NEU-BAMBERG. (hpd) Man kennt etwa 1.100 Knorpelfische, die in den Küstengewässern und Ozeanen der Erde leben. Zu ihnen gehören einige der größten und am meisten gefürchteten, aber kaum bekannten Tiere auf diesem Planeten, die Haie. Alte Mitglieder dieser Gruppe sind weitaus älter als die Dinosaurier. Seit damals haben die Knorpelfische alle wichtigen aquatischen Habitate besiedelt – von weit im Landesinneren gelegenen Süßwasserseen und Flüssen (wie der Stierhai Carcharhinus leucas) bis in die eisigen Polargebiete (wie der Pazifische Heringshai Lamna ditropis).
Haie sind ausgezeichnete Schwimmer. Die verschiedenen Arten beherrschen auch verschiedene Schwimmstile, je nachdem, was gerade anliegt. Oft beobachtet man bei Aufsicht von oben eine stetige, sinusförmige Bewegung. Eine Welle durchläuft den ganzen Körper und gipfelt in einem seitwärts gerichteten Schwanzschlag. Beim Dauerkreuzen ist diese Fortbewegung energetisch günstig, aber eher langsam. Einige Haiarten können ihren Körper versteifen, so dass die Schwanzflosse den Restkörper zu hoher Geschwindigkeit antreibt (z.B. der Makohai). Wenn ein Hai langsam schwimmt, ist seine Haut locker und geschmeidig und passt sich den wellenförmigen Bewegungen an. Wenn der Hai jedoch beschleunigt und die Muskelkontraktionen schneller aufeinander folgen, steigt der Druck, den die Körperflüssigkeit von innen auf die Haut ausübt. Daraufhin versteift sich die Haut, die Schwingungen des Rumpfes nehmen ab und die eingesetzte Kraft wird im Schwanzschlag konzentriert. Die schnellsten Haie gehören der Familie der Heringshaie (Lamnidae) an, deren Körperbau auf höchste Geschwindigkeit ausgelegt ist.
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden Haie als primitive Tiere bezeichnet, die lernunfähig seien und auf Außenreize nur instinktiv reagieren. Heute weiß man, dass dies falsch ist. Haie haben vergleichsweise ein großes Gehirn und eine Reihe beindruckender Sinnesorgane, die es ihnen ermöglicht, den Weg durch die Ozeane, Beute und Paarungspartner zu finden. Da ist zunächst der Geruchsinn über die Nasenöffnung, der beim Nahrungserwerb (blutender Fisch) eine wichtige Rolle spielt. Das Gehör, das man an beiden Seiten des Hirnschädels nur als Pore erkennen kann, ist ebenfalls ein Fernsinn, weil sich Schall unter Wasser fünfmal schneller als an der Luft fortpflanzt. Der Gesichtssinn ist bei vielen Arten gut entwickelt, denn sie haben eine Reflektorschicht hinter der Augennetzhaut, um im Dunkeln besser sehen zu können. Der Tastsinn ist ein Nahsinn, und wird offensichtlich, wenn man z.B. einen Walhai berührt, der sofort reagiert. Der Geschmackssinn kommt ins Spiel, wenn die Beute schon im Maul ist. Ist das Ergebnis nicht überzeugend, wird sie wieder ausgespuckt. Darüber hinaus haben Haie (wie auch die Knochenfische) ein Seitenliniensystem, das die Wahrnehmung von Vibrationen über Entfernungen von vielen Metern ermöglicht (harpunierte Fische). Über die sogenannten Lorenzinischen Ampullen am Kopf können sie schwache elektrische Felder erkennen (z.B. Kiemen und Herz eines im Sand versteckten Plattfisches), und zudem nehmen Haie das Magnetfeld der Erde wahr, was sie bei der Orientierung auf langen ozeanischen Wanderungen unterstützt. Von einem markierten Blauhai Prionace glauca weiß man, dass er schon Entfernungen von 6.000 km geschwommen ist. Haie – wie alle Knorpelfische – sind sensorisch besser ausgerüstet sind als die meisten Wirbeltiere.
Wie bei den Vögeln und Säugetieren erfolgt die Befruchtung bei Haien im weiblichen Körper und nur wenige, aber weit entwickelte Junge werden geboren. Diese innere Befruchtung setzt die Möglichkeit voraus, Samenflüssigkeit in den Körper des Weibchens zu injizieren. Männliche Haie besitzen aber keinen Penis. Statt dessen dienen ihnen in der Evolution umgewandelten Teile beider Bauchflossen, die Klasper, als Kopulationsorgane. Daran kann man die Geschlechter beim Tauchen gut unterscheiden. Bei Haien gibt es drei verschiedene Entwicklungsstrategien für den Embryo: Die primitivsten Haie sind ovipar und legen Eier wie andere Fische auch. In diesen mit Dotter gefüllten Eikapseln entwickeln sich die Jungen und schlüpfen, nachdem sie vollständig entwickelt sind. Am weitesten verbreitet ist die Ovoviviparie: Bei diesem System bleiben die Eier im Mutterleib, wo die Jungen auch schlüpfen. Jedes Ei besitzt einen großen Dottervorrat, der durch einen Gang mit dem Embryo verbunden ist und im Verlauf der Entwicklung aufgezehrt wird. Die dritte und fortschrittlichste Methode ist die Viviparie oder das Lebendgebären. Hat der Embryo seinen Dottervorrat verbraucht, wird mittels einer Nabelschnur eine Verbindung zwischen Mutter und Embryo hergestellt. Diese hochentwickelte Art der Versorgung, die an Säugetiere erinnert, findet man bei Vertretern der Marderhaie (Gattung Mustelus) bei Grundhaien (Gattung Carcharhinus) und den Hammerhaien (Gattung Sphyrna). Es wird erkennbar, dass Haie - und Knorpelfische allgemein - viel weniger Nachkommen erzeugen als Knochenfische. Zudem kann die Tragzeit bis zu 22 Monaten dauern.
Haiflossen
"Fast um den ganzen Globus wird der Hai gnadenlos verfolgt. Im Gegensatz zu einem ähnlichen Räuber, dem Delphin, sind sein Aussehen und sein Image nicht so freundlich und menschennah. Kinofilme (Der Weiße Hai) und überzeichnete Horrormeldungen über Haiunfälle klären nicht auf, sondern schüren Ängste. Dass dieser Jäger jedoch ein ganz wichtiges Glied in der Lebenskette des Meeres darstellt, sollte dem Menschen langsam bewusster werden. Besonders in vielen Teilen Asien ist Aufklärung geboten:
Im Norden Irian Jayas in Indonesien, fernab der üblichen Touristenpfade, tauchen wir ab in unberührte Korallengärten. Selten betauchte Tauchgründe gibt es hier immer noch und die Korallenbleiche hat diese Fauna bis jetzt verschont. Wir gleiten mit dem Boot durch Mangroven und gelangen an einen unberührten Sandstrand. Alles erscheint uns traumhaft. Nach ein paar Schritten bemerken wir eine große Echse, die sich an einem undefinierbaren Kadaver labt. Sie läßt sich durch uns nicht stören. Wir betrachten die Gegend genauer. Plötzlich fallen uns weitere Tierkadaver im Wasser und auf dem Land auf. Es sind Haikadaver verschiedenster Arten mit abgeschnittenen Flossen. Bei einigen wenigen ist noch zusätzlich das Rückgrat entfernt worden. Wir sind irritiert. In dieser fast nicht besiedelten Küstenregion sind Haie also auch nicht mehr sicher. Bei genauem Hinblick erkennen wir einen primitiven Unterstand mit Feuerstelle. Auf langen Bohlen liegen abgeschnittene Flossen aller Größen zum Trocknen aus. Wir beschließen, den nachmittäglichen Tauchgang zu verschieben, und hoffen auf die Rückkehr der 'Täter'.
Nach einiger Zeit gleitet ein motorbetriebener Einbaum in die Bucht und drei Fischer werfen ihren nächtlichen Fang an Land. Unsere Anwesenheit stört sie nicht. Sie sind nicht ortsansässig, sondern nutzen diese Insel nur als Stützpunkt für ihre mehrwöchigen Beutezüge. Mit langen Leinen und unzähligen Haken stellen sie dem Hai nach. Mit wenigen Schnitten werden die Flossen und das Rückgrat entfernt. Der große restliche Körper wird dann achtlos ins Meer geworfen. Für weniger als 10 Prozent seines Körpergewichtes muss dieser elegante Schwimmer sein Leben lassen und ist somit aus der Reproduktionskette gerissen. Auf Fragen erklärt man uns, dass die getrockneten Flossen für ein paar US-Dollar in Sorong an Zwischenhändler verkauft werden. Diese vertreiben sie dann z.B. nach Hongkong, wo für ein Kilo Trockenflossen mehrere hundert US-Dollar erzielt werden. Wir begreifen schnell: Diese mittellosen Fischer sind in diesem gnadenlosen Geschäft lediglich ausgebeutete Erfüllungsgehilfen und Opfer. Ihre Armut wird von skrupellosen Geschäftsleuten ausgenutzt, um mit geringstem finanziellem Aufwand größtmöglichen Profit zu erzielen. Mit Hilfe unserer einheimischen Übersetzer merken wir schnell, dass aus diesen Gründen ein kurzfristiges Umdenken durch ein paar Gespräche, ohne das Angebot von Alternativen, nicht möglich ist. Ein dort ansässiger europäischer Tauchlehrer berichtet uns von seinen jahrelangen intensiven Bemühungen bei der lokalen Bevölkerung zum Schutz dieser Knorpelfische, die nun schon ca. 400 Millionen Jahre in den Meeren der Erde leben (wir Menschen existieren erst 200 000 Jahre) und von ihr nicht verschwinden dürfen. Für Asien ist der Verzicht auf Haiprodukte durch menschliche Konsumenten das einzige Mittel, dem Schlachten unverzüglich ein Ende zu bereiten."
Albatros Snack
"Jedes Jahr landen Tausende von Laysan- und Schwarzfuß-Albatrosse auf den nordwestlichen Hawaii-Inseln, um sich zu paaren und ihre Eier zu legen. Albatrosse leben auf Dauer paargebunden und wer ihren Balztanz beobachtet, ist begeistert wie sie ihr Gefieder putzen und sich klapsend berühren. Und welche Töne sie dabei ausstoßen. Nach der Befruchtung schlüpfen die Jungen und wachsen schnell zu 50 cm großen, flaumigen Küken heran.
Diese Inseln sind vielleicht nur wenige hundert Meter lang, so dass Inlandflüge der Vögel nicht möglich sind. Albatros-Küken müssen warten, bis ihre Flügel soweit gewachsen sind, um ihr Gewicht über das Meer zu tragen. Wenn der Flaum sich zu Federn wandelt, beginnen die Küken die Aerodynamik ihrer Flügel zu testen, indem sie zur windigen Kante der Insel ziehen. Hunderte von ihnen stehen dann jeden Morgen von Juni bis August an einer Art Abflugrampe Schlange und hüpfen hoch, um die Aufwinde vom Meer zu nutzen. Schließlich verlassen sie die Insel mit ihren untrainierten Flügeln direkt übers weite Meer. Viele junge Albatrosse heben ab und ihre Füße werden kein Land mehr berühren, bis sie nach sieben Jahren fortpflanzungsfähig sind. Andere müssen im Wasser landen, weil ihre Flügel doch nicht weit genug entwickelt waren oder sie die Kraft verlässt. Sie werden dann gern von Tigerhaien gefressen, die genau zur Albatros-Küken-Saison unter dem Abfluggebiet der Fluganfänger patrouillieren!
In tiefem Wasser kann man die Tigerhaie außerhalb der Atolle übers ganze Jahr beobachten. Aber während der Sommerzeit navigieren sie durch die Riffe in die flachen Gewässer der inneren Lagunen. Fünf bis acht Tigerhaie kann man jeden Morgen beobachten, wie sie in nur 1 m tiefem Wasser darauf warten, dass ein Albatros-Küken im Wasser notlanden muss. Viele der Küken starten wegen der kräftigen Winde ihre Flugversuche am frühen Morgen und dementsprechend ist die Anzahl der Tigerhaie auch morgens größer als nachmittags. Deutlich sieht man sie in der Lagune oder vor dem Riffdach kreuzen, weil ihre Rückenflossen aus dem Wasser reichen. Landet ein Vogel auf dem Wasser, bewegen sich alle Haie in der Nähe schnell auf ihn zu, bevor er in der Lage ist, wieder loszufliegen. Ist mal kein Hai in der Nähe des ungewollten Landeplatzes, sitzt der Albatros so lange auf der Oberfläche, bis er wieder Kraft hat loszufliegen. Das gibt zwar den Haien Zeit, den Vogel zu entdecken, aber der kann auch schon bei ihrer Ankunft wieder in der Luft sein.
Tigerhaie bekommen nicht immer den Vogel, den sie gerade verfolgen. Der Hai muss nämlich viel Energie aufwenden, um seinen Kopf aus dem Wasser zu kriegen, damit er den Albatros unter Wasser ziehen kann. Ist der Haikopf nicht weit genug über der Wasseroberfläche, schubst er den Albatros damit nur weg! Es kann drei oder vier Angriffe bedeuten, bevor die Zähne des Tigerhais den Albatros schließlich packen. Zwischenzeitlich kann der Vogel aber auch abheben, und dann war alle Haimühe umsonst. Der Jäger kann den flüchtenden Vogel durchaus sehen und verfolgt ihn unter Wasser, falls dieser nochmal landen muss. Hat der Vogel dem Ansinnen des Hais widersprochen und das rettende Ufer erreicht, schüttelt er kurz das Gefieder und klettert erneut zur Abflugrampe!"
siehe auch:
Zur Ehre des Größten
Rochen und Chimären
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Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Eine neue 3-teilige Miniserie der BBC über Haie: http://www.bbc.co.uk/programmes/p02n7s0d
http://www.telegraph.co.uk/culture/tvandradio/11558501/TV-The-BBC-gets-friendly-with-sharks.html