Wie repräsentativ ist der deutsche Bundestag, wie vielfältig die Landesparlamente? Betrachtet man etwa den beruflichen Abschluss, wird klar: Unter den Volksvertretern sind deutlich mehr Akademikerinnen und Akademiker als in der übrigen Bevölkerung. Politische Entscheidungen gingen daher zulasten von Menschen mit geringerem Einkommen oder niedrigerem Bildungsniveau, meint Armin Schäfer.
Der Politologe, der an der Universität Münster forscht, ist derzeit Scholar in Residence am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. In seinen Forschungsarbeiten ist er der Frage mangelnder Vertretung bestimmter Bevölkerungsgruppen nachgegangen. In diesem Interview spricht er über die Motivation von Nicht- und Protestwählern, Partizipation, über Wahlbeteiligung und die Rolle von Lobbyismus.
Herr Schäfer, Ihr Thema ist die spannende Frage der politischen Ungleichheit, über die Sie viel geforscht haben. Hat wachsende Ungleichheit etwas mit dem Aufstieg des Populismus zu tun?
Armin Schäfer: Mich hat in den letzten Jahren besonders beschäftigt, welche Personengruppen sich an Politik beteiligen und ob sich ungleiche Beteiligung auf das auswirkt, was politisch entschieden wird. Mein Forschungsteam hat festgestellt, dass politische Entscheidungen des Bundestags zulasten von Menschen mit geringerem Einkommen, geringerer Bildung oder Berufsgruppen mit niedrigerer Bezahlung verzerrt sind. Das wiederum kann tatsächlich eine Triebfeder für Protestverhalten sein: Weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen, wenden sich die Menschen von der Politik ab und bleiben zu Hause, oder sie geben ihre Stimme populistischen Parteien.
Beteiligung hat etwas mit sozialem und ökonomischem Status zu tun. Nehmen wir das Beispiel Essen: Da gibt Wahlbezirke wie Essen-Mitte, sozial stark benachteiligt, dort liegt die Wahlbeteiligung nur noch bei zehn Prozent. Im Essener Süden ist man durchaus noch bei 80 bis 90 Prozent. Kann man dieses Beispiel auf andere Städte übertragen?
Das ist das Muster, das wir uns für drei Bundestagswahlen, also 2009, 2013, 2017 angeschaut haben. Und in allen deutschen Großstädten, für die es diese Daten gibt, ist das Ergebnis eindeutig: Je ärmer ein Stadtteil ist, je höher die Arbeitslosenquote in einem Stadtteil ist, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Das gilt überall, also nicht nur in Essen oder im Ruhrgebiet, sondern auch in Städten wie Hamburg, München oder Leipzig.
Wenn wir mal in die USA schauen: Kann man Donald Trump auch so erklären, dass Partizipation und Wahlbeteiligung etwas zu tun haben mit sozialem Status?
In den USA ist die Wahlbeteiligung ebenfalls sehr ungleich. Dort hat Trump allerdings bestimmte Gruppen wieder mobilisiert und für Politik interessieren können, die vorher politikfern waren. Er hat Menschen aus der Mittelschicht und der Arbeiterklasse zurückgeholt, die in Regionen leben, die über einen längeren Zeitraum einen Niedergang erlebt haben. Das sind ehemalige Industrieregionen, die zum Teil schon über Jahrzehnte abgestiegen sind. Er hat durch Unterstützung in diesen Regionen Staaten im mittleren Westen gewonnen und sich so eine Mehrheit an Stimmen im Wahlkollegium, dem Electoral College sichern können.
So etwas gelingt der AfD in Deutschland auch.
Die AfD mobilisiert einen Teil der früheren Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Der größere Teil bleibt allerdings weiterhin zu Hause. Durch die stärkere Polarisierung beteiligen sich insgesamt mehr Menschen, manche wollen einen Denkzettel verteilen, andere wollen aber Wahlerfolge von Populisten gerade verhindern. Insofern ist das Bild ein bisschen komplizierter. Aber vermehrte Protestwahl zeigt uns, dass es in der Bevölkerung Gruppen gibt, die das Gefühl haben, bislang nicht repräsentiert zu sein. Sie haben nicht den Eindruck, dass die etablierten Parteien zu ihnen sprechen, ihnen etwas anbieten und dass sich ihre eigene Lage dadurch verändern könnte.
Armin Schäfer ist im Wintersemester 2019/20 Scholar in Residence am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Vergleichender Politischer Ökonomie und empirischer Demokratieforschung. Foto: © MPI für Gesellschaftsforschung
Die entscheidende Frage oder für mich lautet: Warum verzichten Menschen darauf zu wählen? Tragen sie nicht selbst die Verantwortung dafür, wenn sie zu Hause zu bleiben?
Zunächst einmal wissen wir: Wählen und Nichtwählen sind ansteckend. Man entscheidet also nicht rein individuell, ob man wählen geht oder nicht. Sondern das hat auch etwas zu tun mit der Familie, dem Freundeskreis, vielleicht auch mit der Gegend, in der man lebt.
Ob Politik überhaupt ein Thema ist?
Genau. Ob jemand sonntags beim Bäcker fragt: Hast du schon gewählt? Oder ob niemand auf die Idee kommt, eine solche Frage zu stellen. Das hängt davon ob, wer man ist und mit wem man zu tun hat. Ein zweiter Aspekt ist: Wenn Politik ungleich auf unterschiedliche Gruppen reagiert, dann droht ein Teufelskreis. Wer sich nicht vertreten fühlt, wählt nicht – und wer nicht wählt, wird schlechter repräsentiert. Im Ergebnis verzerrt dieses Wechselspiel politische Entscheidungen noch stärker zugunsten derjenigen, die sich beteiligen und denen es ohnehin bessergeht.
