Evolutionsbiologie

Rochen und Chimären

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Adlerrochen (A. narinari), Malediven
Adlerrochen (a. narinari), Malediven

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Blaupunktrochen (T. lymma), Rotes Meer
Blaupunktrochen (t. lymma), Rotes Meer

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Igelrochen (Urogymnus asperrimus), Rotes Meer
Igelrochen (urogymnus asperrimus), Rotes Meer

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Torpedorochen (T. sinuspersici), Oman
Torpedorochen (t. sinuspersici), Oman

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Halb Rochen, halb Hai: Gitarrenrochen (R. halavi), Rotes Meer
Halb Rochen, halb Hai: Gitarrenrochen (r. halavi), Rotes Meer

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Küstenmanta (Manta alfredi), Rotes Meer
Küstenmanta (manta alfredi), Rotes Meer

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Manta birostris im Riff, Indonesien
manta birostris im Riff, Indonesien

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Unterseite eines Stechrochens, Neuseeland
Unterseite eines Stechrochens, Neuseeland

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Pflugnasen-Chimaere (Callorhinchus milii), Australien
Pflugnasen (chimaere callorhinchus milii), Australien

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Weibliche Pflugnasen-Chimaere bei der Ablage der Eikapsel, Australien
Weibliche Chimaere bei der Ablage der Eikapsel, Australien

NEU-BAMBERG. (hpd) Rochen (5 Ordnungen) und Chimären (1 Ordnung) stellen mit etwa 390 Arten ein Drittel aller Knorpelfische neben den Haien dar. Die verschiedenartigen Rochen besiedeln Meere aller Temperaturen und viele sind sogar in das Süßwasser vorgedrungen. Ihre Größen (Länge) reichen von 10 cm eines Zitterrochens bis zu 7 m eines Sägerochens. Die imposante, bis 6 m reichende Flügelspannweite eines Mantas geht dagegen in die Breite. Annäherung der Körperform an das Ideal für die jeweilige Lebensweise ist eines der kreativen Prinzipien, nach denen das Zusammenspiel von Selektion und Mutation ununterbrochen wirksam ist.

Wer am Meeresgrund lebt und sich kein dauerhaftes Versteck baut, ist im Vorteil, wenn er platt ist. Am besten so platt, dass es nicht mal für einen Schatten reicht - wie bei den Rochen. Die meisten von ihnen verbringen ihr Leben auch heute noch am Boden, wo sich die Gruppe entwickelte und wo die Tiere ihre Nahrung suchen und finden. Diese besteht aus Muscheln, Schnecken, Krebsen, Würmern und kleinen Fischen.

Natürlich hat die Abflachung als Anpassung an den Meeresgrund sich über Zeiträume erstreckt, denen unser Vorstellungsvermögen kaum gewachsen ist. Es war auch nicht mit der Formwandlung von Höhe zu Breite getan. Das unterständige Maul der Haie eignete sich zwar bestens für den Beutefang am Boden, nicht aber zur Aufnahme von Atemwasser dort. Zuviel Sand käme ins Kiemengetriebe. Es mussten Ansaugstutzen mit Pumpe an der Körperoberseite konstruiert werden: Sie liegen für den Taucher gut erkennbar hinter den Augen und heißen Spirakel oder Spritzlöcher.

Die Kiemenspalten als Auspuff sind statt dessen bei den Rochen auf der Unterseite - im Gegensatz zu allen Haien. Das erleichtert übrigens die Unterscheidung zwischen haiähnlichen Säge- und Gitarrenrochen und platten, aber echten Haien wie den Säge- und Engelshaien, deren Kiemenspalten im Rücken sitzen. Andere Unterscheidungsmerkmale sind die zusammengewachsenen Brustflossen mit dem Kopf und das Fehlen eines freien oberen Augenlides bei allen Rochen. Kiemendeckel, wie sie die Knochenfische haben, gibt es bei Knorpelfischen nicht. Die Schwimmbewegung innerhalb der Rochengruppe ist sehr unterschiedlich: Säge-, Gitarren- und Zitterrochen schwimmen ähnlich wie die Haie mit Schwanzantrieb, während die Stech-, Adler- und Teufelsrochen durch undulierende oder vogelschwingenähnliche Bewegungen der Brustflossen vorankommen.

