Aufklärung und Kritik 3/2019 erschienen

Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik" (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

Die informativen und thematisch breit gefächerten Artikel unserer Juli-Ausgabe setzen sich zum Großteil mit Klassikern der Philosophie auseinander, sei es um diese neu zu beleuchten, sei es um neue Fragen mit deren Hilfe zu beantworten. Um einen Vorgeschmack darauf zu geben und die Auswahl zu erleichtern, möchte ich im Folgenden kurz die jeweiligen Schwerpunkte vorstellen.

Der erste Artikel von Dr. Jitka Paitlová über "Das Wertfreiheitsproblem und die Holzwege des Positivismusstreits" fügt sich nahtlos in das Popper-Gedenkjahr ein. Ausgehend vom Hume’schen Sein-Sollen-Problem stellt die Autorin die beiden Phasen und beteiligten Hauptkontrahenten des Positivismusstreits dar und erläutert, inwiefern der 50 Jahre alte "Traktat über die kritische Vernunft" von Hans Albert ihr als sinnvoller Ausweg aus diesem Streit erscheint.

Anschließend befasst sich Dr. Hermann T. Krobath unter dem Titel "Selbstachtung" mit diesem Begriff unter philosophischen Gesichtspunkten, bezieht aber psychologische Aspekte durchaus mit ein. Nach Klärung der historischen Quellen und einer fundierten Rückführung auf Kant kommt er zu den modernen Auslegungen des Begriffs, bis hin zu dessen sozialen und politischen Dimensionen, um deren Bedeutung letztlich wieder mit Kant zu belegen.

Einen weiteren Beleg für die ungebrochene Aktualität Kants in der gegenwärtigen philosophischen Diskussion erbringt Prof. Dr. Johannes Fritsche mit seinem Aufsatz "Die Unhintergehbarkeit der Kantischen Urteilstafel. Ein Beitrag zur Dreyfus-McDowell-Debatte mit Rücksicht auf Adorno, Benjamin und Heidegger". Er untersucht, inwieweit Denken etwas mit "coping skills" (Handlungskompetenzen) zu tun hat; anhand von Thesen oder Beispielen von Philosophen – von Platon, Thomas von Aquin, Heidegger, Kant bis hin zu Searle – wird gezeigt, inwieweit begriffliches Denken an der Ausführung alltäglicher Tätigkeiten beteiligt ist, bzw. dafür konstitutiv ist. Da solche Handlungen immer in einem sozialen Raum stattfinden, rücken Sprache und Umweltreaktionen ins Blickfeld, was man schon in Kants Urteilstafel finde.

Ein Thema der systematischen Philosophie behandelt Christian E.W. Kremser mit "Aristoteles’ Korrespondenztheorie und wahre Negationen" – also in etwa die Frage: Kann man beweisen, dass etwas Nichtseiendes nicht existiert? Und kann man die Antwort schon bei Aristoteles finden oder mit Hilfe seiner Wahrheitstheorie? Der Autor entwickelt dazu Lösungsansätze.

Mit einem weiteren Gründungsvater der Philosophie und seinen nachgelassenen Werken beschäftigt sich Dr. Detlef Thiel in seinem Aufsatz "Die Ungeschriebene Lehre Platons – Eine Riesenschlacht?!" Wie er einleitend erläutert, habe ab 1959 die "Tübinger Schule" diese zweite Lehre Platons, eine Prinzipienlehre neben der Ideenlehre, erforscht und in den Diskurs eingebracht. Um die noch unabgeschlossene, aber sehr in den Hintergrund gerückte Diskussion neu zu beleben, stellt der Autor hier den Inhalt dieser "Protologie" und den Forschungsstand dazu vor.

Einen im Spannungsfeld von Politik und Philosophie agierenden Autor stellt uns Hannes Kerber in "Leo Strauss und das esoterisch-exoterische Schreiben" vor. Sehr spannend und aufschlussreich entfaltet H. Kerber Inhalt und Thesen von drei Werken Leo Strauss’, die dieses Verhältnis im Hinblick auf Unterdrückung, Verfolgung und Zensur neu durchdenken. In diesen Werken werde den Spuren von Zensur und Selbstzensur in den Werken vieler "Granden der Philosophie" nachgegangen, von Platon über Lessing bis zu Schleiermacher. Die vielen englischen Zitate hat der Verfasser am Ende des Artikels dankenswerterweise übersetzt, so dass sich der Argumentationsverlauf gut nachvollziehen lässt.

Auch Dr. Vuko Andrić befasst sich in "Hobbesianische Theorien des Sozialvertrags" mit dem Verhältnis von Politik und Philosophie. Er weist nach, dass Hobbes’ Theorien häufig Grundlage insbesondere instrumentalistischer Vertragstheorien seien und er untersucht die Frage, inwiefern die Hobbesianische Rechtfertigung von Staatlichkeit für zeitgenössische Begründungsansätze attraktiv oder problematisch sei.