Das heißt, die Repräsentation in den Parteien und damit die Repräsentation in den Parlamenten entsprechen immer weniger dem Querschnitt der Bevölkerung?
Richtig, die Aktiven unterscheiden sich relativ stark von der Bevölkerung insgesamt. Mehr als 80 Prozent der Abgeordneten des Bundestags haben studiert, in der Bevölkerung sind es weniger als 20 Prozent. Auch Beamte, Unternehmer oder Juristen sind in den Parlamenten weit häufiger als in der Bevölkerung anzutreffen. Das zeigt: Zwischen denen, die die politischen Entscheidungen treffen, und denen, die von den politischen Entscheidungen betroffen sind, gibt es deutliche Unterschiede.
Was heißt das für die politischen Entscheidungen?
Wir haben versucht, dieser Frage systematisch nachzugehen. In unserem Forschungsprojekt haben wir alle Sachfragen erfasst, die in Umfragen erhoben wurden – von 1980 bis in die Gegenwart. Für jede einzelne dieser Fragen, insgesamt über 700, haben wir festgehalten, wer für eine Politikveränderung und wer dagegen war, kategorisiert nach Einkommen, Bildung, Berufsgruppe etc. In einem zweiten Schritt haben wir erhoben, was am Ende entschieden wurde.
Wenn man diese beiden Informationen zusammenbringt, zeigt sich ein sehr klares Muster: Die Entscheidungen des Bundestages haben in den letzten dreißig Jahren sehr viel häufiger mit den Präferenzen von Menschen übereingestimmt, die hohe Einkommen haben oder denen es insgesamt bessergeht. Sehr viel seltener gab es Übereinstimmungen mit den Präferenzen der Ärmeren. Und diese Diskrepanz ist dann besonders groß, wenn Arm und Reich verschiedene Dinge wollen.
Spielt Lobbyismus da eine Rolle? Oder ist es ein kulturell-ökonomisches Phänomen, wie Sie es gerade beschrieben haben? Denn am Ende haben die wirkmächtigeren Gruppen immer automatisch auch mehr Geld und beeinflussen die Politik stärker?
Wir konnten das nicht bis ins letzte Detail klären, einfach aufgrund der Fülle von Fragen. Aber ich vermute, dass beide Faktoren wichtig sind. Einerseits haben wir dieses immer homogener werdende Parlament, und wir wissen, dass die politischen Einstellungen der Abgeordneten stärker mit denen von Menschen übereinstimmen, die ihnen ähnlich sind: Menschen mit hoher Bildung und hohem Einkommen.
Andererseits ist Politik ist nicht frei von Einflussnahme, Lobbyismus ist wichtig. Bestimmte Interessengruppen wie Großunternehmen oder wichtige Industriezweige finden natürlich leichter Gehör in der Politik als ‚normale‘ Menschen, die im Zweifel gar nicht wissen, an wen sie sich wenden sollten oder wie sie das tun können.
Ich könnte jetzt das Stichwort Dieselkrise nennen oder ich könnte sagen, bei der Finanztransaktionssteuer ist grade der Hochfrequenzhandel aus den Papieren verschwunden. Das sind typische Beispiele für aktiven Lobbyismus und den Einfluss kleiner finanzkräftiger Gruppen?
Ja. Ohne dass sich das Einzelfall immer nachweisen ließe, kann man annehmen, dass bestimmte Interessengruppen dafür sorgen, dass keine Politik gegen sie gemacht wird, oder dass sie sich zumindest Zeit erkaufen, indem Entscheidungen verzögert werden.
Wir haben eine sozial und ökonomisch und am Ende politisch gespaltene Gesellschaft. Das ist Ihr Befund. Wie können wir aus diesem Teufelskreis herauskommen und verhindern, dass die Demokratie weiter gefährdet wird? Welche Möglichkeiten sehen Sie als Politikwissenschaftler?
Demokratie beinhaltet das Versprechen, dass eben nicht nur Interessen von bestimmten Gruppen berücksichtigt werden, sondern dass sehr viele unterschiedliche Gruppen zumindest die Chance haben, dass ihre Anliegen sich in politische Entscheidungen übersetzen. Und wenn das systematisch nicht der Fall ist, dann wird das Versprechen der Demokratie, dass man sich um alle kümmert, gebrochen. Und deswegen sehe ich darin eine Gefahr für die Demokratie.
Die zweite Frage wäre jetzt: Wie kann man diesen Mechanismus brechen, welche Ideen gehen Ihnen durch den Kopf?
Die Parteien könnten sich selbst anpassen, durch veränderte Rekrutierungsmuster. Wir wissen, dass Menschen sich nicht einfach spontan politisch beteiligen, sondern dies eher tun, wenn sie aktiv angesprochen und zur Mitgliedschaft ermutigt werden. Die Parteien müssen genauer darauf achten, wen sie ermutigen. Das geschieht ja bereits teilweise mit Blick auf Frauen oder, in geringerem Ausmaß, mit Blick auf Migranten. Parteien sollten nicht ausschließlich diejenigen zur Kandidatur ermuntern, die einen Universitätsabschluss haben. Diesen Mechanismus können die Parteien selbst angehen und müssten dafür keine Gesetze ändern.
Ein weiterer Punkt könnte das Wahlrecht sein. Unser Wahlrecht führt zu einer großen Konsensmaschine, zumal der Föderalismus die mögliche Große Koalition noch größer macht. Welche Zusammenhänge sehen Sie da?
