Symposium zum 100-jährigen Bestehen der internationalen Liga für Menschenrechte

100 Jahre im Dienste des Friedens und der Menschenrechte

Die Gründer der Liga haben sicher gehofft, einhundert Jahre nach deren Gründung in einer Welt des Friedens und der Respektierung der Menschenwürde zu leben. Statt dessen nehmen die kriegerischen Konflikte und die innerstaatliche Unterdrückung wieder zu. In Europa gibt es seit dem Ende des klassischen Ost-West-Konfliktes zum zweiten Mal wieder Krieg. Die arabische Welt befindet sich am Beginn einer kriegerischen Neuordnung ihrer politischen Machtverhältnisse, die sich noch Jahrzehnte hinziehen wird. In dieser Zeit muss ein Rückblick in die eigene Geschichte mehr sein als eine nostalgische Selbstversicherung.

Auf dem Symposium wurde daher nicht nur ein Blick auf die Ligageschichte geworfen, sondern auch ein Blick auf den Ersten Weltkrieg. Die Debatten um die Kriegsschuldfrage, die die neuen Publikationen zum ersten Weltkrieg von Herfried Münkler und Christoph Clark – wohl in eindeutig politischer Absicht – neu aufgeworfen haben, spielten aus friedenspolitischer Perspektive auch auf der Tagung eine Rolle. Die These einer eindeutigen Hauptschuld Deutschlands am Beginn des 1. Weltkrieges, die, wie der Referent Helmut Donat darlegte, von dem Mitglied der Liga Hellmut von Gerlach schon in den zwanziger Jahren überzeugend vertreten worden war, war unter den Referenten unstreitig.

Ebenso war unstreitig, dass Kriege nicht das Ergebnis ökonomischer Systeme sind, auch wenn diese internationale Konkurrenzsituationen produzieren, sondern auf der Entscheidung einzelner Personen beruhen. Dies ist in dieser Allgemeinheit sicher richtig. Es ist immer eine bestimmte Person die auf den Knopf drückt. Und durch andere Überlegungen darf auch die Schuldfrage nicht relativiert werden. Dennoch ist es so, dass bestimmte gesellschaftliche Strukturen militärische Konfliktsituationen produzieren. Und in solchen Situationen wird sich fast immer jemand finden, der auf den Knopf drückt. Wenn man also Kriege verhindern will, so reicht eine moralische Erziehung dazu nicht aus. Es bedarf der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Ziel der Tagung war es auch, das Vergessen unbequemer Personen zu verhindern, die auch heute noch positive Beispiele für Zivilcourage, für den Kampf gegen die in einer Gesellschaft dominierende Meinung und für Frieden und Bürgerrechte geben können. Wer kennt noch Hellmut von Gerlach? Sicher ebenso wenige wie Minna Cauer, Lilli Jannasch oder Helene Stöcker, über die Christl Wickert kenntnisreich referierte. Nur Ossip K. Flechtheim, über den Wolfram Beyer sprach, dürfte neben Ossietzky noch allgemein bekannt sein, auch bei den Humanisten. Der Humanistische Verband vergibt bekanntermaßen einen Ossip-K.- Flechtheim-Preis, auch wenn sich der Verband eher auf den Bürgerrechtler Flechtheim als auf den Friedenspolitiker bezieht.

Man hätte der Tagung mehr Teilnehmer und vor allem mehr jüngere Teilnehmer gewünscht. Von einem Festsymposium zum 100-jährigen Bestehen auf die Mitgliedschaft der Liga zurückzuschließen dürfte sicher nicht falsch sein. Danach ist diese erheblich überaltert.

Neben der Liga gibt es inzwischen viele andere Organisationen mit ähnlichem Profil. Am bekanntesten dürfte heute Amnesty International sein. Vielleicht ist auch im bürgerlichen Millieu, aus dem die Liga auch heute noch ihre Mitglieder gewinnt, Friedens- und Bürgerrechtsarbeit derzeit nicht en vogue. Im Ausblick auf die der Liga zu wünschenden nächsten 100 Jahre wird diese sich der Frage ihrer organisatorischen Neuaufstellung und personellen Erneuerung stellen müssen. Es ist ihr dabei viel Erfolg zu wünschen.