In "Determinismus und Willensfreiheit. Ist Arthur Schopenhauer ein Kompatibilist?" untersucht Christian E.W. Kremser anhand von Schopenhauers Aufsatz "Über die Freiheit des menschlichen Willens", ob dieser Ansatz in die moderne – durch die Ergebnisse der Neurobiologie neu entfachte – Debatte über die Willensfreiheit passt. Dabei stellt der Autor vier Grundpositionen zur Frage der Willensfreiheit vor und versucht eine begründete Einordnung der Stellung Schopenhauers darin.

Eine andere Auseinandersetzung mit dem Denken Schopenhauers, nämlich den indirekten Folgen desselben, unternimmt Dr. Martin Morgenstern in "Nietzsches Umwertung aller Werte". Er beginnt mit dem Nachweis, dass Nietzsches hiermit thematisiertes Hauptprojekt der 1880er Jahre sich trotz des aphoristischen Stils als einheitliches Grundanliegen darstellt, wenn man alle Äußerungen zur Umwertung zusammennimmt. Dies aufzuzeigen und einer kritischen, auch philosophiehistorisch kritischen, Würdigung zu unterziehen, ist das gelungene "Grundanliegen" dieses Textes.

Als letzter Aufsatz des Hauptteils folgt von Peter Kopf der zweite Teil von "Der Beitrag der Wissenschaften zur Säkularisierung Europas". In diesem Abschnitt wird die Entwicklung der Wissenschaften vom frühen Mittelalter über die Gründung der Universitäten im Hochmittelalter bis hin zu der in katholischen Institutionen bis zur Renaissance weiter entwickelten Naturphilosophie thematisiert und gut nachvollziehbar dargestellt.

Auch das FORUM bietet eine Reihe interessanter und inhaltsreicher Artikel. So weist Prof. Dr. Hartmut Heuermann in "Die zwei Gesichter des Janus oder Ambivalenz in der westlichen Zivilisation" diese Ambivalenz an ausgesuchten Beispielen nach. Erwin Müller-Reimann erläutert "Warum unser Wissen nicht gewiss sein kann" und stellt zu diesem Ansatz ein "Argumentarium" zusammen. In "Christentum und Evolution" entwickelt Helmut Walther eine fundierte Argumentation für die These, dass Religion – und damit auch das Christentum – als Nebenprodukt der Entwicklung des Geistes entstanden und als solches Teil der kulturellen Evolution sei; am Beispiel einiger Hauptreligionen werden die verschiedenen Entwicklungsstufen nachvollzogen und mit der allgemeinen funktionalen Entwicklung von Verstand und Vernunft parallelisiert. Mit problematischen Erscheinungsformen der Religion, besonders des Katholizismus, setzt sich Ralf Rosmiarek in "Problemfall Religion" auseinander. Dr. Dominik Riedos "Zur Zuschauerrolle begnadigt. Ein Spitteler-Buch zum Jubeljahr 2019" ist eine Buchbesprechung in Essayform, die sich mit der Rolle der Schweiz beschäftigt – gesehen von Spitteler zur Zeit des ersten Weltkriegs und von heutigen Autoren, veranlasst vom Spitteler-Jubiläumsjahr. Einen weiteren Beitrag zur Auseinandersetzung mit Religionen bietet Gopal Kripalani mit "Reinkarnation und Nirwana. Philosophie und Volksglaube" an. Mit dem bayerischen Kreuzerlass von 2018 setzt sich Martin Onöskow in "Verlieren bayerische Behörden den Geist der Aufklärung?" auseinander. Dr. Jutta Georg untersucht unter dem Titel "das Nothwendige verletzt mich nicht; amor fati ist meine innerste Natur" Nietzsches Rezept der Lebenskunst und stellt damit gleichzeitig ein 2016 erschienenes Buch zu diesem Thema vor. Hinter dem rätselhaften Titel "Der Schlüssel zum Schlüssel der menschlichen Bewusstseinsvermögen" verbirgt sich ebenfalls eine Buchbesprechung von Martin Besecke, in der ein dreibändiges Werk von über 900 Seiten von Johannes Heinrichs vorgestellt wird. Anschließend finden Sie einen Bericht von Ulrike Ackermann-Hajek zum diesjährigen Symposium von GKP und HABy, das Sir Karl Raimund Popper gewidmet war. In seinem Aufsatz "Wie reden wir miteinander in Zeiten der Polarisierung?" beleuchtet Prof. Dr. Dr. Dr. Roland Benedikter die Folgen von populistischer Rhetorik, Informationsblasen und politischer Korrektheit auf den offenen Diskurs als Grundlage der offenen Gesellschaft und plädiert für eine neue Diskussionskultur.

Eine beachtliche Anzahl von Rezensionen, die eine breite Palette von Themen abdecken, beschließt dieses Heft.

Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12,00 Euro zuzüglich 2,50 Euro Verpackung u. Porto).

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