Wir unterscheiden zwischen Mehrheitsdemokratien, in denen oft eine Partei alleine regieren kann, und Konsensdemokratien, in denen es zahlreiche Zwänge gibt, miteinander zu verhandeln und zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. In Deutschland erzwingt das Wahlsystem eigentlich immer, dass sich eine Koalitionsregierung aus mehreren Parteien bildet.
Gleichzeitig haben wir ein föderales System, das bei vielen politischen Entscheidungen bewirkt, dass die Verhandlungen noch auf weitere Parteien ausgeweitet werden müssen. Die Regierungsparteien müssen sich nicht nur untereinander einigen, sondern müssen in vielen Fällen zusätzlich die Grünen oder die FDP gewinnen, weil diese in Landesregierungen vertreten sind. Viele Entscheidungen sind im Ergebnis ein Kompromiss über vier, fünf Parteien hinweg. Am Ende ist nur noch schwer zu erkennen, wer wofür verantwortlich war, wer seine eigene Linie durchsetzen konnte. Das ist in anderen politischen Systemen weniger stark ausgeprägt.
Nochmal zurück in die USA: Wird Trump die Wahl wieder gewinnen oder nicht, wagen Sie eine Prognose?
Darauf kann es hinauslaufen. Ja.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jürgen Zurheide für mpg.de.
44 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
¿Repräsentative Demokratie? Bei Fraktionszwang? Repräsentativ, wenn ca. die Hälfte der MdBs von den Parteien selbst ausgewählt werden?
Irritierend ist, dass bei der Frage nach Ideen, den Teufelskreis zu durchbrechen, das Stichwort Direkte Demokratie noch nicht einmal erwähnt wird. Eine solche würde dem Lobbyismus den Boden entziehen, kommt aber nicht von alleine - und wird schon gar nicht von der jetzigen 'Demokratie' favorisiert. Die erhöht lieber ihre Diäten als sich selbst auch nur ansatzweise in Frage zu stellen, schwafelt aber von der "besten Demokratie, die wir je hatten" und meint damit, es gibt nix Besseres.
Doch, manchmal gibt es ein Leckerli (aktuell Grundrente), um das Stimmvieh bei Laune zu halten.
#mussmanwissen
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Verzeihung, aber eine solche Einstellung halte ich für bekloppt - oder etwas feiner ausgedrückt: für nicht nicht hinreichend durchdacht.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, bekloppt, werter Herr Krause. Es gehört natürlich eine gewisse Portion Aufklärung und Ausbildung dazu. Und Sozialstaat in Form eines BGE. Mehr?
Hätte ich gleich anfügen sollen; zu blöd.
David Z am Permanenter Link
Was haben Sie am Brexit auszusetzen? Ich kann hier nur ein Paradestück der englischen Demokratie erkennen.
Wenn Sie dem Wähler sowenig zutrauen, warum, dann überhaupt noch Wahlen?
Jonas Hopf am Permanenter Link
Hans, ich muss leider sagen, dass ich Deine Gedanken für gefährlich halte. Ich denke, uns geht es heute so gut wie niemals zuvor in der GESAMTEN Menschheitsgeschichte.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, selbstverständlich gefährlich, Jonas - weil es ans Eingemachte und an die Selbstgefälligkeit \ die Selbstbedienungsmentalität der sog. Eliten geht.
Und ein "heute so gut wie niemals zuvor" schließt ein >besser und gerechter für *alle* ist möglich< nicht aus. Da bin ich sogar notorisch.
Andreas Scholz am Permanenter Link
wer genau ist denn "uns"?
wenn sie den radius ihrer wahrnehmung ein wenig größer gestalten würden, würden sie erkennen, das ein signifikanter teil der bevölkerung von diesem "uns" ausgeschlossen ist.
ich gebe mal ein paar stichworte:
altersarmut, kinderarmut, armutsrenten, prekäre beschäftigung, tafeln, armuts-reichtums-scheere, und und und
und dieses "uns" wird, jeder der das will kann es sehen, wird ständig kleiner.
es kann ja sein, dass sie sich innerhalb dieses "uns" befinden, aber die kleiner werdenden grenzen fressen sich auch auf sie zu. das ist mal sicher.
und das ist das ergebnis einer politik die, die interessenvertretung derer ist, die noch zu "uns" gehören werden, wenn sie schon lange nicht mehr dabei sind.
daran ändert auch nichts die kosmetische salbe die auf die schlimmsten auswüchse zu schmieren versucht wird, wie mietendeckel, mindestlohn und grundrente.
Jonas Hopf am Permanenter Link
Auch Menschen, denen es relativ gesehen schlechter geht in unserem Land geht es besser als vor 100 Jahren, 500 Jahren oder gar Jahrtausenden. Wir müssen aber gar nicht in die Geschichte.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Selbst wenn das vor 100 Jahren so gewesen sein sollte (was ich etwas bezweifeln möchte), hört sich das "den Rechten den Weg"-Ebnen doch heute etwas zu sehr nach Kritikimmunisierung (oder gar nach VT) an.
…
Empfehle die 800 Seiten der "Selbstverbrennung" von H.J. Schellnhuber oder auch nur die ersten 20 Seiten von E. Fromms "Haben oder Sein" - selbst wenn beide Bücher etwas religiös gefärbt sind.
Jedenfalls erscheint es mir als naiv bzw. ignorant, angesichts der aktuellen Systemkrise davon zu reden, allen ginge es besser.
Jonas Hopf am Permanenter Link
Nur noch kurz so viel: Wenn wir unsere heutigen Probleme so aufbauschen, dass wir die riesigen Vorteile des Zusammenspiels von Rechtsstaat, fairem Wettbewerb, einem starken Staat (als Regelsetzer und Schiedsrichter, N
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es geht m.E.
