Auf den Philippinen regt sich mittlerweile auch Widerstand gegen die katholische Dominanz. Über die im Dezember 2013 gegründete "Internationale Humanistische Allianz der Philippinen" (HAPI) versuchen als "atheistische Missionare" bezeichnete Filipinos humanistische Ideale in der Bevölkerung zu verbreiten. Das gleicht allerdings einer Mammutaufgabe, da weit über 90 % der Bevölkerung katholisch sind und der Anteil sich selbst als Atheisten bezeichnender Filipinos bei 0,1 Prozent liegt.
Weiterhin hat die katholische Kirche auf den Philippinen eine solche Dominanz, dass die Humanisten und Atheisten unter Gefahr von Leib und Leben arbeiten müssen. Viele Ehrenamtliche der HAPI, unter anderem die Mitgründerin Marissa Torres Langseth, mussten aufgrund der Anfeindungen, Bedrohungen und erfolgten Misshandlungs- sowie Vergewaltigungsversuche inzwischen emigrieren. Langseth wanderte daher in die USA aus und versucht von da ihre Organisation so gut es geht weiterhin zu unterstützen.
Die Intention für die Gründung einer solchen Organisation lag in dem Fakt, dass es, obwohl fast ausschließlich christliche Gruppierungen Ausbildungs-, Sozial- und Gesundheitsprogramme mit ihrem selbsterklärten Moralanspruch in die Wege leiten, in dem Land eine unverändert hohe Zahl von mehr als 26 Millionen Menschen gibt, die in bitterer Armut leben. So wurden vor allem Mittellose und ärmere Menschen in die kirchlichen Strukturen getrieben, so dass das Land in weiten Teilen inzwischen radikal christlich ist. 1
Zu den erheblichen sozialen Problemen sorgt die krasse wirtschaftliche Ungleichheit natürlich noch für eine Multiplikation der Missstimmung und radikalen Positionen. Im Sumpf von politischer und wirtschaftlicher Korruption sehen viele Menschen der Philippinen ferner keinen anderen Ausweg als über eine emotionale Bindung an die Kirche und dort eine vermeintliche Stütze zu finden. Dass in dieser aufgeheizten Stimmung Humanisten und Atheisten, die den Menschen ihre vermeintlich letzte soziale Stütze auch noch wegnehmen wollen, dann Ziel für Anfeindungen und körperliche und seelische Angriffe sind, ist traurig, aber aus Mangel an Informationen über die wirklichen Verursacher der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit emotional verständlich.
Viele Jahrzehnte Fehlpolitik und christliche Indoktrination lassen sich eben nicht so ohne weiteres aus den Köpfen der Menschen holen.
Die HAPI versucht es trotzdem, indem sie ein eigenständiges, frei von religiösem, christlichen Einfluss, betriebenes Ausbildungs- und Förderungsprogramm auf die Beine gestellt hat. Damit ist HAPI eine von drei bestehenden Organisationen, die sich selbst als säkular verstehen, und der katholischen Kirche einen großen Anteil der Schuld an der wirtschaftlichen Ungleichheit und Armut zusprechen. Ihr sehr ehrenwertes Motiv ist, dass das "alte Konzept der notwendigen Präsens eines Gottes für das Vorhandensein von Moral und sozialem Miteinander" endlich der Vergangenheit angehören muss.
Die Kirche auf den Philippinen lasse nichts unversucht, so Sprecher der HAPI, der Bevölkerung Drohungen, für atheistische Bestrebungen (in den Augen der Kirche "ketzerisch") in die Hölle zu kommen oder in anderer Art zum Zeitpunkt des Todes bestraft zu werden, auszusprechen. Durch diese Dämonisierungen sind neben Marissa Torres Langseth zahlreiche weitere Ehrenamtliche inzwischen Opfer körperlicher Angriffe, mit Verletzungsfolgen, geworden.
Dies ist ein weiterer Beleg für die Gefahr zu mächtiger monotheistischer Glaubensgemeinschaften und wird auch am Beispiel der Bedrohungen und Anfeindungen sowie Misshandlungen und Angriffe deutlich, denen HAPI Ehrenamtliche, die sich einfach nur für ein faireres, sozialeres und gemeinverträglicheres Miteinander stark machen, ausgesetzt sind.
Vor dem Hintergrund wirkt es schon sehr seltsam, dass ausgerechnet Christen der HAPI missionarische Arbeit vorwerfen. Eine Religionsgemeinschaft, die seit ihrem Bestehen keinen Gewaltakt und im Zweifelsfall auch keinen Krieg gescheut hat, um ihre Glaubensdogmen über die ganze Welt auszubreiten. Zumal die HAPI mit dem Aufbau von Schulen und Sozialstrukturen und über die friedliche Kommunikation Menschen zu überzeugen sucht.
- Ebenfalls im Bericht auf der Seite der worldreligionnews.com nachzulesen und im statistischen Jahrbuch wie oben angegeben ↩︎
3 Kommentare
Kommentare
Martin Mair am Permanenter Link
Vielleicht sollte weniger GEGEN die Kirche gearbeitet werden als vielmehr FÜR die Aufklärung?
Der vorletzte Satz deutet schon auf eine ziemlich verzerrte und doktrinäre Sichtweise hin: "Eine Religionsgemeinschaft, die seit ihrem Bestehen keinen Gewaltakt und im Zweifelsfall auch keinen Krieg gescheut hat, um ihre Glaubensdogmen über die ganze Welt auszubreiten."
Die Kriege wurden zumeist schon noch eher von den weltlichen Herrschern geführt, die sich der Kirchen als Zuarbeiter versichert hatten. Der Kolonialismus wurde primär aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Wahn betrieben als aus religiösen Gründen. Das ist geradezu eine Verharmlosung des Imperialismus!
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Für ist immer besser als gegen, aber gegen ist auch immer mit ein Teil von für.
Gondel am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Mair,
"Prediger sind die allergrößten Totschläger. Denn sie ermahnen die Obrigkeit, dass sie entschlossen ihres Amtes walten und die Schädlinge bestrafe. Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen (Anm. geschätzt über 70.000); all ihr Blut ist auf meinem Hals. Aber ich schiebe es auf unseren Herrgott; der hat mir befohlen, solches zu reden ..."
"Denn die Hand, die das Schwert führt und tötet, ist dann auch nicht mehr eines Menschen Hand, sondern Gottes Hand, und nicht der Mensch, sondern Gott henkt, rädert, enthauptet, tötet und führt den Krieg ..."
Die Opfer des folgenden Dreißigjährigen Krieges werden auf sechs Millionen geschätzt, und auch für den Holocaust lieferte dieses Ungeheuer die ideologische Grundlage.
Bundespräsident und lutherischer Pastor Joachim Gauck in einer Rede vom 15.09.2015 in Frankfurt: "In einer Weise und Dringlichkeit, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können, ging es Martin Luther um sein und der Mitmenschen Seelenheil."
Ihre Imperialismus-Abscheu in allen Ehren, lieber Herr Mair, aber keinesfalls um den Preis einer Verharmlosung der Religionen.