Das aktuelle Heft von Aufklärung und Kritik (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg (GKP), ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.
Aus gegebenem Anlass hat diese Ausgabe zu Beginn einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt: Prof. Dr. Hans Albert wird 100 Jahre alt. Zu diesem Jubiläum gratulieren zuerst der Vorstand der GKP und die Redaktion von AuK, ehe die ersten beiden Beiträge ausführliche Geburtstagsgrüße entbieten.
Prof. Dr. Volker Gadenne und Prof. Dr. Reiner Neck haben in ihrer Laudatio "Hans Albert zum 100. Geburtstag" den Fokus auf Hans Alberts Leistungen für den Kritischen Rationalismus gelegt. So arbeiten sie nach einem kurzen biographischen Abriss die Unterschiede zu Karl Popper heraus und stellen die Ansätze Alberts als Konkretisierungen oder Weiterentwicklungen Popper'scher Theorien dar, vor allem auch als deren Systematisierung. Den letzten Teil bilden persönliche Berichte, wie Hans Albert erlebt wurde und wie er wirkte in den Bereichen Universität, häusliche Gastfreundschaft und im Europäischen Forum Alpbach.
Unter dem Titel "Der Unbestechliche: Hans Albert zum 100. Geburtstag" arbeitet Prof. Dr. Harald Seubert an fünf Schwerpunkten die besondere Bedeutung Hans Alberts heraus. Ausgehend von den historischen Umständen, die Alberts Jugend und Studienzeit bestimmten, stellt Seubert zunächst dessen Zeitzeugenschaft für viele grundlegende Streitthemen des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. Anschließend beleuchtet er den philosophischen Rahmen, in dem sich Hans Albert bewegte, und dessen Fähigkeit des Entzauberns durch Religions- und Theologiekritik. Als zukunftsweisend sieht Seubert Alberts Kritik der praktischen Vernunft, die den Kritischen Rationalismus als Haltung zum Ergebnis habe und in eine Verantwortungsethik münde.
In seinem Aufsatz "Die Bedeutung der Philosophie K.R. Poppers für die Psychoanalyse" umreißt Alfred Rink die Wirkung des Diktums Poppers, dass die Psychoanalyse keine Wissenschaft sei, auf die Psychoanalyse. Nach einer genauen Darstellung der Wissenschaftstheorie Poppers zieht der Autor eine dreifache Folgerung für die Psychoanalyse, nämlich dass die Kritik nicht unberechtigt sei, dass die Psychoanalyse trotzdem ihre Existenzberechtigung habe und dass sie von Poppers Ansatz der evolutionären Erkenntnistheorie und seinen Überlegungen zum Leib-Seele-Problem Anregungen erhalten könne.
Mit Erkenntnistheorie im (natur-)wissenschaftsphilosophischen Zusammenhang setzt sich Roman Jordan in seinem Beitrag "Zur modernen Naturphilosophie bei Carl Friedrich von Weizäcker und Rupert Riedl" auseinander. Zunächst stellt der Autor die Ansätze des von der Physik herkommenden von Weizäcker und des von der Biologie ausgehenden Riedl jeweils in ihren Theorien vor, um dann als deren Gemeinsames anhand übereinstimmender Gesichtspunkte den wissenschaftlichen Humanismus herauszustellen.
Einen für diese Zeitschrift ungewöhnlichen Ausschnitt aus der Ethik als angewandte Philosophie stellt Dr. Christian E.W. Kremser in seinem Aufsatz "Von der institutionellen Einbettung einer tugendhaften Investmentberatung" vor. Da in der Folge der Finanzkrise 2007/2008 das Bild des Investmentbankers in Kultur und öffentlicher Meinung nicht-überraschenderweise ein völlig negatives wurde, entstand die Forderung nach einem Kulturwandel in der Branche, hin zu mehr "Tugendhaftigkeit". Wie diese aussehen könnte, legt der Autor am Beispiel des von ihm für vielversprechend gehaltenen Ansatzes von K.D. Wyma für die Sparte "Investmentberatung" dar.
Auch der nächste Autor, Dr. Detlef Thiel, bringt mit seinem Artikel "Sokratolog. Eine neue Methode im Ethik- und Philosophieunterricht?" eine spezielle Sichtweise auf die Philosophie mit ein, nämlich eine philosophie-didaktische. Er entwickelt hier eine Methode, die Mäeutik des Sokrates für den Philosophie- oder Ethikunterricht fruchtbar zu machen, auch im Hinblick auf eine interkulturelle Wertephilosophie.
