FRANKFURT/ODER. (hpd) Die berühmten Nudelmessehinweisschilder von Templin beschäftigten am 6. April das Landgericht Frankfurt/Oder. Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. stritt mit dem Land Brandenburg um das Recht, ebenso wie andere Kirchen die Hinweisschilder für ihre Messen an Ortseingängen anbringen zu dürfen. Eine Einigung konnte in der Güteverhandlung nicht erzielt werden. Der Kampf um die Schilder geht nun voraussichtlich in die nächste Instanz.
Im Gerichtsflur vor dem kleinen Saal 404 des Landgerichts Frankfurt/Oder tummelten sich am Mittwochvormittag unzählige Medienvertreter. Sie alle wollten der Verhandlung über die inzwischen weltweit bekannten Nudelmessehinweisschilder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters beiwohnen. Mit so viel Interesse seitens der Presse hatte das Gericht offenbar nicht gerechnet, obwohl der Presserummel, den der Streit um die Nudelmessehinweisschilder 2014 ausgelöst hatte, ein deutlicher Hinweis hätte sein können.
2014 hatte die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. mit Sitz in Templin den Entschluss gefasst, auf ihre wöchentlichen Nudelmessen ebenso hinzuweisen wie die anderen Kirchengemeinden der Stadt Templin: mit Nudelmessehinweisschildern am Ortseingang. Ein Privileg, das seit 1960 die beiden Großkirchen genießen und das seit einer Richtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aus dem Jahr 2008 auch für sonstige Religionsgemeinschaften und weltanschauliche Bekenntnisse gilt.
Die Erlaubnis zum Aufstellen der Schilder muss bei der zuständigen Behörde, in diesem Fall der Straßenmeisterei Prenzlau im Landesbetrieb Straßenwesen des Landes Brandenburg, beantragt werden. Genau das tat der Vorsitzende der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, Rüdiger Weida, und erhielt am 18. November 2014 die schriftliche Erlaubnis, seine Schilder an den vier Ortseingangsstraßen von Templin aufzuhängen. Mündlich teilte ihm die Behörde mit, er solle die Schilder an die bereits aufgestellten Masten mit den Gottesdienstweishinweistafeln der anderen Kirchen Templins montieren.
Was folgte, war eine Tragikkomödie, die damals wochenlang die Medien beschäftigte und die das kleine Templin international berühmt machte: Die Schilder wurden beschmiert, heimlich ab- und ummontiert, Kirchenvertreter wetterten und Ministerien und Politiker mischten sich in die Geschichte ein. Auf Druck von oben widerrief der Landesbetrieb Straßenwesen hektisch seine Genehmigung und verweigerte die schriftliche Bestätigung einer neuen Vereinbarung, die in einem Gespräch zwischen Weida und dem Landesbetrieb Straßenwesen am 9. Dezember 2014 mündlich getroffen worden war. Weida ließ die Sache nicht auf sich beruhen und verklagte den Landesbetrieb Straßenwesen darauf, seine Schilder wie vereinbart aufhängen zu dürfen. Um die Klärung dieses Streits sollte es nun in der Güteverhandlung mit anschließender mündlicher Verhandlung gehen.
Wegen des unerwarteten Andrangs an Journalisten wurde die Verhandlung kurzfristig in einen größeren Saal verlegt. Gebannt erwarteten die Medienvertreter die Diskussion inhaltlicher Fragen. Die Vorsitzende, Richterin Dr. Selbig, ließ sich jedoch nicht in ihrem deutlich zur Schau gestellten Desinteresse gegenüber dem Verfahren beirren. Und so nahmen den gefühlten Großteil der rund halbstündigen Verhandlung keine inhaltlichen Diskussionen ein, sondern die Frage nach der korrekten Buchstabierung des Nachnamens der anwesenden Vertreterin des Landes Brandenburg. Zur großen Erleichterung der Justiz landete schließlich jeder Buchstabe in der korrekten Reihenfolge auf dem Diktiergerät, das den Protokollführer ersetzte. Nicht mal der schien dem Gericht für die Verhandlung nötig.
