben. Es geht dem Autor in dem Buch aber nicht um die Einschränkung seiner Freiheit, sondern um die Folgen für Offene Gesellschaften durch fundamentalistische Herausforderungen. Dabei werden die gemeinten Bedrohungen nicht nur von außen, sondern auch von innen gesehen, was Abdel-Samad anhand von vielen persönlichen Eindrücken thematisiert. Dies geschieht im lockeren Erzählton, nicht mit gestrenger Systematik, was auch Nachteile, nicht nur Vorteile hat.

Denn der Autor verbindet seine Beschreibung mit seinem Leben, beginnend mit Berichten über seine Mutter, endend mit Erfahrungen in Talkshow-Zusammenhängen. Dabei stellt er sich selbst als Person immer wieder stark ins Zentrum. Wie so etwas auch auf Leser wirken kann, macht eine kurze Sequenz deutlich: "Ja, ich bin manchmal eitel, aber oft auch mutig." (S. 35). Durch das Buch zieht sich dann immer wieder ein "Ich meine aber …", wobei eine häufig angemessene Einschätzung vorgetragen, dies aber immer sehr stark als subjektive Wahrnehmung vermittelt wird. Dabei geht es dann nach einer langen Einleitung in sechzehn Kapiteln thematisch häufig durcheinander, eben beginnend mit eigenen Erfahrungen mal als junger Marxist, mal als junger Muslimbruder, aber auch mal als Migrant und mal als Talkshowgast. Eine Passage lautet etwa "der Multikulturalismus als Herrschaftsinstrument der neuen Linken" (S. 113). Diese Formulierung kommt gleich mehrfach vor, aber so richtig ist das Gemeinte nicht verständlich.

Dabei wird der Begriff auch nicht ideologiekritisch erörtert, geht es in ihm doch eben um Kulturen, nicht notwendigerweise um die Freiheit von Individuen. Hier könnte gerade der Ansatz des Buchs dazu führen, kritisch auf derartige Konzepte und Vorstellungen einzugehen. Worin artikuliert sich aber dann ein "Herrschaftsinstrument" – ist das diskursiv, institutionell oder rechtlich gemeint? Abdel-Samad äußert sich zu solchen Fragen nicht, sondern listet einige Beispiele und einige Eindrücke auf, sie passen aber nicht zum gemeinten Anliegen und dessen Kern. So heißt es etwa als angemessene Auffassung: "Religionskritik, Frauenreche, Kunst- und Meinungsfreiheit und der Schutz von Homosexuellen galten lange als genuin linke Forderungen. Doch wenn es um den Islam geht bleiben diese Ideale im Verborgenen" (S. 113). Diese Aussage ist allzu häufig bei einem kritischen Blick zutreffend, doch bleibt es meist bei derartigen Beschreibungen, verbunden mit kritischen Untertönen. All dies kennt man aber auch von Abdel-Samad aus anderen Büchern.

Es gibt dann auch Sätze wie: "Nostalgie ist der Vorbote des Faschismus in all seinen Formen" (S. 149). Was auf den ersten Blick wie eine verständliche Spitze scheint, wirkt auf den zweiten Blick eher wie eine schräge Verallgemeinerung. Und leider durchziehen viele Kapitel derartige Statements, etwa gegen Identitätspolitik und Minderheitenkult, Moralismus und Statik. Alles wirkt ein wenig wie das Gespräch an einem gehobenen Stammtisch, doch geht es hier um ein Buch mit wichtiger Mahnung. Die letzten beiden Kapitel sind mit "Lobpreis der Freiheit" und "Wehrt euch!" überschrieben. Doch wenn "Freiheit" wirklich "die Schlüsselfrage" (S. 269) ist, müsste man dann nicht an eine Erörterung zum Thema systematischer herangehen? Der Blick in die Fußnoten und das Literaturverzeichnis lässt dazu nur wenige wichtige Titel erkennen, Isaiah Berlin kommt als Klassiker, Oliver Nachtwey als heutiger Theoretiker vor. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit deren Deutungen erfolgt nicht, auch nicht mit denen von John Stuart Mill oder Alexis de Tocqueville.

Hamed Abdel-Samad, Der Preis der Freiheit. Eine Warnung an den Westen, München 2024, dtv, 284 Seiten, 24 Euro

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