Schon nach rund einer Stunde ist am vergangenen Freitag der Schmerzensgeldprozess von Jens Windel gegen das Bistum Hildesheim unterbrochen worden. Auf Anregung des Landgerichts Hildesheim soll es einen Schlichtungsversuch geben. Der heute 50-jährige Jens Windel beschuldigt einen verstorbenen katholischen Pfarrer, ihn in den 1980er Jahren im Alter von neun bis elf Jahren immer wieder sexuell missbraucht zu haben.
Der Vorsitzende Richter Jan-Michael Seidel deutete an, dass er dem Bistum in dessen Argumentation folgt, dass die Taten und damit auch ein Anspruch Windels verjährt seien. Er schlug den streitenden Parteien vor, unter Vermittlung eines Güterichters eine gütliche Einigung zu versuchen. Sollte dieser Versuch scheitern, werde der jetzt unterbrochene Zivilprozess fortgesetzt. Der Kläger und das beklagte Bistum stimmten dem Vorschlag zu.
Jens Windel ist indes skeptisch, dass dieses Mediationsverfahren – ein Termin für die Güteverhandlung wurde noch nicht festgelegt – ihn an sein Ziel bringt. Eingeklagt hat er eine Schmerzensgeldsumme von 400.000 Euro. Bislang hatte Windel von der katholischen Kirche in vier Schritten 50.000 Euro als freiwillige Zahlung erhalten. "Die bisherigen Summen bagatellisieren mein Erlebtes", so Windel gegenüber der Deutschen Presseagentur.
Dem hpd sagte er, er wolle dem Gericht den guten Willen zur Einigung zeigen. Doch jetzt müsse abgewartet werden, wie das Bistum in dieser Mediation agiere. Aus Windels Sicht verhält sich der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer mit seiner Prozesstaktik und dem Berufen auf die Verjährung "unsäglich". Windel wartet nun ab: "Wird man uns ein unverschämtes Angebot machen, das weiter entwertend ist? Oder wird man sich an Gerichtsurteilen orientieren, und zwar am oberen Rahmen? Das wäre meine Erwartungshaltung", sagt Windel und spielt auf das Urteil des Landgerichts Köln an. Dieses hatte Georg Menne, der ebenfalls Opfer schweren sexuellen Missbrauchs geworden war, im Jahr 2023 insgesamt 300.000 Euro Schmerzensgeld gegen das Erzbistum Köln zugesprochen.
300.000 Euro Schmerzensgeld werden derzeit übrigens auch in einem Missbrauchsprozess gegen das Bistum Essen eingeklagt. Anders als das Bistum Hildesheim im Fall Windel will sich das Bistum Essen aber nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Dass das Bistum Hildesheim aber darauf pocht, erfuhr gerade erst wieder scharfe Kritik durch Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz. Norpoth schrieb in einem Gastkommentar für Kirche und Leben eine bittere Anklage gegen das Verhalten des Bistums:
"Mit der Einrede macht die Kirche wieder einmal deutlich: Es geht ihr um Eigenschutz, nicht um das Wohl des Betroffenen. Eine Institution, die über Jahrzehnte hinweg selbst dafür gesorgt hat, dass vertuscht und verschwiegen wurde mit dem Ergebnis, dass diese unsäglichen Gewaltexzesse eben nicht in die Öffentlichkeit gelangten, sondern schlussendlich verjährten. Genau diese Institution macht sich nun die Verjährung zu eigen? Für eine sich als weltweit moralsetzend definierende Instanz ist das schlicht verwerflich und die Spitze der moralischen Bankrotterklärung."
David Farago, Aktionskünstler der Giordano-Bruno-Stiftung, hat den Prozessauftakt drei Tage lang mit seinem "Hängemattenbischof" begleitet, um die Öffentlichkeit auf das Verfahren aufmerksam zu machen. Einige Stunden hat sich auch Jens Windel dazugestellt, als die anklagende Großplastik auf dem Domhof und auf dem Markplatz in Hildesheim stand. Am Prozesstag hatte Farago sie in der Nähe des Landgerichts platziert. Windel spricht davon, dass die Menschen ihn ermutigt hätten, weiterzukämpfen. Auf dem Domhof seien sogar Mitarbeiter des Bistums zu ihm gekommen und hätten ihm gesagt, dass sie sich leider nicht öffentlich positionieren könnten, weil sie dann mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssten. David Farago selbst war nach vielen Stunden Präsenz im Hildesheimer Stadtbild doch etwas frustriert, dass angesichts anderer wichtiger Themen des Weltgeschehens viele Passanten eher desinteressiert an dem Thema gewesen seien. Die allermeisten, die das Gespräch gesucht hätten, hätten das Anliegen von Kläger Windel jedoch unterstützt.
Der hpd hat ausführlich im Vorfeld über den Prozess berichtet:
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