In seinem Beitrag "Erinnerungen an das Zeitalter von John Locke", dessen erster Teil in diesem Heft erscheint, unternimmt Dr. Ludwig Coenen den Versuch, einen der Stammväter des Liberalismus und Empirismus im Zusammenhang mit seiner Zeit zu beleuchten. Dabei untersucht er die These, dass John Locke ein Brückenbauer sei zwischen christlichem und philosophischem Weltbild, der sowohl in der antiken als auch in der neuzeitlichen Philosophie zu Hause war.
Reinhard Fiedler macht es sich zur Aufgabe, in seinem Aufsatz "Pierre Bayle: Kritische Vernunft oder Kritik der Vernunft?" an einen zum Beispiel von Voltaire, Feuerbach oder Nietzsche hoch geschätzten Philosophen des 17. Jahrhunderts zu erinnern. Dabei setzt er sich mit dem Verhältnis von Vernunft, Glaube und Toleranz bei Bayle auseinander, ergänzt durch Gesichtspunkte zum Skeptizismus, und zeichnet so ein eindrucksvolles Bild des "Rätsels Bayle".
Auch Prof. Dr. Jürgen Daviter befasst sich in seinem Artikel "Humes Erkenntnistheorie: Die Entzauberung kausaler Gewissheiten" mit einem historischen Philosophen, dessen Erkenntnistheorie noch heute wirksam ist. Ausgehend von der genauen Darlegung des Problems der kausalen Erkennbarkeit der Welt stellt er erst Humes Theorie und Begründungen dar, um ihn dann gegen missverständliche Interpretationen zu verteidigen und eine Linie zu Poppers kritischem Rationalismus zu entwickeln.
Einen ganz anders gearteten Fall von Überlieferung behandelt Jörn Sack in seinem auf einem Vortrag bei der GKP beruhenden Beitrag "Max Stirner – der sonderbarste der deutschen Philosophen, wohl gar ein 'Philosophe Maudit'?". Er ordnet diesen "verstoßenen Philosophen" in das philosophisch so fruchtbare 19. Jahrhundert ein und zeigt ihn als Extremisten des Individualismus und Subjektivismus, aus dessen Aussagen sich aber genau deswegen durchaus Fragen an unsere Gegenwart herauslesen ließen.
Im FORUM stellt Dr. Jutta Georg in "Der unbehauste Mensch: Camus, Sartre und Nietzsche" hauptsächlich Camus' Konzept der Revolte als Überwindung des "Hiatus zwischen Ich und Welt" vor und setzt es in Beziehung zu den Lösungsvorschlägen von Nietzsche und Sartre. In "Animismus und Magie – ungetilgte Hypotheken der Kulturgeschichte" untersucht Prof. Dr. Hartmut Heuermann, ob und wie die überlieferten Frühformen der Welterklärung heute noch in Gesellschaft und Kultur eine Rolle spielen. In "Fluchten ins Autoritäre im Lichte aktueller Entwicklungen. Teil 2" belegt Dr. Bruno Heidlberger ausführlich und gründlich die These, dass Verschwörungsideologien die Gegenbewegung der Modernisierung seien und weist dies an Beispielen wie Esoterik, Anthroposophie oder QAnon nach.
Prof. Dr. Theodor Ebert berichtet in seinem Artikel "Der Kampf gegen die bayerischen Konkordatslehrstühle" von einer erfolgreichen Beendigung einer Privilegierung der katholischen Kirche an bayerischen Universitäten. Wolfgang Teune setzt sich in seinem Text "Wunschvorstellung oder Realitätssinn? Kommentar zu Reheis in AuK 4/2020" mit eben diesem Beitrag auseinander. Über den Tellerrand zu blicken, was Geografie und Autoren betrifft, hilft uns Prof. Dr. David Pickus in seiner essayistischen Rezension "Wenn man intensiv lebt: Über Stanley Corngolds Walter Kaufmann: Philosoph, Humanist, Ketzer". Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt bespricht in seinem Beitrag "Strittige Unzeitgemäßheit? Nietzsche, David Friedrich Strauß, der Bekenner und Schriftsteller" den neuesten Band des Nietzsche-Kommentars. Einen (bei uns) nicht so bekannten Philosophen stellt Dr. Hermann T. Krobath in seinem Text "Über Widersprüchliches in der Wertphilosophie Franz Brentanos und seiner Interpreten" unter speziellen Gesichtspunkten vor.
Diese Ausgabe wird traditionsgemäß von einer Reihe interessanter und ein breites Themenspektrum umfassender Buchbesprechungen abgeschlossen, aber auch mit einem neuen Angebot, nämlich dem Hinweis auf philosophische Podcasts.
Im Namen der gesamten Redaktion wünsche ich Ihnen viele Anregungen durch diese Ausgabe.
Ulrike Ackermann-Hajek
Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12 Euro zuzüglich 2,50 Euro Verpackung und Porto).
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