Für uns Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit: Wir belohnen andere als Zeichen unserer Dankbarkeit. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie und für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig haben nun ähnliche soziale Verhaltensweisen auch bei Schimpansen nachgewiesen. In einem Verhaltensexperiment belohnt ein Tier ein anderes mit Futter, wenn dieses ihm zuvor geholfen hat. Offenbar hat nicht erst der Mensch aus diesem Grund kooperiert, schon der Vorfahr von Mensch und Schimpanse hat offenbar aus einer ähnlichen Motivation heraus untereinander geteilt. Die Studie zeigt, warum Schimpansen dies tun und bestätigt Ergebnisse aus der Spieltheorie.
Dass Schimpansen auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren ist bekannt – nicht jedoch, aus welcher Motivation heraus sie das tun. Die Max-Planck-Wissenschaftler haben deshalb ihren Fokus auf die psychologischen Faktoren gelegt, die bei der Kooperation von Schimpansen eine Rolle spielen. In Verhaltensstudien haben sie untersucht, ob und wann Schimpansen motiviert sind, einander Futter zukommen zu lassen. Sie haben dafür die Reaktion der Tiere auf das Verhalten von Artgenossen beobachtet. Die Schimpansen konnten während des Experiments zwischen zwei Optionen wählen, von denen eine ihnen selbst und dem Partner Futter bescherte. Bei der zweiten erhielten ausschließlich sie selbst Futter.
Die Forscher stellten fest, dass alle Schimpansen ihren Versuchspartner begünstigten – allerdings nur, wenn dieser sie bei der Beschaffung des Futters im Vorfeld unterstützt hatte. Besonders großzügig waren die Tiere, wenn der Partner durch uneigennützige Hilfe sogar riskiert hatte, selbst gar kein Futter zu bekommen. Dieses Verhalten bestätigt spieltheoretische Modelle zu sozialer Kooperation, die zuvor am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften erforscht wurden und die den Anstoß für die Verhaltensstudie lieferten.
Verzichten, um zu belohnen
Materielle Belohnungen gelten als zentraler Bestandteil menschlicher Zusammenarbeit. Die Ergebnisse der aktuellen Studie belegen, dass Schimpansen unter bestimmten Umständen ebenso bereit sind, sich ihren Artgenossen gegenüber erkenntlich zu zeigen. "Am meisten hat uns überrascht, dass die Schimpansen sogar Kosten auf sich nehmen und auf zusätzliches Futter verzichten, um einen Artgenossen für dessen Unterstützung zu belohnen. Bisher galt es als sicher, dass Schimpansen in Situationen wie diesen nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben", sagte Martin Schmelz, einer der Autoren der Studie. Die Tiere können offenbar sogar einschätzen, wie viel Belohnung ihr Partner verdient: Je mehr dieser zuvor riskiert hat, desto größer ist die Bereitschaft, das eingegangene Risiko entsprechend zu honorieren.
"Die Ergebnisse legen nahe, dass die Schimpansen nicht nur die Handlungen sondern auch die kooperativen Absichten ihres Versuchspartners in Betracht ziehen und uneigennütziges von potentiell eigennützigem Verhalten unterscheiden“, sagte Sebastian Grüneisen, ein weiterer Autor der Studie. „Sie zeigen zudem, dass die Tiere einzelne Ereignisse in ihren Entscheidungen berücksichtigen, selbst wenn ihnen hierdurch zunächst ein materieller Nachteil entsteht."
Schimpansen könnten also eine Art "emotionale Buchhaltung" führen und soziale Entscheidungen auf emotionaler Ebene treffen. Möglicherweise wollen Schimpansen die Kooperationsbereitschaft des Partners erwidern und den Wunsch nach einer sozialen Bindung signalisieren. Diese Vermutung deckt sich mit dem Befund, dass Schimpansen höhere Oxytocin-Werte – ein Hormon, das an der Ausbildung sozialer Bindungen beteiligt ist – im Blut aufweisen, wenn sie mit Artgenossen interagieren. Weitere Studien mit Schimpansen sowie mit den noch sozialeren Bonobos könnten die Ergebnisse der Forscher untermauern. (JG/HR)