Die Schwanzflossen variieren von dornig und dick bis zu extrem langen und schlanken Peitschen. Viele Arten tragen am Schwanz sogar einen giftigen Stachel. Torpedo- und Zitterrochen bestehen aus einer typisch rochenartigen Scheibe, aber ihre Schwanzflosse ist eher haiähnlich und trägt sogar eine oder zwei Rückenflossen. Diese Fische besitzen elektrische Organe, die kräftige Elektroschocks produzieren, um ihre Opfer wie Knochenfische zu betäuben oder sich damit vor Fressfeinden zu verteidigen. Wie alle Knorpelfische sind auch Rochen Fleischfresser und haben interessante Jagdstrategien entwickelt.

Stechrochen wurden dabei beobachtet, wie sie sich bewegungslos auf ihren Brustflossen abstützten und praktisch eine Höhle unter ihrem Körper bildeten. Ein hier versehentlich Schutz suchender Fisch oder Krebs ist dann ohne Chance. Junge Adlerrochen suchen nur Muscheln direkt unter dem Sediment, während Alttiere mit ihrem ausgeprägten Kopf im tiefen Sand graben.

Der Haiflossen-Gitarrenrochen sowie Stech- und Adlerrochen haben ein spezielles Malmgebiss entwickelt, um Panzer und Gehäuse von Krabben, Schnecken und Seeigeln zu knacken. Von den Rochen selbst nutzen nur wenige Arten ihre Beweglichkeit, um Riffbewohner und schnell schwimmende "Tintenfische" zu jagen, so die Kuhnasen- und Falterrochen. Reine Planktonfresser sind die riesigen Teufelsrochen, die sich wie die Giganten in der anderen Knorpelfischgruppe, Wal- und Riesenhai, auf dieselbe Art ernähren: Mit weit geöffnetem Maul und unter Zuhilfenahme der Kopfflossen seihen sie tierisches Plankton aus dem Meer.

Rochen erzeugen ihren Nachwuchs ausschließlich durch Paarung und innere Befruchtung, wobei das Männchen wie bei den Haien einen oder beide Klasper (penisartige Stachel) in die Kloake des Weibchens einführt. Diese röhrenförmigen männlichen Geschlechtsorgane, die deutlich zwischen den Bauchflossen abstehen, machen es einfach, bei einer Begegnung mit Rochen die Geschlechter zu unterscheiden. Im Gegensatz zu den Haien kann die Kopulation bei bodenlebenden Rochen bis zu einer Stunde dauern. Viele Knorpelfische formieren sich während der Paarungszeit zu großen Schulen, trotzdem weiß man noch sehr wenig über die Gesamtabläufe.

Nach der Befruchtung der Eier gibt es bei Rochen zwei Möglichkeiten der Entwicklung: Die Echten Rochen (Familie Rajidae) sind ovipar. Bei der Oviparie, der stammesgeschichtlich ältesten Fortpflanzungsart, legen die Weibchen nach innerer Befruchtung große, dotterreiche Eier in hornigen Schalen ab, die häufig mit fadenartigen Verlängerungen zur Befestigung an Tang, Steinen oder Korallen versehen sind. Die Jungen entwickeln sich aus dem Dotter, bis sie lebensfähig sind und die Hornkapsel sprengen können. Alle anderen Rochenarten sind ovivipar, wobei die dünnschaligen Eikapseln bereits in den Eileitern der Mutter gesprengt werden. Die Embryonen entwickeln sich bis zur Schlupfreife entweder durch Dottersackernährung oder durch Nährsekrete aus bestimmten Teilen des Eileiters. Es gibt keine Plazenta-Verbindung zwischen Kind und Mutter. Die Geburt aus dem Körper der Mutter erfolgt, sobald die Embryonen voll entwickelt und zu selbständigem Leben fähig sind.