Jonas Hopf am Permanenter Link
Ich behaupte genau das Gegenteil. Was für Dich die Ursache der Probleme ist, ist für mich die Lösung.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Interessant, Jonas, dass für dich "die Ursache der Probleme" die Lösung ist.
Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt ja auch Schellnhuber (in "Selbstverbrennung") - und der lebt ganz sicher nicht in einer "linken Blase".
Jonas Hopf am Permanenter Link
Was genau meinst Du, wenn Du von "System" sprichst?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Lies mal meinen hpd-Beitrag vom 8.1.20 (https://hpd.de/artikel/homo-oeconomicus-vs-oekonologische-revolution-17590?nopaging=1) - inklusive > 150 Kommentare.
Andreas Scholz am Permanenter Link
ihre behauptungen sind von neoliberaler propaganda nicht zu unterscheiden.
immerhin vermeiden sie den terminus "linksversift".
es gibt neoliberale hardliner, denen das nicht gelingt.
Jonas Hopf am Permanenter Link
Einen solchen Begriff würde ich nie verwenden. Linke Argumente sind mir oft sympathisch. Zudem sind viele meiner Freunde links. Lassen Sie mich also wie folgt antworten:
Dass man ein guter Mensch sein kann - jemand, der mitfühlend, sozial und empathisch ist - OHNE links oder christlich zu sein, kommt vielen gar nicht in den Sinn.
Thomas R. am Permanenter Link
Hier mal ein neuer Gedanke für Sie: Nicht jeder, der sich für *links* hält oder gehalten wird, ist ein moralischer Mensch, aber jeder moralische Mensch ist quasi automatisch in einem weiteren Sinne *links*, da er sich
Jonas Hopf am Permanenter Link
Interessant. Menschen, die nicht links sind, sind also in Ihren Augen unmoralisch. Das sollten Sie einmal hinterfragen.
Thomas R. am Permanenter Link
"Menschen, die nicht links sind, sind also in Ihren Augen unmoralisch."
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"Im Irrationalismus gibt man ja dem Gefühlsmäßigen Vorrang vor der Verstandserkenntnis."
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Nein, Irrationalismus besteht in evidenz- und ethikwidrigem Denken. "Gefühlsmäßigkeit" hingegen bezeichnet man besser als NICHT-RATIONAL. Jedenfalls ist es notwendig, die ethisch unverzichtbare Unterscheidung zwischen Denken und Empfinden auch begrifflich zu fassen.
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"Ich möchte Sie bitten einmal darüber nachzudenken, ob nicht Ihre linken Emotionen Sie die Marktwirtschaft ablehnen lassen."
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Meine Ablehnung des Kapitalismus ist nicht emotionaler, sondern ETHISCHER Natur, denn man kann logischerweise nicht gleichzeitig Profit maximieren und Leid minimieren (wie an den Zuständen auf der Erde überdeutlich erkennbar ist).
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"Und ich möchte, dass anerkannt wird, dass man auch ein guter Mensch sein kann ohne Christ oder links zu sein."
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Das kommt überhaupt nicht in Frage, denn es wäre potenziell gefährlicher Unfug. Nochmal: nicht jeder *Linke* ist ein "guter" (= moralischer) Mensch, denn nicht jeder von ihnen bemüht sich um systematisches und lückenloses leidvermeidendes Verhalten nach dem ethischen Gleichheitsgrundsatz im zentralen Interesse aller empfindungsfähigen Wesen. Umgekehrt ist aber jeder "gute" (= moralische) Mensch (in einem weiteren Sinne!) *links*! Christen hingegen können aus gleich zweierlei Gründen keine "guten" (= moralischen) Menschen sein, weil religiöse Normativität logisch unvereinbar mit der Ethik ist und das für Religioten typische evidenzwidrige Glauben und strukturell korrupte Denken bestmögliche Moralität be- oder verhindert.
Andreas Scholz am Permanenter Link
da sie auf meinen vergleich zwischen ihren behauptungen und neoliberaler propaganda nicht eingegangen sind, gestatten sie die frage:
benutzen sie das forum des hpd um neoliberale propaganda zu betreiben und wenn ja: werden sie dafür bezahlt?
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Ein Linker gilt als mitfühlend, sozial und empathisch.
Jonas Hopf am Permanenter Link
Na das ist doch ganz einfach. Jeder (oder fast jeder) möchte ein guter Mensch sein, und je nachdem wo man aufwächst, wird das praktisch mit dem Wort "Christ" oder "links" gleichgesetzt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schon klar, "dass man auch ein guter Mensch sein kann ohne Christ oder links zu sein".
rainerB am Permanenter Link
Herr Trutenau, meine vollste Zustimmung zu Ihrer Demokratiekritik!! Allerdings wäre die Fragen noch weiterzutreiben, um zum Kern der Misere vorzudringen. Leider wurde mein dsbzgl.
Kann eine aussschl. repräsentative Demokratie überhaupt eine Demokratie i.S.v. Volksherrschaft und i.S.v. Volkssouveränität sein?? Oder ist dieser Doppelbegriff vielmehr ein Widerspruch in sich? Volksherrschaft heißt, das Volk ist unumschränkter Souverän der Gesetzgebung. Wenn es diese Souveränität nie per direkter Demokratie ausüben darf, und regelmäßig mit dem Wahlakt für Jahre wieder verliert, gibt es kein Volk als Souverän, sondern nur Vertreter- und Lobbyeliten an seiner Stelle. Das ist aber kein polit. System, dass sich Demokratie nennen darf, sondern eines mit oligarchen und kleptokratischen Wesensmerkmalen.