Zur Freude der teils von weit her angereisten Medienvertreter ging es in dem Verhandlungstermin dann aber doch noch um einige Inhalte:
Strittig zwischen den Parteien ist die Gültigkeit der schriftlichen Genehmigung vom 18. November 2014 sowie der mündlichen Vereinbarung vom 9. Dezember 2014.
Da die Genehmigung des Landesbetriebs Straßenwesen vom 18. November 2014, die Weida das Aufstellen der Schilder erlaubte, zuerst zurückgenommen und später auch noch ordnungsgemäß gekündigt worden sei, könne sie nicht erkennen, warum der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters auf Grundlage dieses Dokuments das Recht zum Aufstellen ihrer Schilder zustehen solle, erklärte die Vorsitzende Selbig.
Dr. Rath, Rechtsanwalt der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, wies hingegen darauf hin, dass es sich bei Genehmigungen dieser Art um auf Dauer angelegte Genehmigungen handele, die nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könnten. Andernfalls könne schließlich jeder Kirche nach Lust und Laune der Behörde die Erlaubnis zum Aufstellen ihrer Schilder entzogen werden. Wichtige Gründe für eine Kündigung lägen beispielsweise vor bei geänderter Bebauung der Straße, wenn der Gottesdienst nicht mehr stattfinde, die Kirche abgerissen würde oder die Religionsgemeinschaft plötzlich verfassungswidrige Ziele verfolge. Solche wichtigen Gründe lägen in diesem Fall nicht vor.
Richterin Selbig wollte den Einwand jedoch nicht gelten lassen und ging noch einen Schritt weiter. Ihrer Ansicht nach sei die Genehmigung vom 18. November 2014 überhaupt nie gültig gewesen, weil Weida darin erlaubt worden sei, die Nudelmessehinweisschilder an die bestehenden Masten mit Gottesdiensthinweistafeln zu schrauben. Da sich diese Masten jedoch im Eigentum der Kirchen befänden, handle es sich um einen ungültigen Vertrag zu Lasten Dritter.
Dass die schriftliche Genehmigung vom 18. November 2014 keine Angabe darüber enthält, an welche Masten die Schilder zu hängen sind, und dass es sich bei der Aussage, Weida möge die Schilder an die bestehenden Masten montieren, lediglich um eine mündliche Weisung der Behörde gehandelt hatte, beirrte die Richterin nicht in ihrer Auffassung.
Weida hatte – ebenso wie der Mitarbeiter der Straßenmeisterei, der die Genehmigung erteilte – damals nicht gewusst, dass die Masten, an denen die Gottesdiensthinweistafeln hingen, von den Kirchengemeinden in Templin angeschafft worden waren. Umgehend hatte Weida eine finanzielle Beteiligung für die Mitnutzung angeboten, die jedoch von den Kirchen zurückgewiesen wurde. Wegen des Streits um die Masten und weil es inzwischen durch kirchliche Intervention auf höherer politischer Ebene rappelte, war es am 9. Dezember 2014 zu einem Gespräch zwischen Weida und drei Vertretern des Landesbetriebs Straßenwesen gekommen. Kein Geringerer als der Bürgermeister von Templin, Detlef Tabbert, hatte die Parteien hierfür in sein Büro geladen, da die Geschichte mit den Nudelmessehinweisschildern bereits international für Schlagzeilen sorgte. Thomas Heyne, Mitglied im Vorstand des Landesbetriebs Straßenwesen, teilte Weida in diesem Gespräch mit, dass mittlerweile Zweifel daran bestünden, ob es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters um eine Religionsgemeinschaft handle.
In der Tat hatte am 5. Dezember 2014 Klara Geywitz, SPD-Generalsekretärin und religionspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Brandenburg sowie Mitglied in mehreren Kirchenbau-Vereinen, in der Causa Nudelmessehinweisschilder eine so genannte "Kleine Anfrage" an das Landesparlament gestellt. In der Anfrage wurde unter anderem darum gebeten zu klären, ob die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters eine Religionsgemeinschaft sei. Am Tag, an dem Geywitz ihre Anfrage stellte, hatte auch der Landesbetrieb Straßenwesen seine schriftliche Genehmigung zum Aufstellen der Nudelmessehinweisschilder zurückgenommen.