Die Knorpelfisch-Ordnung CHIMAERIFORMES umfasst drei lebende Familien und mehrere ausgestorbene Gruppen (Devon bis Jura) bizarrer Fische mit Knorpelskelett und einzigartiger Bezahnung (Revolvergebiß, Zähne in Spiralen). Die zahlreichen Namen der lebenden Arten weisen auf ihr merkwürdiges Aussehen hin. Sie beziehen sich auf anatomische Besonderheiten oder das Aussehen allgemein: Chimäre (Zwitterwesen der griechischen Mythologie), Seeratte (spitze Schnauze, langer Schwanz), Pflugnasen-Chimäre (Schnauzenform). Chimären leben weltweit, aber meist in tiefen und kalten Gewässern, von 50 bis zu 2.600 m.

Sie ernähren sich von Bodenbewohnern und manche graben sogar mit ihrer Nase danach (Pflugnasen!). Diese seltsamen Knorpelfische sehen aus wie eine Mischung aus Hai und Rochen: Die Körperform ähnelt Haien, aber die Schwimmweise eher den Rochen. Ein aufrichtbarer Stachel zu Beginn der Rückenflosse ist giftig.

Nur die Pflugnasen-Chimären (Callorhinchus) findet man gelegentlich zur Fortpflanzung im Flachwasser und daraus kann man auf andere Arten schließen. Männchen unterscheidet man von den Weibchen durch zwei angelähnliche Klasper. Die Eikapseln werden paarweise produziert und sehen länglich aus.

"Vom Gletscher her weht ein eisiger Wind. Es ist minus 16°C und auf dem Fjord bilden sich dünne Eisschichten. Ein Schneesturm tobt über die Berge. Die tiefen Rinnen der Fjorde wirken wie ein Windkanal. Und doch lohnt es sich, um Mitternacht den Sprung ins kalte Naß zu wagen, für einen Nachttauchgang in die Tiefen eines norwegischen Fjords. Immerhin ist das Wasser mit 1–4°C plus jetzt Ende November erträglicher als die erbärmlichen Außentemperaturen. Schon gleich am Ufer beginnt der Abstieg entlang der senkrechten, teils sogar überhängenden Fjordwand.

Ich bewege mich jetzt langsam und kontrolliert unterhalb der 50 m Tiefenmarke.

Auf einmal ‘segelt’ eine Gezeichnete Seekatze von den Tiefen des Fjords empor. Normalerweise lebt die hier vorkommende Art Chimaera monstrosa in Bodennähe in 200 - 1000 m Tiefe. Es müssen wohl Dunkelheit, Tiefdruck und das Nahrungsangebot zusammenwirken, um die urzeitlich wirkenden Seekatzen emporzulocken. Majestätisch segelt dieses etwa 1,2 m lange Weibchen einem Manta gleich entlang der senkrechten Fjordwand. Die riesigen reflektorähnlichen Augen wirken gespenstisch, weisen aber auf den dunklen Herkunftsort der Seekatzen in großen Tiefen hin. Auch die merkwürdigen Verästelungen der Seitenlinie auf dem Kopf geben Auskunft über die Sinneswelt eines solchen Tiefseefisches. Anmutig schwebt der lange Schwanz hinterher. In gleichmäßigen ruhigen Auf- und Abbewegungen der flügelähnlichen Brustflossen treibt die Seekatze ihren wuchtigen Körper vorwärts. Die nackte Haut reflektiert das Licht meiner Taucherlampe und läßt den braungefleckten Körper in metallischer Bronzefarbe aufleuchten. Ich habe das kribbelnde, aufregende Gefühl im Bauch, einem Urzeittier, wie etwa einem Dinosaurier, begegnet zu sein."