Kommentar zum Siedlungsbau im Westjordanland

Israelische Regierung gießt weiter Öl ins Feuer

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Wie aktuell über den Nachrichtenticker ging, genehmigte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit anschließender Billigung durch das Sicherheitskabinett den ersten Siedlungsbau im Westjordanland seit über 20 Jahren (zuletzt 1992). Nach den Protesten gegen die Räumung der Siedlung Amona Anfang Februar beugten sich Ministerpräsident Netanjahu und das Sicherheitskabinett nun offenbar dem Druck der Siedler und genehmigten eine neue Siedlung im Westjordanland, nahe der palästinensischen Stadt Ramallah.

Wie das Handelsblatt unter Berufung auf politische Kreise in Israel verlautete, handele es sich bei dem Gebiet um eine Freifläche innerhalb einer schon genehmigten Siedlung, die dann lediglich als eigene Siedlungseinheit umdeklariert werde. Dass dies jedoch Augenwischerei ist, bleibt offensichtlich: Sind doch sämtliche Siedlungen – auch wenn viele durch die Knesset (das israelische Parlament) rückwirkend genehmigt und legalisiert wurden – durch die UN-Resolutionen1 nach wie vor illegal und nicht rechtens in ihrem Status.

In dieser ersten Siedlungsbaugenehmigung seit 1992 im Westjordanland zeigt sich offenbar auch das neue Selbstbewusstsein der Regierung seit der Amtsübernahme Trumps als Präsident der USA, der sich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Obama, als kein deutlicher Kritiker des Siedlungsbaus präsentierte.

Dass dies ein weiterer Schritt in Richtung Torpedierung eines wie auch immer gestalteten Friedensprozesses ist, ist mehr als deutlich.

Unverständlich bleibt auch, wie die Staatsräson einer hundertprozentigen Loyalität gegenüber Israel dazu führen kann, dass weder zum Siedlungsbau in Ostjerusalem noch im Westjordanland Kritik vonseiten der deutschen Regierung kommt. Ist das doch ein neuerlicher Bruch völkerrechtlicher Regelungen.

Es gibt mittlerweile einige UN-Resolutionen und Beschlüsse, die diese Politik gegenüber den Palästinensern verurteilen und es wurde völkerrechtlich längst klargestellt, von welchen Grenzen bei einer Zwei-Staaten-Lösung auszugehen ist: Welches Gebiet Hoheitsgebiet der Palästinenser und welches israelisches Hoheitsgebiet ist. Auch wurde Palästina 2012 in den Status eines "beobachtenden Nicht-Mitgliedsstaates" aufgewertet, womit Palästina eine Anerkennung vonseiten der UNO inzwischen gewährt bekam.

Selbst Präsident Trump hat Netanjahu im Februar aufgefordert, sich beim weiteren Genehmigen des Siedlungsbaus zurückzuhalten. Ob das nur ein Lippenbekenntnis war oder Trump in seiner Zeit als Präsident der USA der israelischen Regierung und Siedlerbewegung tatsächlich auf die Finger schaut und sein Veto beim illegalen Siedlungsbau einlegen wird, bleibt abzuwarten.

Dass sicherlich Schwerwiegendste an der neuerlichen Siedlungsbaugenehmigung ist, dass die Anfang Februar geräumte Siedlung Amona bereits illegal entstanden ist und die von Netanjahu versprochene Ersatzsiedlung nun durch eine neue völkerrechtlich illegale Siedlung auf von Israel besetztem, palästinensischem Land entstehen soll.

Mit einer solchen Genehmigung legt man all denjenigen, die sich nach Kräften bemühen, eine dauerhafte und friedliche Lösung für den Nahostkonflikt zu finden, einen weiteren Stolperstein in den Weg. Auch wenn innerhalb der palästinensischen Bevölkerung viele tatsächlich der Meinung sind, dass Israel lieber heute als morgen vernichtet werden soll, muss man sich davor hüten, diese Einstellung auf die gesamte palästinensische Bevölkerung zu übertragen. Außerdem sorgt gerade ein fast im Jahresturnus immer wieder neuer Status quo, der die Palästinenser in ihrem eigenen Land immer weiter zurückdrängt und Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft als Bürger zweiter Klasse definiert, dafür, dass sich einer Radikalorganisation wie der Hamas immer mehr Menschen anschließen, um zunächst einmal an ihrer persönlichen Lebenssituation etwas zu verbessern.

Motivierend ist, dass sich an der Politik Israels in Bezug auf die Siedlungspolitik etwas ändert, da die neuerliche Genehmigung auch innerhalb Israels große Empörung ausgelöst hat. Die Tagesschau berichtete, dass die israelische Organisation "Frieden Jetzt" die Entscheidung mit den folgenden Worten verurteilte: "Netanjahu ist die Geisel der Siedler und stellt sein politisches Überleben über das Interesse des israelischen Staates. Indem er sich dem Druck der Siedler beugt, führt Netanjahu Israelis und Palästinenser direkt in die Realität eines einzigen Staates, der Synonym für Apartheid ist."

Solch deutliche Worte einer israelischen Organisation machen Hoffnung, dass auch innerhalb Israels die Siedler der illegalen Wohnsiedlungen mit ihrer Fundamentalposition nicht die israelische Mehrheitsmeinung haben, wie sie es für sich immer wieder selbst beanspruchen.


  1. Unter anderem durch die UN-Resolution 476 aus dem Jahr 1980. Sie wurde verabschiedet zur eigenmächtigen Änderung des Status der Stadt Jerusalem durch das israelische Parlament. ↩︎