Die Frage wurde an das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur weitergeleitet, das für das Straßenwesen nicht mal entfernt zuständig ist, dem jedoch zugetraut wird, beurteilen zu können, wann es sich bei einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Glaubensgrundsätzen um eine Religionsgemeinschaft handelt. Die damalige Kultusministerin Sabine Kunst, Schwester der evangelisch-lutherischen Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, kam – offenbar mithilfe einer kurzen Internetrecherche durch Mitarbeiter des Ministeriums – zu dem Urteil, dass es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters "um eine Religionsparodie ohne ernsthafte religiöse Substanz" handle. Ein Gutachten bei Fachkundigen in Auftrag zu geben, hielt die Ministerin nicht für notwendig. Und das, obwohl es Theologen und Religionswissenschaftler gibt, die der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters attestieren, dass sie eine Religionsgemeinschaft ist.
Rüdiger Weida konnte die Vertreter des Landesbetriebs Straßenwesen im Gespräch am 9. Dezember 2014 beruhigen. Da sich die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. selbst nicht als Religionsgemeinschaft, sondern als Weltanschauungsgemeinschaft versteht, sei die Klärung dieser Frage unerheblich, denn auch Weltanschauungsgemeinschaften stünde das Recht zu, Hinweisschilder aufzustellen. Das überzeugte Vorstandsmitglied Heyne und die anderen Vertreter des Landesbetriebs Straßenwesen. Es wurde daher vereinbart, dass Weida eigene Masten aufstellen und an diesen die Nudelmessehinweisschilder anbringen darf. Eine mündliche, zivilrechtlich bindende Vereinbarung, der eine formale schriftliche Bestätigung folgen sollte. Um die christlichen Gemüter der Stadt zu beruhigen, bot Bürgermeister Tabbert Weida an, die Nudelmessehinweisschilder bis zum Aufstellen eigener Masten an Masten der Stadt Templin anzubringen. Mit dem Aufstellen eigener Masten wollte Weida bis zum Erhalt der formalen schriftlichen Bestätigung der Vereinbarung warten. Diese erhielt er jedoch nie.
In der Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) am Mittwoch bestritt das Land Brandenburg nun, dass in dem Gespräch am 9. Dezember 2014 eine zivilrechtliche Vereinbarung darüber getroffen worden sei, dass Weida die Nudelmessehinweisschilder an eigenen Masten aufhängen dürfe.
Für Rechtsanwalt Rath, der die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters vertritt, grenzt diese Aussage an Prozessbetrug. Er prüft derzeit eine Strafanzeige. Rath führt die Aussage auf die "schikanösen Eingriffe von oben" zurück. Gemeint sind Einflussnahmen durch höhere politische Ebenen auf den Landesbetrieb Straßenwesen, für die der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters tatsächlich Belege vorliegen. Bereits frühzeitig hatte die Kirche den Bürgermeister von Templin als Zeugen für das Gespräch vom 9. Dezember 2014 benannt. Vom Gericht war er jedoch zu dem Verhandlungstermin am Mittwoch nicht geladen worden.
Überhaupt war die Vorsitzende Selbig sehr bemüht, der Klärung aller inhaltlichen Fragen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen. Vor allem die Frage nach dem weltanschaulichen Status der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters vermied sie wie der Teufel das Weihwasser.
Nachdem beide Parteien zu Protokoll gegeben hatten, dass sie keine Möglichkeit für eine gütliche Einigung sähen, sollte laut Ladung eigentlich die mündliche Verhandlung folgen. Da der Vorsitzenden ihrer Auffassung nach jedoch ausreichend viele Informationen vorlagen, brach sie die Verhandlung an dieser Stelle ab und beraumte für den 13. April einen Verkündungstermin an. An diesem Tag wird sie den Parteien entweder kundtun, dass sie weitere Verhandlungstage für notwendig hält oder – und das ist die wahrscheinlichere Variante – ihr Urteil verkünden.
Das kaltschnäuzige Abbügeln des Verfahrens durch Richterin Selbig ist für Rechtsanwalt Rath keine Überraschung. "Schon als die Kirchen 2014 interveniert haben, war klar, dass das Ganze so ablaufen würde. Richter haben Angst, sich die Finger zu verbrennen und ein Gutachten in Auftrag zu geben, bei dem rauskommen könnte, dass es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt, der dieselben Rechte zustehen, wie allen anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland."