Der Max-Planck-Studie voraus ging eine Untersuchung der Uni Osnabrück von 2016 für DE ab 1995, sowie eine für die USA von 2006. Alle mit übereinstimmenden Ergebnissen: politische Entscheidungen folgen den Präferenzen der Vermögenden und ignorieren fast durchweg die der Armen.
Das polit. System ist also nicht nur eines, welches die Bezeichnung Demokratie nicht verdient, sondern zudem ein nicht repräsentativer Parlamentarismus. Man staunt daher mit welcher Überzeugung täglich die Verteidigung "DER Demokratie" beschworen wird, wo es doch faktisch, i.S.v. Kant und Rousseau, gar keine gibt.
Die bloße Abwesenheit einer diktatorischen Regierungsform macht noch lange keine Demokratie. Genausowenig wie die partielle Anwendung einiger demokr. Verfahren, wie Wahlen.
Die Mindestbedinung um überhaupt von Demokratie sprechen zu können, wären Verfassungssetzungen u. -änderungen nur durch Volksentscheid und die Möglichkeit, wichtige Sachfragen auf Bundesebene durch Volksabstimmungen entscheiden zu können! Nur in diesem Falle bliebe ein Volk nämlich souverän handelndes Subjekt und würde nicht zum Verhandlungsobjekt seiner paternalistischen Vertreter degradiert, so wie es seit 70 Jahren in DE der Fall ist, und als Demokratie verkauft wird.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Doch, Herr Rainer B, auch eine (wie unsere, *nicht* ausschließlich) "repräsentative Demokratie" ist eine Art Demokratie - wie sie von ihren Repräsentanten (zu denen ich auch den interviewten Armin Schäfer in
Letztere zu vervollkommnen (und, s. Bsp. Schweiz, zur Regel zu machen), ist sicher eine gigantische Herausforderung. Ob das mit dem Ansatz von Mehr Demokratie e.V. kurzfristig gelingt (quasi mit einem u.U. sehr langen Marsch durch die Institutionen), wage ich angesichts der 'Erfolge' von Trump & Co. zu bezweifeln.
Meines Erachtens läuft das unter den gegenwärtigen ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen *notwendigerweise* auf eine Revolution (eine große Transformation im Sinne von J. Rifkin lt. Schellnhuber in "Selbstverbrennung", S. 621 ff) hinaus, und zwar nicht nur ökonom-/ökolog-isch (zusammen ökononologisch), sondern auch gesellschaftlich.
Wie und von wem das in welche Richtung gelenkt werden könnte oder wird, wage ich nicht im Ansatz zu beantworten (ich bin ja kein Hellseher); ich meine nur zu wissen, dass da genau jetzt etwas dräut.
Mich persönlich tangiert das in meinem Alter von bald 68 Jahren kaum noch - ich kann nur mehr schreiben, warnen, aufklären - und, wo es geht - mitmachen.
Das Ganze ist Sache der heutigen Jugendlichen; die werden das in ihre Hand nehmen.
Weil sie sich nicht weiter ihre Zukunft versauen lassen wollen.
Und genau dies ermutigt auch mich.
RainerB am Permanenter Link
"...auch eine (wie unsere, *nicht* ausschließlich) "repräsentative Demokratie" ist eine Art Demokratie - wie sie von ihren Repräsentanten verteidigt wird, wenn auch häufig als die bestmögliche Art;...&q
Wie die Studien zeigen, wird bei Entscheidungen nur sehr schlecht bzw. überhaupt nicht repräsentiert und von Volksherrschaft i.S.v. Souverän kann überhaupt nicht die Rede sein. Was bitte berechtigt also, die westl. polit. Systeme als Demokratien zu bezeichnen?? Es ist der größte Bluff und Betrug, der seit Jahrzehnten von den Eliten aufgetischt wird und immer noch wirkungsvoll verhindert, dass die essentiellen polit. Fragen gestellt werden.
Wir leben in einem Parlamentarismus, der sich einiger demokratischer Verfahren bedient, was aber eben noch lange keine Demokratie macht. Gut, es ist keine offene Diktatur, aber schon den alles bestimmenden, jahrzehntelangen Wirtschaftslobbyismus insb. auf EU-Ebene, kann man verdeckte diktatorische Züge nicht absprechen...
Und wo es keine Demokratie gibt, sollte das auch so benannt werden!
Andreas Scholz am Permanenter Link
ich habe es an anderer stelle schon mal gepostet, und wiederhole es hier noch einmal:
diese form der "demokratie" ist ein eine herrschaftsform um demokratie zu verhindern.
es geht darum die interessen der besitzenden ( minderheit ) gegen die interessen der nicht besitzenden ( mehrheit ) zu schützen.
