Aufklärung und Kritik 1/2022 erschienen

Das aktuelle Heft von Aufklärung und Kritik (A&K), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg (GKP), ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zur Verfügung gestellt.

Das aktuelle Heft beginnt mit dem Artikel von Prof. Dr. Ingo Pies unter dem Titel "Kapitalismus(kritik) auf dem Prüfstand", der darin beides unter die Lupe nimmt, den Kapitalismus und die Kritik daran. Er möchte als Wirtschaftsethiker Hinweise zu einer differenzierteren Betrachtung und Beurteilung unseres gesellschaftlichen Grundmusters geben, indem er dessen Verdienste sowie dessen Verwobenheit mit Politik und gesellschaftlichem Diskurs darstellt. Des weiteren beleuchtet er dessen Funktionsweise und Chancen im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft, sowohl was unsere Lebensweise, als auch was unsere moralischen Ansprüche betrifft.

Eine unerwünschte, aber befürchtete Aktualität gewann in den letzten Tagen der Artikel von Dr. Pascal Weitmann "Der Charakter von Macht jenseits von Recht. Der Melier-Dialog im Geschichtswerk des Thukydides". In diesem sieht er die besonderen Bedingungen von Macht und deren Ausübung oder Begrenzung in internationalen Beziehungen exemplarisch dargestellt. Wie schon an diesem antiken Beispiel zu sehen, erweisen sich Friedenssicherung und Diplomatie als dauerhafte Aufgaben, die illusionslos und aufgeklärt angegangen werden sollten.

Prof. Dr. Jürgen Daviter setzt sich in seinem Aufsatz "Zur Philosophie des politischen Liberalismus" mit Aufsätzen von Marietta Auer und Christoph Menke auseinander, die darin vernichtende Kritik an diesem und dem darauf basierenden Staat üben, und fatale Folgen für denselben prognostizieren. Anhand historischer Quellen und vor allem anhand genauer Analyse des von den Autoren als Zeugen aufgerufenen Hobbes weist Prof. Dr. Daviter Fehler in deren Deutung nach. Er zeigt die Aufgaben und Möglichkeiten des Staates, des freien Marktes und der gesellschaftlichen Einrichtungen von ihren Bestimmungen her auf, weist auf mögliche Fehlentwicklungen hin und untersucht, ob und inwieweit diese der Theorie des politischen Liberalismus geschuldet sind.

Eine kritische Nachbetrachtung zu dem Artikel von Prof. Dr. Daviter über die Konsenstheorie in A&K 3/2021 leistet Prof. Dr. Dr. Reinhard Hesse mit seinem Beitrag "Die Wahrheit des Falsifikationismus und das Gemeinsame von Popper und Apel".

Im Zuge einer Auseinandersetzung mit der 2019 erschienen Hegel-Biographie von Klaus Vieweg unternimmt es Prof. Dr. Hubert Kiesewetter in "Hegel. Ein Philosoph des Machtstaats. Freie Gedanken zur Vieweg'schen Legende. Teil 1", die Vieweg'sche These, dass Hegel der Philosoph der Freiheit sei, zu widerlegen. Dabei verweist er auf die ununterbrochene Bedeutung Hegels in all den höchst unterschiedlich verfassten deutschen Staatsformen seit 1820 und belegt mit vielen Zitaten, dass dieses Denken der Freiheit höchst unfreie praktisch-politische Konsequenzen habe.

Während in der akademischen Tradition Schopenhauers Dissertationsschrift meist als Grundlegung seiner Willensmetaphysik eingeordnet wird, arbeitet Dr. Jan Kerkmann in seinem Aufsatz "Die Unabweisbarkeit des Grundes. Metaphysikkritische Aspekte in Schopenhauers Dissertation" diese Aspekte heraus. Dies geschieht an ausgewählten Beispielen, wie zum Beispiel dem Nachweis der Immanenz des menschlichen Erkenntnisvermögens, der Bedingtheit des Kausalitätsprinzips oder der Widerlegung verschiedener Gottesbeweise, ehe schließlich noch die neue Ausrichtung des Metaphysikbegriffs bei Schopenhauer dargelegt wird.

Dr. Matthias Mindach bezieht sich in seinem Beitrag "Das Skandalon des frühen Atheismus: die Urzeugung als Ursünde" auf das umfangreiche Werk Winfried Schröders, das er als gründlich recherchiert und unverzichtbar für die Erforschung der geheimen Überlieferungen des frühen Atheismus lobt, aber gegen das er auch wichtige Einwände geltend macht. So kritisiert er hier die Darstellung und Beurteilung Bayles oder d'Holbachs durch Schröder und ergänzt sie.