Egal, was Richterin Selbig am 13. April verkünden wird, für Rüdiger Weida und die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ist es auf jeden Fall ein Sieg. "Entweder wir werden endlich mit anderen Weltanschauungsgemeinschaften gleichgestellt und dürfen unsere Schilder aufhängen", sagt Weida, "oder wir haben weiterhin die Möglichkeit, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, welche Privilegien Religionsgemeinschaften in Deutschland haben". Dass er in die nächste Instanz gehen wird, falls ihm das Landgericht nicht Recht gibt, steht für Weida außer Frage.
Hintergrund
Die Lehre vom Fliegenden Spaghettimonster entstand 2005 in den Vereinigten Staaten. Als der Physiker Bobby Henderson davon erfuhr, dass fundamentalistische Christen im US-Staat Kansas forderten, gleichberechtigt zur Evolutionslehre müsse im Biologieunterricht auch der Kreationismus gelehrt werden, hatte er eine wundersame Erscheinung, während ihm vor Empörung die Nudeln im Halse stecken blieben. Henderson offenbarte sich der einzig wahre Gott: das Fliegende Spaghettimonster (FSM). In einem Brief an das Schulministerium von Kansas verlangte Henderson daraufhin, dass nicht nur der Kreationismus der Christen, sondern auch die Lehre des FSM im Biologieunterricht gelehrt werden müsse.
Beim Schulministerium von Kansas hatte Bobby Henderson keinen Erfolg, dafür jedoch umso mehr im Internet. Im Handumdrehen verbreitete sich die Lehre vom FSM im weltweiten Netz und führte in verschiedenen Ländern der Welt zur Gründung von "Pastafari"-Gemeinden, wie sich die Anhänger des FSM selbst bezeichnen.
Kritiker betrachten die Lehre des FSM als Religionsparodie. Für Pastafari ist der Glaube an das Fliegende Spaghettimonster hingegen die einzig wissenschaftliche Religion. Ein Glaube, der zu stetem Zweifel verpflichtet – an der Religion im Allgemeinen und der eigenen im Besonderen – und der dieselben Privilegien fordert, wie andere Glaubensrichtungen. Dazu gehören auch Gottesdiensthinweisschilder.
Satirische Mittel sind nach dem Glauben der Pastafari bei der Ausübung und Verbreitung ihrer Religion ausdrücklich erlaubt. Sie unterscheiden sich hierbei nicht von großen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise der katholischen Kirche. Diese nutzt offenbar ebenfalls satirische Mittel: Ihrem Religionsstifter, der die Auffassung vertrat, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelange, huldigt sie, indem sie einen weltweiten Wirtschaftskonzern betreibt und in Prunkbauten Gottesdienste von Männern in goldgewirkten Kleidern abhalten lässt.
2 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Ich bin der Meinung, hier müsste Gott unbedingt als Zeuge einberufen werden, denn erst kam es zu einer "Nagelung" und dann wurde die "Nagelung" widerrufen.
Jesus winkt genagelt von jedem Kreuz, warum darf dann nicht das Spagettimonster einen würdigen Platz erhalten? Bald gibt es auch HInweise auf Moscheen, was geschieht denn dann??
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Der Sieg besteht zweifellos im hilflosen Herumgehampel von Behörden und Gericht in dieser Sache.
Also: Handelt es sich um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, was der einzige relevante Aspekt einer gerichtlichen Nachprüfung sein kann, dann gibt es einen Anspruch (!!!) auf Erteilung einer Genehmigung für das Aufstellen der Schilder. Ende. Wie wir im Ruhrgebiet sagen: Da machse nix dran.
Dieses Gehampel mit Wenn, Ja, Vielleicht, Doch nicht, mündlich, schriftlich usw. ist doch irrelevanter Blödsinn. Lächerlich machen sich hier nur die Dienststellen und das Gericht, weil sie einfach nicht den Mumm haben, schlicht und ergreifend nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Und genau deshalb ist die Auseinandersetzung so wichtig: Hier gilt es, "gläserne Wände" einzureißen, die, ohne dass dies zugegeben werden könnte, das staatliche Handeln zu einem unwürdigen Schauspiel verkommen lassen.