RainerB am Permanenter Link
Und diese Maxime steht schon unverholen als Eigentumsschutz am Beginn neuzeitl. Demokratiephrasen:
„Wenn heutzutage in England die Wahlen allen Klassen offen stünden, wäre das Eigentum der Landbesitzer nicht mehr sicher. Es würde bald ein Agrargesetz geben. Falls diese Beobachtungen richtig sind, sollte unsere Regierung die dauerhaften Interessen des Landes vor Neuerungen bewahren. Grundeigentümer sollten Anteil an der Regierung haben, um diese unschätzbar wertvollen Interessen zu schützen und gegenüber den anderen auszubalancieren und einzuhegen. Sie sollten so aufgestellt sein, dass die Interessen der wohlhabenden Minderheit vor der Mehrheit geschützt sind. Diese Körperschaft sollte daher der Senat bilden; und um diesem Zweck gerecht zu werden, sollten sie dauerhaft und stabil sein.“
(James Madison, zitiert nach Robert Yates, Notes of the Secret Debates of the Federal Convention of 1787, Pennsylvania)
Oder:
„Alle Gemeinschaften sind in die Wenigen und die Vielen geteilt. Erstere sind reich und aus gutem Haus, die anderen bilden die Masse des Volks. [...] Das Volk ist unruhig und wechselhaft; selten urteilen oder bestimmen sie richtig. Deshalb gebt der oberen Klasse einen eigenen, dauerhaften Anteil an der Regierung. Sie werden die Unbeständigkeit der zweiten im Zaum halten, [...] Nichts anderes als eine dauerhafte Körperschaft kann die Unbedachtsamkeit der [direkten] Demokratie zügeln. Ihr stürmisches und ungezügeltes Wesen muss in Schach gehalten werden.“
(Alexander Hamilton, nach Robert Yates: Notes of the Secret Debates of the Federal Convention of 1787)
Was mit den Demokratiephrasen bis heute "in Schach" gehalten werden soll, sind einzig etwaige Forderungen der armen Mehrheit nach Umgestaltung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse! Das ist der Kern, den auch heutige Pseudo-Demokratien im Interesse der Eigentumseliten abzusichern haben - auch in DE.
Aber vielen erscheint diese Aussage zu klassenkämpferisch, weshalb sie sich als Habenichte DE (und EU) lieber als Demokratie schön reden und meinen, diese Pseudodemokratie müsste gegen böse "Populisten" verteidigt werden...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Interessant fände ich zu erfahren, wie wir aus dem Dilemma herauskommen könnten...
Hans Trutnau am Permanenter Link
@A. Scholz + RainerB:
Ich denke, dass wir derzeit in einer Form von Demokratie leben, die sich so nennt, obwohl sie diverse Defizite hat, die von ihren Repräsentanten (bis hin zum BuPrä) nicht gesehen bzw. geleugnet, zumindest nicht adressiert werden.
"... Bluff und Betrug, der seit Jahrzehnten von den Eliten aufgetischt wird und immer noch wirkungsvoll verhindert, dass die essentiellen polit. Fragen gestellt ..."
Was wären denn z.B. die essentiellen Fragen? Und Antworten?
"... es geht darum die interessen der besitzenden ( minderheit ) gegen die interessen der nicht besitzenden ( mehrheit ) zu schützen."
Und wie sollte das bewerkstelligt werden?
Will sagen, es geht mir nicht nur um Kritik der bestehenden Verhältnisse, sondern immer auch um eine auch nur ansatzweise gangbare, politisch durchsetzbare Alternative.
RainerB am Permanenter Link
Ich denke, dass wir derzeit in keiner Demokratie leben, sondern nur in einem System, das sich so nennt, obwohl es grundsätzliche, systemische Defizite hat, die es als Demokratie disqualifizieren.
"Was wären denn z.B. die essentiellen Fragen? Und Antworten?"
Bundesweite VA, Beendigung des Truppenstationierungsabkommens mit den USA, Schließung von Ramstein, Entfernung aller Atomwaffen aus DE, Vermögenssteuer, Mandats- u. Amtszeitbegrenzung für Abgeordnete und Regierungsmitglieder auf acht Jahre, Transparenzgesetze bundesweit, internat.. Lieferkettengesetz..., um mal Einiges zu nennen, was zwar am Stammtisch angesprochen, aber mangels politischer Entscheidungsrechte nirgends zwingend(!) in den gesell. Diskurs eingebracht werden kann, weil Parteizirkel, Leitmedien und Wirtschaftslobbyvereine ein faktisches Diskursmonopol in DE ausüben.
"Will sagen, es geht mir nicht nur um Kritik der bestehenden Verhältnisse, sondern immer auch um eine auch nur ansatzweise gangbare, politisch durchsetzbare Alternative." Das ist völlig korrekt, nur sollte eine Kritik an den bestehenden Verhältnisse nicht schönfärben. Denn wenn schon die Analyse fehlgeht, und man DE zur Demokratie - wenn auch mit Defiziten - erklärt, werden die Alternativentwürfe genauso kranken, wie der Istzustand.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, dann mal ran. Das ginge m.E. dann aber nur mit einer Revolution, wie ich bereits am 8.1.20 hier anriss: https://hpd.de/artikel/homo-oeconomicus-vs-oekonologische-revolution-17590
Andreas Scholz am Permanenter Link
der frage wie das funktioniert, könnte man sich natürlich zunächst einmal empirisch nähern.
wie genau hat das funktioniert, dass ein ehemaliger topmanager von blackrock auf einmal
und vor allem warum?
von der theorie her sind für mich die darlegungen von professor mausfeld zum thema überzeugend.
zum beispiel hier:
https://www.youtube.com/watch?v=ZNzvIY-BrVk
https://www.youtube.com/watch?v=-hItt4cE0Pk
und andere.
Roland Weber am Permanenter Link
Solange nur die gehobenen Schichten in einem Parlament sitzen, sind die Folgen geradezu logisch und man kann sich allenfalls wundern, wenn das verwundert …
Solange überhaupt so etwas wie Parlamentswatch erforderlich ist, um das Wissen über das Ausmaß von Lobbyismus aufzuzeigen und das Vorführen der sich krampfhaft wehrenden Politiker nur bedingt Wirkung zeigt; solange Nebenverdienste der Parlamentarier möglich, aber nur in groben Zügen anzeigepflichtig sind (ansonsten ist es entweder generell verboten oder erlaubnispflichtig; im Ausland sind das Straftaten!); solange eine „politische Verantwortung“ eine Phrase bleibt (von der Leyen; Scheuer etc.) und solange es die Parteien selbst regeln, wer überhaupt auf die politische Bühne darf, solange wird es so bleiben, wie es ist.
