Kinderkommission legt Bericht zur Bekämpfung von Kinderarmut vor

Jede Gesellschaft muss sich immer auch am Wohlbefinden, dem Gesundheitszustand und dem Zugang zu Bildungseinrichtungen messen lassen, so verlangt es die UN-Kinderrechtskonvention. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland die Konvention unterschrieben hat, sind nach wie vor über 20% der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren arm oder armutsgefährdet.

Dieser Frage widmete sich erneut die Kinderkommission des Deutschen Bundestags und stellte diesen Monat einen teilweise ernüchternden und entmutigenden Bericht vor. Erkenntnisse zur Bekämpfung von Kinderarmut und Präventivmaßnahmen, die die Gefahr des Abdriftens in Kinderarmut verringern, sind von Experten massenhaft vorgestellt und Beispiele aus skandinavischen Ländern zeigen, dass sie auch wirkungsvoll und effektiv sind.

Nichtsdestotrotz ist es löblich, dass die Kinderkommission so offen die bestehenden Probleme angesprochen hat und mit zehn Empfehlungen an die Bundesregierung zumindest positive Absichtserklärungen formuliert. Ob sich tatsächlich etwas verändert und im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen im Herbst außer Wahlkampf auch praktische Maßnahmen vonseiten der Regierung umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.

Dass ein Unterstützungsbeitrag für Kultur- und Musikunterrichtsausgaben von 10 Euro im Monat ein schlechter Witz ist, ist jedem klar, der schon einmal an der Musikschule angemeldet war. Auch der Sportverein bei dem Ausgaben von 10 Euro im Monat in den seltensten Fällen ausreichen, zeigen deutlich, dass hier mehr kommen muss, wenn auch armutsgefährdete Kinder am sozialen, kulturellen und sportlichen Leben teilhaben sollen. Da von Armut betroffene Kinder in der Regel auch immer in von Armut betroffenen Haushalten aufwachsen, fordert die Kommission Maßnahmen zu Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu treffen.

"Die Höhe der monetären Sozialleistungen muss sicherstellen, (…) dass Teilhabe und Entfaltung von Kindern gewährleistet sind und sie vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt sind. Sie müssen so gefasst sein, dass die Bedarfe von Kindern, die sich nach Lebensform, familiärer Situation, Wohnort, Alter und Förderungsbedarf unterscheiden, gedeckt sind", so die Forderung der Kinderkommission weiter. Die Berechnung der Kinderregelsätze und der Bedarf muss dringend reformiert und angepasst werden, da er alles andere als am soziokulturellen Existenzminimum orientiert ist.

Weiterhin ist es ein Unding, dass die Hürden für Leistungsberechtigte derart hoch sind, dass sie weder unbürokratisch, stigmatisierungsfrei noch transparent in Anspruch genommen werden können.

Als nächstes muss dafür Sorge getragen werden, dass keine Sanktionen für Fehlleistungen der Eltern im Zusammenhang mit dem SGB II getroffen werden, die direkt die Kinder treffen, da diese am wenigsten dafür können. Eine vielfältige Auswahl an Angeboten für Kinder und Jugendliche muss infrastrukturell so organisiert sein, dass alle Kinder unabhängig von ihrer finanziellen und sozialen Situation daran teilnehmen können und auch erreicht werden. Denn häufig gibt es zwar Angebote in der umliegenden Gegend, die aber nicht erreicht werden können.

Zwei andere leidvolle Themen, die inzwischen auch seit Jahrzehnten angeprangert werden, sind die sozialen Selektionsprozesse in der frühkindlichen und Grundschulausbildungszeit sowie das mangelhafte Betreuungsangebot in vielen Bundesländern, welches die Vereinbarung von Familie und Beruf erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht.

Abschließend fordert die Kinderkommission noch die Aufnahme eines eigenen Kapitels zur Kinderarmut im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, da die soziale Situation des familiären Haushaltes bzw. der Eltern fast immer in direktem Zusammenhang mit den von Armut betroffenen oder zumindest armutsgefährdeten Kindern steht.

Resümierend lässt sich feststellen, dass es ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder der Erde ist, dass über 20% der Kinder und Jugendlichen arm oder armutsgefährdet sind.

Im Hinblick auf die echte Euphoriestimmung, die der neue Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz ausgelöst hat und den Hoffnungen auf angekündigte Veränderungen bei der Agenda 2010 und bei ALG II (auch Hartz IV genannt), gibt es vielleicht Hoffnung, dass diese Baustelle einmal grundlegend angepackt wird.

Pessimistisch gesprochen könnte aber auch konstatiert werden, dass diese Empfehlungen ein knappes halbes Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen einfach nur ein Zeichen des guten Willens sind, welche aber in praktischer Umsetzung nach den Wahlen, wie auch immer die neuen Mehrheits- und Regierungsverhältnisse dann aussehen, wieder in der Schublade verschwinden.


Siehe: Stellungnahme der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) des Deutschen Bundestages zum Thema "Kinderarmut", Berlin am 09. März 2017.