Österreichische Atheistengruppe will Anerkennung als Religionsgemeinschaft

Atheismus als Religion?

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Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) wurde 2007 von Wilfried Apfalter gegründet und sammelt seither Unterschriften, um als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt zu werden und somit mittelfristig eine rechtliche Gleichbehandlung mit der römisch-katholischen Kirche zu erreichen.

Voraussetzung für eine Einreichung beim Kultusamt sind Unterschriften von mindestens 300 Personen, die sich zu dieser "Religion" bekennen. Da die ARG nun mittlerweile über 320 Unterschriften gesammelt hat, erfolgte im Dezember die Einreichung beim Kultusamt. In weiterer Folge wird der Status einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft angestrebt. Damit hätte die ARG neben steuerlichen Vorteilen etwa auch das Recht, einen atheistischen Religionsunterricht abzuhalten.

Was ist der Hintergrund dieser Initiative?

In Österreich genießen Religionsgemeinschaften einen Sonderstatus. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Alpenrepublik kein Gesetz, welches Weltanschauungsgemeinschaften und Religionsgemeinschaften gleichstellt. In der ARG hofft man nun darauf, dass das Kultusamt den Religionsbegriff so weit fasst, dass auch die Atheistische Religionsgemeinschaft als Bekenntnisgemeinschaft gesehen wird. Der für Bekenntnisgemeinschaften erforderliche Bezug zum Übernatürlichen wird durch folgende "Religionslehre" hergestellt:

"Wir, die Mitglieder der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich, bekennen uns beim Versuch, die Gestaltung der Welt und unsere Stellung als Menschen in ihr zu erklären, in religiöser Selbstbestimmung als Atheistinnen beziehungsweise Atheisten und wir glauben, dass nicht Gottheiten uns Menschen erschaffen haben, sondern dass jeweils Menschen ihre Gottheiten erschaffen."

Zusätzlich zu einer Religionslehre muss auch eine religiöse Praxis nachgewiesen werden. Zu diesem Punkt gibt es bereits eine konkrete Nachfrage des Kultusamtes.

Kritik von anderen säkularen Verbänden

Der Großteil der säkularen Verbände und Atheisten in Österreich steht diesem Ansatz kritisch gegenüber. Auf der einen Seite versuchen die Atheisten sich seit jeher klar von der Religion zu distanzieren, die Vorgangsweise der ARG wird daher als kontraproduktiv empfunden. Auf der anderen Seite definiert sich die ARG als die größte atheistische Organisation in Österreich. Im Unterschied zum Humanistischen Verband Österreichs (HVÖ), dessen Mitgliedschaft kostenpflichtig ist, beschränkt sich Mitgliedschaft in der ARG auf eine reine Unterschrift. Der HVÖ hat eine konsolidierte Mitgliederkartei, die säumig zahlende Vereinsangehörige sowie Sympathisanten, welche lediglich die Vereinszeitschrift oder den Newsletter abonniert haben, nicht als Mitglieder definiert. Bei Einbeziehung der Sympathisanten, ehemaligen Mitgliedern und Facebook-Gruppenmitgliedern, die bei Kostenlosigkeit der Mitgliedschaft unterschreiben würden, wäre die Mitgliedschaft wesentlich höher als bei der ARG. Die Behauptung der ARG, die mitgliederstärkste atheistische Gruppierung zu sein, erscheint daher wegen mangelnder Vergleichbarkeit problematisch.

Dementsprechend kritisch äußert sich auch Dr. Gerhard Engelmayer, der Präsident des HVÖ: "Wir erachten die Atheistische Religionsgemeinschaft ARG eher als absonderliche Blüte eines überholten österreichischen Gesetzes. Es schreibt dem Staat das Recht zu, Religionen vor anderen, weltlichen Bekenntnisgemeinschaften zu bevorzugen, was unserer Meinung nach klar verfassungswidrig ist."

Gläserne Wände

Bei aller Kritik am Ansatz der ARG soll hier aber auch unmissverständlich festgehalten werden, dass dieser Organisation kein Vorwurf zu machen ist. Jedem, der diesen Ansatz kritisiert, muss nämlich klar sein, dass dieser eine geradezu logische Reaktion auf gesetzliche Regelungen und Privilegien darstellt, die mit der heutigen gesellschaftlichen Realität nicht kompatibel sind. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Antrag dazu führt, dass die bestehende rechtliche Lage eine juristische Überprüfung erfährt. Eine rechtliche Situation, in welcher sich sogar die dezidiert Areligiösen mit dem Mut der Verzweiflung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft darstellen müssen und sich zu einem derartigen Kniefall vor der religionsbeflissenen Regierung bemüßigt fühlen, hat ein offensichtliches Diskriminierungsproblem hinsichtlich der Behandlung säkularer Weltanschauungen. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) beklagt immer wieder die "Gläsernen Wände", sprich jene zahlreichen Diskriminierungen, mit welchen sich die säkularen Vereine in Deutschland täglich auseinandersetzen müssen. In der Alpenrepublik gibt es jede Menge Diskriminierung der Säkularen:

  1. Bekenntnisgemeinschaftsgesetz – es gibt nur religiöse Bekenntnisgemeinschaften!
  2. Ethikunterricht – Abgemeldete müssen Ersatzunterricht besuchen.
  3. Privatschulgesetz – konfessionelle Schulen sind privilegiert.
  4. Auswirkungen des Konkordats – das Konkordat ist zu verstehen als Privileg, das heute keine Grundlage mehr hat.
  5. Steuer von Säkularen wird für die Förderung von Religionsgemeinschaften verwendet – Säkulare bekommen keine Förderung als Gemeinschaften und als Religionsgemeinschaften haben sie derzeit keine Chance zugelassen zu werden. (siehe Punkt 1.)

Daher haben in Österreich diese "Gläsernen Wände" teilweise schon die Dimension einer geschlossenen Anstalt.

Für den Fall, dass die ARG tatsächlich die Bewilligung des Kultusamtes erhalten sollte, behält sich der Humanistische Verband Österreichs (HVÖ) weitere rechtliche Schritte hinsichtlich der Anerkennung vor.

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