Unzulänglichkeiten (Bahn; ÖNV; Zustand der Infrastruktur; Wohnungsnot etc.) werden weitgehend ignoriert und allenfalls etwas Minimalistisches „für's Fenster“ geleistet (Mindestlohn; Grundrente) und Inkompetenzen (Dauer von Baustellen; Stuttgart 21; BER etc) bleiben folgenlos.
Man stelle sich nur einmal vor, in Deutschland gäbe es große Waldbrände, ein Erdbeben, eine neue Seuche etc. - man würde schnell merken, in welchem politischen Saftladen wir uns aufhalten – wobei ich nichts gegen Säfte gesagt haben möchte!
Ach ja: Und allen nicht-partei-politischen Stellen, wie „attac“ versucht man den Hahn zuzudrehen (keine von der Steuer abzusetzende Spenden), weil sie nur „allgemeine politische Ziele haben“. Demnächst kann sich auch die gbs darauf einstellen. Und auch - ach ja: In Sachen Religion und deren Beschränkung tut sich selbstredend auch in den nächsten Jahrzehnte nichts!
Das aufgegriffene Thema ist gut und ist leider mehr als notwendig - gerade weil die tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich und "bestandsfest" sind!
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Zitat:
"Wird Trump die Wahl wieder gewinnen oder nicht, wagen Sie eine Prognose?"
"Darauf kann es hinauslaufen. Ja."
Zitatende
Frage: Worauf?
PS: Ich bin überzeugt, dass der Blondschopf gewinnen wird.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Antwort von Adam Sedgwick auf das „Interview: Ich sehe eine Gefahr für die Demokratie“ mit Armin Schäfer im hpd
Berlin den 20.2.2020
Marx hat doch recht!
Obwohl der Ökonomie-Wissenschaftler Karl Marx immer bekämpft wird, hat er doch in zwei Dingen recht! Erstens, das gesellschaftliche Sein bestimmt das politische Bewusstsein! und zweitens: Die gesellschaftlichen Veränderungen treten dann auf, wenn der Fortschritt der Produktivkräfte in den Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen gerät.
Also der erste Punkt betrifft genau das Phänomen, dass Herr Schäfer hier im Interview beschreibt. Menschen mit geringem Einkommen und fehlender Bildung fühlen sich zu Recht von den Abgeordneten verraten. Alle haben ein Monatseinkommen von 10 000€, und die allerwenigsten von ihnen haben sich jemals in den Hartz IV Einkommensregionen aufgehalten. In all den Talksendungen, die das Parlament mittlerweile ersetzt haben, wie Anne Will, Frank Plasberg, Markus Lanz oder Maybritt Illner, besprechen Themen, von denen sie selbst noch nicht mal im Entferntesten betroffen sind. Also viele Menschen mit geringem Einkommen interessieren sich nicht für Wahlen, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. Was man ja schon immer ahnte, die Herrschenden scheren sich den Deibel um uns, und das versuchen sie uns auch ehrlicherweise nahezubringen, das didaktische Konzept dazu erkennt man eindrucksvoll an der Wahl in Thüringen! Aber auch die letzte Europawahl zeigte diese demokratieverachtende Haltung exemplarisch, was scheren uns denn die Wähler, wenn Entscheidungen im Hinterzimmer viel lustiger und entspannter herbeigeführt werden können: Plötzlich ist Frau von der Leyen mit Merkels Einfluss zur EU Kommissionschefin gekürt. Für mich entstand dadurch der Eindruck, man brauche gar nicht zur Wahl zu gehen! Andere entscheiden, die Stimme des Volkes zählt nicht, willkommen in der modernen Diktatur!
Betrachtet man die CDU Karrieristen Friedrich Merz, Jens Spahn und Amthor, die bereits mit 17 Jahren schon in die CDU eintraten! Was haben diese Herren vom normalen Leben, das die meisten von uns führen müssen, überhaupt mitbekommen? Kein Wunder, das sind die typischen Parteiapparatschiks, die das Wählervolk eigentlich als lästiges Beiwerk der Demokratie ansehen in ihrem Kampf um die Posten. Wie sonst ließen sich die monatelangen Koalitionsverhandlungen erklären? Die Inhalte können es ja nicht sein, man kennt ja die Denke und Konzepte der Kollegen aller Parteien nach all den vielen gemeinsamen, stundenlangen Sitzungen während der Ligislatur. Es ging um Posten!
Nun zu den Einzelschiksalen: Natürlich denkt ein Friedrich Merz anders als eine Angestellte bei ALDI, ersterer hat das Problem seine täglichen! 5000€ auszugeben, während die Angestellte mit ihrem Nachwuchs mit demselben Betrag zwei Monate klarkommen muss, und es dürfen dann auf keinen Fall unerwartete Extraausgaben hinzukommen. Was hätte denn letztere von einem F.M. zu erwarten? Neue Konzepte zur Erleichterung ihres Lebens? Wenn das sein sehnlichster Wunsch wäre, hätte er den sich selbst und den anderen längst erfüllen können-ist aber nicht passiert und wird auch nicht passieren!
Die Aussagen von Armin Schäfer überraschen mich nicht, im Gegenteil, sie sind einfach das Ergebnis der kapitalistischen Wirtschaftsform, wer hat dem wird gegeben, wer nichts hat, soll sehen wie er klarkommt, womit wir jetzt allerdings schon beim Thema Christentum und christliches Verhalten angekommen sind. Dazu äußert sich ja aber der hpd ständig, und das Gedankengut ist sicherlich den meisten Lesern geläufig, deswegen will ich jetzt nicht darauf eingehen.
