Geruch führt Tabakschwärmer zur besten Blüte

Erneute Bestätigung für Darwin

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Ein Tabakschwärmer saugt mit ihrem etwa acht Zentimeter langen Rüssel Nektar aus der Blüte der auch Jasmin- oder Flügeltabak genannten Art Nicotiana alata.
Tabakschwärmer

JENA. (mpg) Dass die äußerliche Erscheinung verschiedener Bestäuber auffallend zur Blütenform der von ihnen besuchten Pflanzen passt, fiel dem Naturforscher Charles Darwin schon vor mehr als 150 Jahren auf. Er beschrieb die im Laufe von Koevolution entstandene äußere Übereinstimmung von Blüten- und Bestäubern als perfektes Ergebnis gegenseitiger Anpassung. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie aus Jena ist ein eindrucksvoller Beleg von Darwins Beobachtung gelungen.

Die Forscher konnten darüber hinaus zeigen, dass Motten der Art Manduca sexta nur nach dem Besuch von Tabakpflanzen, deren Blütenkelche die gleiche Länge hatten wie ihre Saugrüssel, eine positive Energiebilanz aufwiesen. Parallel dazu haben sie eine Vorliebe für den Duft der passenden Blüten entwickelt.

Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, war ein sehr guter Naturbeobachter. Dieser Gabe verdanken wir seine Theorie von der Entstehung der Arten. 1862 veröffentlichte er ein Buch über Orchideen und ihre Bestäuber und beschrieb darin die in England kultivierte Orchidee Angraecum sesquipedale, die wegen ihrer Herkunft auch "Stern von Madagaskar" genannt wird. Er stellte aufgrund ihrer Blütenmorphologie die These auf, dass es in der Heimat dieser Pflanze einen Bestäuber mit einem besonders langen Saugrüssel geben müsse, um den Nektar zu erreichen.

Tatsächlich wurde mehr als 20 Jahre nach Darwins Tod, im Jahr 1903, ein solcher Schmetterling entdeckt: der Schwärmer Xanthopan morganii, der wegen Darwins These den Beinamen praedicta (der Vorhergesagte) erhielt und eine Rüssellänge von über 22 Zentimetern aufweist. Biologen sprechen von einem "Syndrom der Bestäubung", wenn sie erklären, wie die unglaubliche Vielfalt von Blütenpflanzen und Bestäubern durch Koevolution entstanden ist. Ein Blüten-Bestäuber-System kann sehr spezialisiert sein. Davon profitieren beide Seiten: Die Pflanze vergrößert die Chance, dass ihr Pollen auf die Blüten anderer Artgenossen übertragen und nicht an fremde Arten verschwendet wird. Spezialisierte Bestäuber wiederum sind gegenüber andere Insektenarten, die ebenfalls auf Nektarsuche sind, im Vorteil durch die bessere Anpassung ihres Saugrüssels. Der Nachteil einer solchen Spezialisierung ist allerdings, dass sich die Pflanze ohne ihren Bestäuber nicht fortpflanzen und der Bestäuber ohne die Pflanze nicht so gut überleben kann.

Darwins Beobachtungen inspirierten die Jenaer Wissenschaftler um Markus Knaden, der in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie Windtunnel-Experimente mit Tabakschwärmern der Art Manduca sexta leitet. Sie stellten die Hypothese auf, dass es auch für diesen Bestäuber, der ein relativ breites Spektrum an Blütenpflanzen besucht, eine Blüte geben muss, die am besten zu ihm passt. Die Motten des Tabakschwärmers haben eine beachtliche Größe; die Anstrengung beim Fliegen ist ihnen anzusehen: Mehr als 30-mal pro Sekunde schlagen sie mit den Flügeln, während sie versuchen, Nektar aus einer Blüte zu trinken. Der Energieverlust ist infolgedessen hoch und umso wichtiger muss es für die Motten sein, die richtigen Blüten zu wählen und ihre Energie nicht unnötig an Blüten zu verschwenden, deren Nektar sie nur schlecht oder gar nicht erreichen können.

Energiebilanz des Blütenbesuchs

Um ihre Hypothese zu überprüfen, waren aufwändige Untersuchungen notwendig. In einem eigens gebauten kleineren Windtunnel wurde der Energieverlust der Motten während des Flugs gemessen. Dafür bestimmten die Wissenschaftler den von der Motte ausgeatmeten Kohlendioxid-Wert, der in direkter Relation zum Kalorienverbrauch steht, also der Energie, die die Motte für das Anfliegen einer Blüte investiert. Außerdem errechneten sie mittels Gas-chromatografischer und massenspektrometrischer Analysen die Konzentrationen der einzelnen Zucker im Blütennektar und damit auch den Kaloriengehalt der in den Experimenten verwendeten Blütenarten.

