Mit Migrationshintergrund in Pompeji

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Gipsabguss des Hohlraums eines menschlichen Körpers in der Ascheschicht, gefunden am 5. Februar 1863
Menschlicher Gipsabguss

Forschende der Universität Florenz, der Harvard University und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben durch die Analyse alter DNA bisher gängige Annahmen über die Bewohner Pompejis in Frage gestellt. Im Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild lieferte die DNA unerwartete neue Informationen über Geschlecht und Verwandtschaftsverhältnisse und widerlegt eine seit 1748 erzählte Geschichte. Die genetischen Daten unterstreichen außerdem den kosmopolitischen Charakter des Römischen Reiches und zeigen, dass die Bewohner Pompejis hauptsächlich von Einwanderern aus dem östlichen Mittelmeerraum abstammten.

Im Jahr 79 unserer Zeit ereignete sich einer der schwersten Ausbrüche des Vesuvs, bei dem die römische Stadt Pompeji und ihre Bewohner unter einer dicken Schicht aus kleinen Steinen und Asche, den so genannten Lapilli, begraben wurden. Viele Einwohner Pompejis kamen ums Leben, als ihre Häuser unter der Last der aus mehreren Kilometern Höhe herabfallenden Lapilli einstürzten. Diejenigen, die die erste Phase des Ausbruchs überlebten, erlagen schließlich den gefährlichen pyroklastischen Strömen. Der sich schnell bewegende Strom aus heißen Gasen und vulkanischem Material hüllte ihre Körper sofort in eine feste Ascheschicht ein und konservierte sie wirkungsvoll, einschließlich ihrer Gesichtszüge.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden Abgüsse hergestellt, indem Gips in die Hohlräume gegossen wurde, die diese Körper nach ihrem Verfall hinterlassen hatten. Das Forschungsteam extrahierte DNA aus den stark fragmentierten Skelettresten von 14 der 86 berühmten Abgüsse, die gerade restauriert wurden. Auf diese Weise konnten sie die biologischen Verwandtschaftsverhältnisse genau bestimmen, das genetische Geschlecht feststellen und die Abstammung zurückverfolgen. Interessanterweise widersprachen ihre Ergebnisse weitgehend früheren Annahmen, die ausschließlich auf dem äußeren Erscheinungsbild und der Positionierung der Abgüsse beruhten.

Verwandtschaft auf dem Prüfstand

"Unsere Studie zeigt, wie die Analyse alter DNA auf archäologischen Daten basierende Interpretationen wesentlich ergänzen kann", sagt Professor David Caramelli vom Institut für Anthropologie der Universität Florenz. "Die Ergebnisse stellen gängige Vorstellungen in Frage, wie die Verbindung von Schmuck mit Weiblichkeit oder die Interpretation von physischer Nähe als Beweis für familiäre Beziehungen." Caramelli ergänzt: "Die DNA-Belege fügen den oft sehr einfachen Interpretationen von Verwandtschaft eine weitere Komplexitätsebene hinzu. Im Haus des Goldenen Armbands zum Beispiel, dem einzigen Ort, für den wir genetische Informationen von mehreren Personen haben, sind die vier Personen, die bisher als Eltern und ihre Kinder galten, tatsächlich nicht genetisch miteinander verwandt."

"Die wissenschaftlichen Daten, die wir liefern, stimmen nicht immer mit den gängigen Annahmen überein", sagt David Reich von der Harvard University. "Ein besonders interessantes Beispiel ist die Entdeckung, dass eine erwachsene Person mit einem goldenen Armreif und einem Kind auf dem Arm nicht, wie traditionell angenommen, eine Mutter mit ihrem Kind war, sondern ein erwachsener Mann mit einem Kind, das nicht mit ihm verwandt war. Weiterhin konnten wir feststellen, dass mindestens eines von zwei Individuen, die bisher als Schwestern oder Mutter und Tochter galten, männlich war. Diese Ergebnisse stellen traditionelle Annahmen über Geschlecht und Familie in Frage."

Das Römische Reich war kosmopolitisch

Auch über die Abstammung der Bewohner Pompejis und ihre unterschiedliche genomische Herkunft gaben die genetischen Daten Aufschluss. Dass sie hauptsächlich von kürzlich eingewanderten Bevölkerungsgruppen aus dem östlichen Mittelmeerraum abstammten, unterstreicht den kosmopolitischen Charakter des Römischen Reiches.

"Unsere Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Interpretation archäologischer Daten und das Verständnis vergangener Gesellschaften", sagt Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Sie unterstreichen, wie wichtig es ist, genetische Daten mit archäologischen und historischen Informationen zu verknüpfen, um Fehlinterpretationen aufgrund moderner Annahmen zu vermeiden. Die Studie zeigt auch, wie vielfältig und kosmopolitisch die Bevölkerung Pompejis war, was die allgemeinen Muster der Mobilität und des kulturellen Austauschs im Römischen Reich widerspiegelt".

"Es ist wahrscheinlich, dass frühere Restauratoren die Körperhaltung und die Positionierung der Abgüsse verändert haben, um eine Geschichte zu erzählen", fügt David Caramelli hinzu. "Durch die Kombination von genetischen Daten und anderen bioarchäologischen Methoden können wir das Leben und die Gewohnheiten der Opfer des Vesuvausbruchs nun besser verstehen."

"Der Pompeji-Park hat seit Jahren die Analyse alter DNA in seine Studienprotokolle aufgenommen – nicht nur von menschlichen Opfern, sondern auch von Tieren", sagt Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Pompeji-Parks. Er erklärt, dass der Park in seinen eigenen Labors eine Vielzahl von Forschungsprojekten durchführt. Dazu gehören Isotopenanalyse, Diagnostik, Geologie, Vulkanologie und vor allem die Rekonstruktion alter Technologien durch Reverse Engineering. Zuchtriegel betont: "All diese Elemente tragen zu einer umfassenden Neuinterpretation der archäologischen Funde bei. Diese Bemühungen machen Pompeji zu einem wahren Inkubator für die Entwicklung neuer Methoden, Ressourcen und wissenschaftlicher Vergleichsstudien". (mpg)

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