Die zweite Aussage über die Entwicklung der Produktivkräfte, was eigentlich heißt, der technische Fortschritt durch die Entdeckungen der Wissenschaften und den Erfindungen der Ingenieure. In den vergangenen 10 Jahren hat sich die Gesellschaft durch die Erfindung von Smartphones und anderer Technologien drastisch verändert, vieles spürt man und ist auch von vielen bereits ausführlich beschrieben. Dennoch würde ich mich gerne in einem gesonderten Beitrag dazu mal auslassen, denn das Thema ist zu umfassend, aber auch sehr spannend und lehrreich. Die politische Kaste leidet ja jetzt schon unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und reagiert ausgesprochen hilflos und inkompetent.
Werner Koch am Permanenter Link
Eine interessante Auswertung. Allerdings wird einseitig eine Bevölkerungsgruppe identifiziert, die von der Politik nicht gebührend berücksichtigt wird.
Insbesondere, wenn man registriert, wie der relativ kleine Anteil der Muslime, die durch konservative Moscheevereine vertreten werden, von der Politik beachtet werden. Es gab Deutsche Islamkonferenzen der Bundesregierung, es wird islamischer Religionsunterricht in den Schulen angestrebt. Es werden für Muslime Mitwirkungsmöglichkeiten in den Rundfunkräten eingeräumt – Mitwirkungsmöglichkeiten für Humanisten und konfessionsfrei Bürger hingegen spielen so gut wie keine Rolle – die Kirchen hingegen sind unverändert stark vertreten.
In der Politik haben die Kirchen einen starken Einfluss. Die von den Parteien aufgestellten Kandidaten sind überwiegend Kirchenmitglieder. Entsprechend spielen Kircheninteressen in der Politik eine große Rolle. Dazu trägt vermutlich auch die Verquickung von Politik und Kirchen bei, die man an kirchlichen Ehrenämtern für politische Vertreter erkennen kann. Man muss sich nur anschauen, welche Politiker in das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) „hinzugewählt“ wurden. Der Ministerpräsident von BW hat sechs kirchliche Ehrenämter. Er wird dafür nicht von den Kirchen bezahlt – der Steuerzahler bezahlt womöglich noch die Reisekosten und den Personenschutz, etc. Trotzdem darf man annehmen, dass das dazu führt, dass Kircheninteressen wohlwollend in der Politik beachtet werden. Dass diese Verquickung von Ämtern mit sich bringt, dass der Katholikentag 2022 nach Stuttgart eingeladen wurde, das ZdK das einstimmig beschließt und dafür auch vom Land BW staatliche Zuschüsse bereitgestellt werden, ist schwer zu widerlegen.
Die Interessen der konfessionsfreien Bürger werden in der Politik nicht abgefragt und nicht gehört. Es gibt in Deutschland Runde Tische der Religionen, wo Religionsvertreter und öffentliche Vertreter zusammenkommen und ihre Interessen besprechen. Weltanschauungen werden in solchen Runden Tischen ausgeschlossen (Erfahrung aus Stuttgart ).
Die Interessen der Konfessionsfreien werden nicht gehört wie weitere Beispiele zeigen: die Untätigkeit bei der Abschaffung der Staatsleistungen; Gesetze, die im Interesse der Kirchen erlassen werden (Sterbehilfeverhinderungsgesetz, Beschneidungsgesetz) oder nicht abgeschafft werden (Blasphemiegesetz); die Privilegien und Sonderrechte der Kirchen werden nicht abgeschafft.
Thomas R. am Permanenter Link
Herr Schäfer hätte nichts zu forschen, wenn alle Menschen (und insbesondere Politiker) ethisch denken und sich moralisch verhalten würden, denn der ethische Gleichheitsgrundsatz ist DAS Antidot gegen Egoismen aller Ar
David Z am Permanenter Link
Sie scheinen tatsächlich zu glauben, dass es nur eine Wahrheit und nur eine richtige Handlungsoption gibt.
Thomas R. am Permanenter Link
Falsch, Herr Z..
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Ihr "Antwortguthaben" für diesen Thread ist aufgebraucht. Bis irgendwann mal wieder...
David Z am Permanenter Link
Wenn Sie also einräumen, dass es mehr als eine "Wahrheit" gibt, ist denn dann Ihre Forderung nach "ethischem und moralischem Denken" nicht etwas eindimensional?
Egal, spannend finde ich folgendes: Warum stellen Sie Gleichheit und Egoismus gegenüber? Fakt ist: Egoismus ist nicht per se "schlecht". Und Gleichheit ist nicht per se "gut".
Stefan Dewald am Permanenter Link
Hier gibt es eine quantitative Analyse in der Süddeutschen Zeitung. Allerdings hat man das massive Übergewicht religiös gebundener Menschen unter den Tisch fallen lassen.
https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/bundestag-diese-abgeordneten-fehlen-e291979/
David Z am Permanenter Link
Interessanter Link, danke dafür, auch wenn ich den Artikel doch ein wenig einfältig finde.
Es fehlen bestimmt auch noch Einäugige, Linkshänder, Rothaarige und FKK-Anhänger.
Was soll diese künstliche Segregation, die Gruppenbildung, dieses Gegeneinander?
Ich sehe keinen Grund, warum Frau nicht auch von Mann vertreten werden kann oder umgekehrt. Erst recht ist es nicht nachzuvollziehen, warum sich bestimmte Religionsangehörige, hier Muslime, nicht in unserer Parteienvielfalt wiederfinden können. Ein solcher Gedanke ergibt nur dann Sinn, wenn die Autorin davon ausgeht, dass entgegen den Verlautbarungen bei Muslimen eben doch fundamental andere Werte im Spiel sind und diese darüber hinaus auch noch politisches Gehör erhalten sollten.