Es wurden sieben Tabakarten der Gattung Nicotiana getestet, deren Blüten sich allerdings deutlich im Hinblick auf die Länge der Blütenkelche unterscheiden. Die Bandbreite reicht dabei von weniger als 1,5 (Nicotiana rustica) über etwa 3 (Nicotiana attenuata), 7,5 (Nicotiana alata) bis hin zu mehr als 11 (Nicotiana longiflora) Zentimetern Blütenlänge. "Obwohl wir ursprünglich dachten, dass die größeren Blüten, die mehr Nektar enthalten, auch hinsichtlich des Energiegewinns attraktiver sein würden, zeigten die Messungen, dass alle Blüten in unseren Experimenten ihren Bestäubern in etwa die gleiche Kalorienmenge zur Verfügung stellen konnten. Hatten die Blüten weniger Nektar, war dieser umso konzentrierter. Das Nektarangebot allein konnte also nicht der Grund dafür sein, dass der Besuch mancher Blüten lohnenswerter war", erläutert Alexander Haverkamp, der im Rahmen seiner Dissertation an diesem Projekt arbeitet und Erstautor der Untersuchung ist.

Auf Grundlage dieser Messungen und Kalkulationen war es möglich, eine Energiebilanz für einen Tabakschwärmer beim Besuch einer Blüte zu errechnen. Auf der Verlustseite stand der Kalorienverbrauch, der in Form des abgegebenen Kohlendioxids gemessen wurde. Die Kalorienaufnahme in Form von Nektar wurde als Energiegewinn gegengerechnet.

3-D-Tracking im Windtunnel

Erstmals kam für eine Publikation das eigens für die Windtunnel entwickelte 3D-Tracking-System zum Einsatz, das mit Hilfe mehrerer Kameras den Flug einzelner Motten genau aufzeichnet. Nach einer Aufwärmphase, die die Motten für die Flugbereitschaft benötigen, wurde der Flug jeder Motte bei Dunkelheit für vier Minuten aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Gleichzeitig wurde zum ersten Mal eine Technologie angewandt, die es ermöglicht, im Windtunnel zu messen und sichtbar zu machen, wo sich die Blütendüfte befinden und wie konzentriert sie in den jeweiligen Bereichen sind. So ließ sich leicht nachvollziehen, wie die Anwesenheit eines Duftes mit dem Verhalten der fliegenden Motte korreliert. Beide Systeme konnten in Kombination exakt zeigen, wann die Motte erstmals mit dem Duft in Kontakt kam.

Alle Motten in den Experimenten wurden erstmals in ihrem Leben mit einem Blütenduft konfrontiert, sodass die beobachteten Vorlieben angeboren sein mussten. Hungrige Motten reagierten am stärksten auf die Blüte des Flügeltabaks Nicotiana alata. Sein Duft war besonders attraktiv, denn die Motten steuerten die Blüten sofort an, nachdem sie erstmals ihre Witterung aufgenommen hatten. An diesen Blüten gelang es den Schwärmern auch besonders schnell, mit dem Saugrüssel an den Nektar zu gelangen. Nur die Besuche dieser Blüten resultierten in einer positiven Energiebilanz, denn an allen anderen Blüten verbrauchten die Schwärmer zu viel Energie, weil sie wegen der zu kurzen oder langen Blütenkelche Probleme hatten, Nektar zu saugen.

"Darwins Theorie erklärt also nicht nur, warum der Tabakschwärmer einen langen Rüssel hat, um Nektar aus bestimmten Blüten zu saugen. Er mag auch den Duft dieser Blüten mehr als den anderer. Die Koevolution zwischen Motte und Blüte bedeutet auch, dass die Motte insofern profitiert, dass sie an der passenden Blüte die beste Energiebilanz aufweist", fasst Markus Knaden die Auswertung der Experimente zusammen.

Bestäubungssyndrome sind wichtig für das Überleben vieler Pflanzen auf diesem Planeten. Im Laufe der Evolution sind durch gegenseitige Anpassungen viele hochspezialisierte Blüten-Bestäuber-Beziehungen entstanden. "Jede Art bestäubender Insekten ist somit wichtig für die biologische Vielfalt auf unserer Erde. Wenn einer der beiden Partner durch Veränderungen im Ökosystem selten wird oder ausstirbt, hätte dies fatale Konsequenzen", gibt Alexander Haverkamp zu bedenken. Denn ohne Bestäuber gibt es keine Früchte. Dies betrifft nicht nur die Landwirtschaft, sondern die Ernährung aller Menschen. (AO/HR)