Humanistische Bestattungskultur

Kann man wirklich schon von einer neuen Bestattungskultur sprechen oder sind das außerhalb der Großstädte nur Einzelfälle?

Beispielbild
Horst Groschopp / Foto: Peter Groht 
Horst Groschopp: Das ist überall zu besichtigen, schon wegen der muslimischen und ostdeutschen Zuwanderungen bis ins tiefe Bayern. Der Kernfaktor für die Veränderungen ist aber die Kommerzialisierung, die auch regionale Kulturfaktoren „umstimmt“.

Die Zukunft deutscher Friedhöfe, so beschreibt Reiner Sörries im Sammelband seine Sicht, bewegt sich zwischen Säkularisierung, Wertorientierung und Kommerzialisierung. Genau dies führt zu Neuorientierungen, wenn auch im Rahmen dessen, was Menschen am Ende des Lebens kaufen wollen bzw. können oder Hinterbliebene für angemessen oder erschwinglich halten. Der konfessionelle Friedhof ist zum einen im Rückgang begriffen, aber – zum anderen – der Bestattungshain des HVD Berlin zum Beispiel, im Buch vorgestellt, ist rein juristisch gesehen „konfessionell“. Katholische Kirchen richten inzwischen Kolumbarien ein und christliche Friedhöfe wenden sich den Friedwäldern zu. Ein rasanter Umbruch. Der kommunale Friedhof löste einst den konfessionellen ab und galt als moderner Ort der Daseinsfürsorge der Menschen. Er stand für ein geregeltes und hygienisch einwandfreies Bestattungswesen. Nun zeigt sich, dass viele viel zu groß dimensioniert sind und ihr Unterhalt teuer ist. Kommunen haben die Kremationen privatisiert und nun neue Probleme usw.

Der 18-Milliarden-Umsatz auf dem Bestattungsmarkt ist in den letzten Jahren nicht geringer geworden, aber die Anteile daran haben sich verschoben. Es findet ein neuer Innovations-, Verdrängungs- und Monopolisierungskampf statt, in dessen Schlepptau sich alternative Formen, die auch sehr gewinnbringend sein können, entwickeln und Anteile erobern. Zugleich gibt es das Problem der Sozialbestattungen und ihrer Kulturformen.

Wie reagieren die staatlichen Behörden auf diese Entwicklung?

Horst Groschopp: Was hier durch Säkulare vor allem zu lernen ist: Die klassische Staat-Kirche-Trennung kommt hier nur insofern vor, als Länder (also Bundesstaaten) Bestattungsgesetze machen und zum Teil gegenwärtig bereits liberalisieren. Das unmittelbar Kulturelle ist Kommunal- also nicht Staatssache. Und hier gilt: Die Bestattungsinnungen und Bestattungsgewerbe vor Ort – das sind die beiden Organisationsformen des Kommerzes – zeigen nur insoweit „Gesinnung“, also diese das Geschäft nicht verderben darf. Das Problem ist also weniger ein ethisches in Bezug auf möglichen oder tatsächlichen Kircheneinfluss vor Ort als das Dringen auf ethische Standards zum Beispiel in Bezug auf Billiganbieter. Ich meine, verbandspolitisch gesehen, vor Ort könnten mit Kirchlichen und Betroffenvertretungen Standards mit Hilfe von Runden Tischen oder ähnlich gemeinsam erarbeitet werden.


Im Buch ist vom Friedhof als „weltlicher Kultureinrichtung“ die Rede – was genau ist darunter zu verstehen?

Horst Groschopp: Zum Begriff der „Weltlichkeit“ habe ich bereits einiges gesagt. Was wir beobachten ist doch, dass selbst christliche Friedhöfe sich öffnen müssen und geöffnet haben. Demnächst werden dort vielleicht sogar Muslime liegen, Konfessionsfreie sowieso schon, wenn Kirchen das Bestattungsmonopol vor Ort haben. Es gibt auf christlichen Friedhöfen anonyme Bestattungen – entgegen der bisherigen Lehre.

Die Kommunalfriedhöfe sind weltlich insofern, als sie allen Religionen und Weltanschauungen offen sein müssen, auch wenn in einigen Regionen die Kirchlichen meinen, die Kultur des Bestattens vorschreiben zu dürfen und die Feierhallen christlich schmücken zu müssen. Hier wird der Kommerz arbeiten wie in andren Bereichen und wenn schon nicht auf allgemein anerkannt weltlich, so doch auf öffentlich praktisch multikulturell drängen.

Dass hier säkulare Organisationen offen für allgemeine Öffnung eintreten – und nicht nur egoistisch christliche Vorherrschaft, wo vorhanden, kritisieren –, das sehe ich als humanistische Position.

Und welche konkreten Angebote gibt es von Seiten der Konfessionslosen-Verbände?

Horst Groschopp: Bestattungskultur gehört zu den traditionellen Angeboten früher in nahezu allen und heute in einigen säkularen Verbänden, so auch im HVD. Was da gemacht wird, stellt das Buch vor. Das Problem ist, dass wohl auch hier die Zukunft den großen Anbietern gehören wird. Das Buch ist eigentlich eine Reaktion auf genau diese Prozesse: Wenn es nämlich „Humanistisches“ außerhalb unserer Verbände und sogar kommerzialisiert gibt, dann müssen wir uns einen Kopf und Angebote machen, was nach unserer Ansicht „humanistisch“ wäre. Das erfordert das Eingehen auf stattfindende Diskurse. Diese sind weitgehend außerhalb unserer Verbandsinterna. Das Humanistische wird aber im Leben entschieden, nicht durch interne Beschlusslagen, Spitzfindigkeiten und Verbändehickhack.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

 

Horst Groschopp (Hrsg.): Humanistische Bestattungskultur. Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Deutschland, Bd. 2. 180 Seiten, 43 Abbildungen, kartoniert, Euro 16.-, ISBN 978-3-86569-067-8

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich