BERLIN. (hpd) Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat die von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon eingereichte Petition zur Streichung des sogenannten Gotteslästerungsparagraphen 166 StGB abgelehnt.
"Angesichts der Dominanz von CDU/CSU-Vertretern im Petitionsausschuss haben wir mit diesem Ergebnis gerechnet", sagte Schmidt-Salomon. "Dennoch verblüfft die realitätsfremde Argumentation, die in der Begründung zum Ausdruck kommt. Die politisch Verantwortlichen scheinen es völlig zu ignorieren, dass dieser reaktionäre Paragraph religiöse Fundamentalisten zusätzlich motiviert, kritische Künstlerinnen und Künstler zu bedrohen."
Schmidt-Salomon hatte die Petition einen Tag nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eingereicht. In der Begründung der Petition hieß es, der Paragraph habe in der Praxis "zu einer völligen Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses geführt, in deren Folge namhafte Künstler wie Kurt Tucholsky oder George Grosz gemaßregelt wurden". Dabei sei der öffentliche Friede niemals durch kritische Kunst bedroht worden, "sondern durch religiöse oder politische Fanatiker, die nicht in der Lage waren, die künstlerische Infragestellung ihrer Weltanschauung rational zu verarbeiten."
"Mit der Streichung von § 166 StGB", argumentierte die Petition, "käme der deutsche Staat auch einer wichtigen Forderung des UN-Menschenrechtskomitees nach", das erklärt hatte, dass "Verbote von Darstellungen mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen" mit dem "Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte" inkompatibel seien. Nicht zuletzt wäre die Abschaffung des "mittelalterlichen Diktaturparagraphen" (Kurt Tucholsky) auch eine "angemessene rechtsstaatliche Reaktion auf die Einschüchterungsversuche militanter Islamisten"- Denn mit einer ersatzlosen Streichung von § 166 StGB würde der Gesetzgeber "unmissverständlich klarstellen, dass der Freiheit der Kunst in einer modernen offenen Gesellschaft höheres Gewicht beizumessen ist als den 'verletzten Gefühlen' religiöser Fundamentalisten."
In der nun erfolgten Ablehnung der Petition, die mit über 11.000 Mitzeichnern größere Unterstützung gefunden hatte als 98 Prozent aller bisherigen Bundestagspetitionen, heißt es, dass § 166 StGB seit der Strafrechtsreform von 1969 "nicht mehr Religion und Weltanschauung als solche" und auch nicht mehr das "religiöse Gefühl" schütze, sondern den "öffentlichen Frieden". Daher sei die entsprechende Erklärung des Menschenrechtsausschusses "hier nicht einschlägig", weshalb der Petitionsausschuss das Anliegen nicht unterstützen könne.
Ermunterung zum Gebrauch des Faustrechts
Schmidt-Salomon erklärte dazu, dass offenkundig weder der Petitionsausschuss noch die Bundesregierung, die im Rahmen des Verfahrens ihre Haltung zu der Eingabe darlegte, das eigentliche Problem erkannt habe. "Es stimmt zwar, dass §166 die bloße Kritik oder Beschimpfung einer Religion nicht mehr unter Strafe stellt, sondern nur solche Formen der Kritik, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden", sagte der Philosoph. "Paradoxerweise aber führt gerade dieser Schutz des öffentlichen Friedens zu einer Gefährdung des öffentlichen Friedens! Von seinem Wortlaut her stachelt § 166 die Gläubigen nämlich zusätzlich dazu an, militant gegen satirische Kunst vorzugehen. Denn nur so können sie belegen, dass durch die vorgebliche Verletzung ihrer religiösen Gefühle der öffentliche Friede gefährdet ist."
"Unfreiwillig", so Schmidt-Salomon, "wurde diese Auffassung von niemand anderem als Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XI., bestätigt, der zu § 166 StGB feststellte: 'Wenn die Rechtsprechung die Eignung zur Friedensstörung mit fehlenden Krawallen begründet, gibt sie indirekt eine Aufforderung zur gewaltsamen Drohung der eigenen Überzeugung und damit zum Faustrecht.' Ratzinger plädierte damals dafür, § 166 StGB zu verschärfen und schon die bloße 'Beschimpfung' einer Religion oder Weltanschauung unter Strafe zu stellen, was aber die Prinzipien einer offenen Gesellschaft aushöhlen würde, in der jeder Einzelne das Recht hat, seine Meinung frei zu artikulieren."
Debatte über Kunst- und Meinungsfreiheit angestoßen
Da er ohnehin nicht damit gerechnet habe, dass die Petition zu einer Streichung des §166 StGB führen werde, zeigte sich Schmidt-Salomon von der Reaktion des Petitionsausschusses nicht enttäuscht. Ihm und der Giordano-Bruno-Stiftung sei es bei der Kampagne in erster Linie darum gegangen, eine neue Debatte über Kunst- und Meinungsfreiheit anzustoßen – und dies habe auch erstaunlich gut funktioniert: "Anders als etwa beim Karikaturenstreit, als konservative Politiker vorpreschten, um eine Verschärfung des §166 StGB zu fordern, waren wir dieses Mal nicht in der Defensive, sondern konnten die Debatte von Beginn an in eine liberalere Richtung lenken. In den Medien, die unsere Pressemitteilung schnell aufgegriffen haben, überwogen dann auch erfreulicherweise Kommentare, die für eine Abschaffung des alten Zensurparagraphen eintraten, trotz der ablehnenden Haltung der Regierungskoalition."
Schmidt-Salomon hob hervor, dass im Zuge der Debatte auch Thomas Fischer, der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die ersatzlose Streichung von § 166 StGB gefordert habe: "Dass mit Thomas Fischer einer der führenden deutschen Juristen den Paragraphen als 'überflüssig und rückständig' bewertet, zeigt, dass sich die Verhältnisse deutlich verändern. Irgendwann, da bin ich mir sicher, werden es auch unsere Politiker mehrheitlich begreifen, dass ein Paragraph, der die Kunst- und Meinungsfreiheit einschränkt und religiöse Fanatiker motiviert, zum Faustrecht zu greifen, in einem modernen Rechtsstaat nichts zu suchen hat."
Das Video zum Thema:
Die Heute-Show vom 23.1.2015 beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema und forderte (mit ähnlichen Argumenten wie die gbs, aber natürlich mit den Mitteln der Satire) die Abschaffung des "Blasphemieparagraphen":
5 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Danke an Michael Schmidt-Salomon für seine Initiative. Auch ich bin weder enttäuscht noch überrascht. Vor allem nicht von der intellektuellen Leistung, die die Ablehnungsbegründung kennzeichnet.
Geschütztes Rechtsgut ist doch offensichtlich nicht der öffentliche Friede, sondern die Möglichkeit, diesen zu stören.
Na gut. Wie wäre es denn jetzt damit, alle Salafistenprediger, die die Religion der "Ungläubigen" aufs Übelste beschimpfen und damit ständig für Unruhe und Aufruhr sorgen, in den Rechtsrahmen des 166 StGB zu nehmen und von Amts wegen zu verfolgen? Oder soll das alles nur für diejenigen gelten, die außerhalb jeder Religion stehen und von dieser Position aus Religion "beschimpfen"?
Jetzt bin ich mal gespannt, wie es mit der Bochumer Initiative weitergeht, die Feiertagsgesetzgebung vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen.
annen nerede am Permanenter Link
und jetzt?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ironiebutton ein: Man darf ja auch kein NPD-Verbotsverfahren einleiten, weil das Rechtsradikale dazu verleiten könnte, mittels Demonstrationen den Rechtsfrieden zu stören.
Also: nur die Schwachen darf man reizen. Bei starken Lobbygruppen - gerade bei den barmherzig-religiösen -, ist immer damit zu rechnen, dass sie völlig ausrasten und ihre ganze Frömmigkeit verlieren. Dabei sollten wir noch froh sein: Früher war der Rechtsfrieden schon gestört, wenn man nicht in die Kirche ging. Heute ist das wohl nur noch der Fall, wenn man kritisch über Religion berichtet. Das ist doch schon ein Vorteil.
Ironiebutton aus: Wer mag noch zweifeln, dass die religiösen Lobbygruppen alles daran setzen, dass niemals herauskommen möge, dass ihr Konstrukt auf einer Lüge basiert? Also: Ärmel hoch und aufklären! Sollen die Kleriker jeder Couleur ausrasten und dreschflegelschwingend durch unsere Lande ziehen. Sollen sie ihre hässlichen Fratze zeigen, die Fratze, der der Hass auf Meinungsfreiheit und Pluralismus anzusehen ist.
Wolfgang am Permanenter Link
Es gibt keinen Gotteslästerungparagraphen, denn ein Gott dazu fehlt. Und im übrigen, was für ein schwacher Gott, der durch einen Gotteslästerungsparagraphen geschützt werden muss, von Sündern!
Thomas Heinz am Permanenter Link
Nicht mit Verwunderung, sondern vielmehr mit Vorsehung, habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Petition der Giordano-Bruno-Stiftung zur Abschaffung des § 166 StGB keine Mehrheit gefunden hat, ja habe finden können.
Die Frage nach der intellektuellen Überzeugung dieser Entscheidung oder ob es eine rein religiöse Entscheidung ist, vermag der hohe Anteil der Bundestagsabgeordneten erklären, die entweder katholisch oder evangelisch sind, nämlich mit einem Anteil von rund 65%. Der Rest der „Unwilligen“ wird halt über den Fraktionszwang einverleibt.
Diese Zugehörigkeiten, mit den entsprechenden Mehrheitsverhältnissen haben, jedenfalls nach meiner persönlichen Überzeugung dazu geführt, wie bereits in der Vergangenheit auch, dass ein rechtliches Schutzbedürfnis der ganz besonderen Art für die beiden Kirchen in Deutschland, auch unter lobbyistischen Gesichtspunkten, zu einer Aufrechterhaltung der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten im Sinne des § 166 StGB geführt hat.
In diesem Zusammenhang vermag ich nicht feststellen, wie der Abgeordneeten an einen Gott glauben, wie er von den beiden Großkirchen in Deutschland favorisiert wird. Aber, dass darf keinesfalls übersehen werden, geht es um die Gesamtbevölkerung und eben nicht nur um die Volksvertreter, die aber wiederum „alle Fäden“ in der Hand halten. Schaut man über viele Jahre hinweg nach Bayern und insbesondere einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen der CSU, so können wir sehr deutlich erkennen, welche Einstellung diese Volksvertreter zu religiös motivierten, rechtlichen Sanktionen haben. Es geht beim § 166 eben nicht um den personalifizierten Gott, sondern nur um den Schutz der Kirchen.
Bereits im Preußischen Strafgesetzbuch von 1851, also vor 164 Jahren, wurde im § 135 die Verspottung der christlichen Kirchen sanktioniert. Nicht den anerkannten christlichen Kirchen zugehörige Gemeinschaften waren davon ausgeschlossen.
Ein im Jahre 1871 in das Strafgesetz aufgenommene Rechtsnorm, die dann im Jahre 1969 ergänzt wurde um die Geeignetheit „den öffentlichen Frieden zu stören“, gilt noch heute, sage und schreibe 144 Jahre später. Und noch schlimmer, es gibt tatsächlich Politiker aus Bayern, die den vorgenannten Zusatz streichen möchten, um eine Verschärfung des Strafmaßes zu erreichen. Der ehemalige Vorsitzende der katholischen Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, hat sich in dieser Funktion, aber auch als späterer Papst vehement für die Verschärfung der Rechtsnorm eingesetzt.
Es ist im Grunde genommen unvorstellbar für unsere Zeit, dass eine Religion, die sich auf Gott beruft, der nach Auffassung der kath. und evang. Kirche allmächtig, allwissend und allweise ist, und in der Lage sein soll, alles zu lenken und regeln, einen sogenannten „Gotteslästerungs-Paragraphen“ überhaupt braucht, um seine Ideen und Vorstellungen etablieren zu können und sein „Ebenbilde“ zu lenken.
Wenn denn das Alte und Neue Testament das „Wort Gottes“ sind, so stellt sich die Frage, warum sollte der Menschen eingreifen, durch strafrechtliche Normen, in den Willen, in das Lenken und Handeln Gottes?
Wir könnten es auch so formulieren: Wenn doch alle schriftlich verfassten Darlegungen, sowohl im Alten als auch Neuen Testament tatsächlich als faktisch angenommen werden können, wäre doch ein § 166 StGB von vorne herein überflüssig, weil eben dieser Gott davor sorgen könnte, dass die in dieser Rechtsnorm als sanktionswürdig beschriebenen Inhalte niemals eintreten würden. Es bedürfe keiner Rechtsnorm.
Also, erscheint der „Glaube“ an die Nachhaltigkeit des „Wort Gottes“ auch für die heutigen Volksvertreter nicht tatsächlich so tiefgehend zu sein, dass es eben ohne über das „Wort Gottes“ hinausgehende Sanktionsmechanismen bedarf. Demzufolge stellt sich der Mensch in Form des Volksvertreters über das „Wort Gottes“ indem er weiter religiös motivierte Regelungen schaffen muss. Und dies seit 164 Jahren bzw. 144 Jahren ist fast unveränderter Form.
Das bedeutet nichts anderes, dass wir noch heute fortgesetzt in der strafrechtlich motivierten Systematik des Jahres 1871 leben. Oder anders formuliert: die Volksvertreter teilen noch immer die Auffassung des Reichsstrafgesetzbuches des Deutschen Reichs.
Daraus lassen sich elementare Gesichtspunkte ableiten:
Einerseits ist immer noch die Auffassung vorhanden, dass Religionen an sich, insbesondere der christliche Glauben, ein ganz besonderes rechtliches Schutzbedürfnis benötigt. Andererseits könnte auch die Meinung vertreten werden, dass die Kirchen in Deutschland noch immer eine sehr starke Eingriffsmacht haben.
Denn insbesondere daraus ließe sich durchaus der Sanktionsmechanismus nach § 166 StGB erklären, indem von vorne herein bereits mutmaßliche Störer des öffentlichen Friedens unter strafrechtlichen Druck geraten sollen und es sozusagen gar nicht erst versuchen, zu stören.
Wie inkonsequent müssen eigentlich derartige Schlussfolgerungen sein, so vehement auf der Beibehaltung des § 166 StGB zu bestehen, wenn doch der christliche Gott an und für sich schon eine Allmachtstellung hat, über die hinaus – nach christlichem Verständnis – absolut nichts höherrangiges vorhanden ist und vorhanden sein kann? Der religiöse motivierte Mensch greift aber durch weitere Normen ein.
So groß kann daraus folgend das Vertrauen in den personalisierten Gott des Christentums anscheinend nicht sein.
Die Meinungsfreiheit des Menschen ist ein hohes Gut, auf das wir in Deutschland sehr stolz sein dürfen. Nach Absatz 2 des Artikel 5 findet die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Subsummieren wir nun die Religiosität in die persönliche Ehre, dann betrifft jede Meinungsäußerung, die eine Person verletzt, den Individualbereich des Einzelnen und eben nicht eine Religionsgruppierung. Jeder Einzelne, der sich aufgrund von verletzenden Äußerungen eines Dritten verletzt fühlt, kann sich daraufhin rechtlich zu Wehr setzen. Es bedarf also danach überhaupt keiner besonderen Sanktionsnorm wie die des § 166 StGB.
Zudem sind nach Artikel 4 GG die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Nach Absatz 2 ist die ungestörte Religionsausübung gewährleistet.
Es dürfte unbestritten sein, dass die freie Meinungsäußerung eines Jeden, auch in Bezug auf die Religionen, zu gewährleisten ist. Ebenso muss die freie Ausübung der Religionen möglich sein.
Gerade ist auch zu bedenken, dass religiöse Gefühle oftmals sehr dünnhäutig sein können. Das Leben in Deutschland ist geprägt von der freien Entfaltung, der freien Meinungsäußerung und der Achtung der Menschenwürde. Damit verbunden gibt es keinen Bezug auf die religiösen Menschen, sondern alle Menschen sind darunter zu subsumieren. Denn die Religionsfreiheit gestattet es jedem Menschen selbst darüber zu entscheiden, ob er sich einer Kirche anschließt oder eben nicht.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang ganz sicher, dass wir in Deutschland, Europa und der Welt friedlich zusammen leben, fair miteinander umgehen, die Rechtsordnung der Menschenwürde entspricht. Und zwar unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion.
Warum aber, wird der Religion im Strafrecht ein ganz besonderer Stellenwert eingeräumt? Es geht im § 166 StGB nicht um den Menschen, sondern um die Religion, konkret um religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse. Es drängt sich hierbei die Vermutung auf, dass es tatsächlich nicht um den Einzelnen geht, sondern um die Kirchen, um Religionsgemeinschaften als solche. In der Tat geht es um das Schutzbedürfnis der Kirchen. Denn nur so lässt es sich erklären, dass über die Grundrechtsnormen hinaus, weitere Sanktionen etabliert worden sind (bereits 1871!!!), die die Kirchen von tiefgreifender Kritik fernhalten sollen. Es geht also auch nicht um Gott. Nein, es geht darum, dass die Kirchen in Deutschland mit strafrechtlicher Sanktionsmöglichkeit ein ganz besonderer Stellenwert eingeräumt wird in unserer Gesellschaft.
Denn, welche Beschimpfungen sollten bitte schön geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören? Denn dies ist ja die Voraussetzung dafür, dass eine Sanktionierung nach § 166 überhaupt erst einmal greifen kann. Es geht doch eindeutig bei der Störung darum, dass die staatliche Ordnung gestört wird, die Rechtsgüter der Bürger nicht mehr sicher sind, aber auch das Gefühl der Bürger, dass solche Umstände gegeben sein könnten.
Auch darum geht es im Kern des § 166 nicht. Vielmehr sollen die Kirchen auch hier geschützt werden.
Wenn wir daraus rational einen rechtlich völlig korrekten Schluss ziehen würden, dass wäre die Beschimpfung von Religionen bezogen nichts anderes, als eine Üble Nachrede gemäß § 186 StGB oder gar Volksverhetzung gemäß § 130 StGB.
§ 130
Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
§ 186
Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Im Grunde genommen dürfte eigentlich auch den Abgeordneten des Deutschen Bundestages einleuchten, dass der § 166 StGB völlig überflüssig, sinnlos und nutzlos ist. Es sei, dass die Menschen, die einer der beiden Großkirchen angehören, als besonders privilegiert gelten sollen und müssen. Oder, was am ehesten der Fall sein wird, der Schutz der Kirchen in Deutschland vor besonderer Kritik.
Im Kern geht es also überhaupt nicht darum, dass der Mensch geschützt werden soll, nein, es geht ausschließlich um alleine darum, dass die Kirchen einen ganz besonderen Schutz erhalten.
Und das auch noch mit einem Gesetz aus dem Jahre 1871! Wir leben leider schon 144 Jahre später, ob das jemand überhaupt gemerkt hat?
Es ist anzuregen, dass so viele wie nur irgendwie möglich ihre Bundestagsabgeordneten schriftlich über ihre Auffassung zur Ablehnung der Petition kontaktieren. Es kann schwierig und langwierig werden, aber aufgeben zählt nicht. Also Leute, ran an den PC und schreibt.
Ich habe heute drei MdB’s angeschrieben und meine Meinung dazu mitgeteilt.