Zentralstelle Patientenverfügung:

Suizidhilfe-Recht immer konfuser und strittiger

Der Kampf zwischen Verschärfung und Liberalisierung der Suizidhilfe nimmt auf dem Feld der deutschen Gerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit groteske Formen an. Eine staatliche Behörde missachtet gar ein rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2017.

HVD BB

Zwei Ärzte wurden in den letzten Wochen wegen Suizidhilfe angeklagt. Der Vorwurf lautet "Tötung auf Verlangen durch Unterlassen" aufgrund unterlassener Hilfeleistungen angeklagt. Aber geht es noch paradoxer? Wenn eine Unterlassung medizinischer Rettungsmaßnahmen ausdrücklich in einer Patientenverfügung verlangt worden ist, gilt dies für Ärzte verbindlich. Was hat zudem der Suizid, also die Selbsttötung mittels eigener Tatherrschaft, mit der Fremdtötung auf Verlangen eines Sterbewilligen gemein? Zwar gibt es durchaus – selbst bei Mord – das Tötungsdelikt durch Unterlassen. Bislang galt jedoch in Deutschland, dass strafrechtlich strikt zu unterscheiden ist zwischen der im Einzelfall straffreien Hilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung und der in jedem Fall strafbaren Fremdtötung.

In beiden Ärzteprozessen konnte der umstrittene, seit Dezember 2015 in Kraft getretene Strafrechtsparagraf 217 nicht greifen, denn es ging um ärztliche Suizidhilfe, die jeweils schon vor fünf Jahren erfolgt war. Der neue Paragraf kann nicht zur Anwendung kommen in Fällen, die sich vor seiner Inkraftsetzung ereignet haben. Den Anklagen lag vielmehr ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1987 zugrunde, welches bis heute nicht revidiert worden ist. Es kann deshalb von Staatsanwälten herangezogen werden, wenngleich untere Instanzen inzwischen die Patientenselbstbestimmung auf Rettungsverweigerung längst anders bewertet haben. [...]