In seinem Artikel "Der starke Theismus und der moderne Determinismus" setzt sich Prof. Dr. Anton Grabner-Haider mit der Vorstellung der Willensfreiheit auseinander. In einem kurzen historischen Abriss geht er der Entstehung der Zuschreibung eines freien Willens an den Menschen nach, bis hin zur Vorstellung des autonomen Menschen, beleuchtet dann die jeweiligen Folgerungen für das gesellschaftliche Zusammenleben und hat auch die hinter der KI stehenden Philosophien noch im Blick.

In seinem Aufsatz "Thomas Morus und die Sterbehilfe: Bekenntnis oder Satire?" stellt Ludwig A. Minelli eines der wenigen literarischen Zeugnisse, die sich zu Beginn der Neuzeit mit diesem Thema befassten, schwerpunktmäßig vor. So erläutert er nach einer kurzen Darstellung der Entstehungsgeschichte und der Gliederung des Buches die Kapitel genauer, die sich auf den Umgang mit Kranken und Moribunden beziehen. Sein besonderes Interesse gilt dabei dem Problem, dass diese Aussagen eines Heiligen, Thomas Morus, den Lehren der römisch-katholischen Kirche und deren Umgang damit widersprechen.

Eine weitere wichtige Persönlichkeit aus der Philosophiehistorie hat Dr. Ludwig Coenen in "Moses Mendelssohn und die Berliner Mittwochs-Gesellschaft über die Frage: was heißt aufklären?" im Blick. Er stellt eine Studie von Else Walravens zu diesem Thema vor und informiert damit den Leser über die Berliner Mittwochs-Gesellschaft, über die Entwicklungen der Aufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts, über die philosophische und gesellschaftliche Stellung von Moses Mendelssohn, dessen Haltung zu Kant und dessen Bedeutung für die Emanzipation der Juden in Preußen.

Das FORUM beginnt mit Reflexionen über die Textauswahl bei A&K von Ulrike Ackermann-Hajek. In seinem Beitrag "Toleranz: Leerformel oder Friedensstifter?" zeigt Prof. Dr. Hartmut Heuermann viele Facetten des Gegensatzpaares Toleranz und Intoleranz auf und Aufklärung als den einzigen, aber mühevollen Weg, Toleranz zu erreichen. Ausgehend von den Beschränkungen, denen die menschliche Existenz ausgesetzt ist, untersucht Dr. Peter J. Preusse in "Moral und Ethik als Herkunft und Zukunft" die conditio humana, um die Bedingungen für Veränderungen auf Erden auszuloten. Um die Ermöglichung positiver Veränderungen geht es auch in "Teilbare Menschenrechte? Versuch einer realistischen Menschenrechtsbegründung" von Klaus Goergen, der bei der Einforderung derselben für eine Orientierung am Menschenwohl argumentiert. Auf Ungereimtheiten innerhalb der liberal-demokratischen Gesellschaftsordnung und daraus resultierende Gefährdungen für den Einzelnen und die Gesellschaft weist Denis Bobanović in seinem Aufsatz "Der Traum vom 'homosexuellen Türken': Fehlzündungen liberaler Ideologie" hin. Mängel in der Gesetzgebung zeigt Dr. Michael Murauer in seinem Aufsatz "Strafbare Kindstötung: der BGH und die fragwürdig gewordene Geburtsgrenze" auf, anhand eines Konfliktes zwischen moralisch-verantwortungsbewussten ärztlichen Abwägungen und der bestehenden Rechtslage.

Die folgenden Artikel haben einen philosophiehistorischen Schwerpunkt, was ihrer Bedeutung für die Gegenwart aber keinen Abbruch tut. So stellt Jörn Sack in seinem Aufsatz "Walther Rathenau: 'Von kommenden Dingen'" dieses Werk und seinen Autor vor, einen vielseitig begabten und engagierten freien Geist, der in einem ersten Zwischenziel eine gerechte Wirtschaftsordnung anstrebte, damit sich dann die kreativen, seelischen Kräfte des Einzelnen wie der Menschheit entfalten könnten. Martin Burger bringt uns in seinem Beitrag "'Da nahet der Gesangverein'. Nietzsches Tragödienschrift im Spiegel eines ambivalenten Jüngers" das Denken und Wirken Heinrich Köselitz' alias Peter Gast näher. Wie eine bei den alten Griechen entstandene rhetorische Technik ihren Einfluss und ihre Wirksamkeit sich bis in unsere Zeit erhalten hat, das untersucht Dr. Claudia Simone Dorchain in ihrem Artikel "Sophistik als rhetorische Technik von Platon bis Chomsky". Den Abschluss bildet Ulrike Ackermann-Hajeks Bericht über das Russell-Symposium, das nach seiner Verschiebung 2020 endlich am 6. November 2021 stattfinden konnte.

Eine ganze Reihe interessanter Rezensionen, die ein breites Spektrum philosophischer Fragestellungen ansprechen, sowie die Vorstellung eines Podcasts, Leserbriefe und Aphorismen schließen diesen Band ab.

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