Am vergangenen Wochenende fand im Oldenburgischen Kulturzentrum PFL ein Vortrag der Rechtsanwältin und ehrenamtlichen Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) Elke Neuendorf statt. Sie sprach über zwei äußerst wichtige Themen: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Veranstalter war der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg. Die Moderation übernahm die Sprecherin des Arbeitskreises, Angelika Salzburg-Reige. Die Veranstaltung zog rund 120 interessierte Zuhörer an.
Obwohl die DGHS seit dem Frühjahr 2020 ärztliche Freitodbegleitungen vermittelt, bezeichnet sich der Verein nicht als Sterbehilfegesellschaft. Die DGHS existiert bereits seit 1980 und setzt sich stark für die Selbstbestimmung am Lebensende in jeglicher Form ein. Die Aufgaben der DGHS sind vielfältig, wobei die Vermittlung von ärztlichen Freitodbegleitungen nur einen Teilbereich ausmacht. Der Verein betrachtet sich als Bürgerrechts- und Patientenschutzorganisation.
Auf der Homepage der DGHS kann jeder die erforderlichen Dokumente herunterladen, um eine individuelle Patientenverfügung zu erstellen. Ein besonderer Service für die Mitglieder der DGHS ist das Hinterlegen der Patientenverfügung bei der Geschäftsstelle. Mitglieder mit hinterlegter Patientenverfügung erhalten einen Notfallausweis und drei QR-Code-Aufkleber. Ein solcher QR-Code-Aufkleber kann zum Beispiel auf die Krankenkassenkarte geklebt werden. Durch das Scannen des QR-Codes ist die Patientenverfügung sofort abrufbar. Die Vordrucke der DGHS werden regelmäßig aktualisiert. Erhält sie neue Erkenntnisse bezüglich der Vorsorgedokumente, werden die Mitglieder informiert. So kann jeder prüfen, ob die hinterlegte Patientenverfügung verbessert werden sollte.
Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung
Neuendorf erklärte die Unterschiede zwischen den drei Vorsorgeinstrumenten Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung:
Eine Patientenverfügung tritt erst dann in Kraft, wenn eine Äußerung des Patienten nicht mehr möglich ist. Darin werden bestimmte medizinische Szenarien beschrieben und festgelegt, welche medizinischen Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden sollen, um ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Den meisten Menschen ist es wichtig, nicht als menschliche leere Hülle ewig lange am Leben erhalten und gepflegt zu werden. Dies wird aber so geschehen, wenn bestimmte medizinische Situationen eintreten und man in guten Zeiten seine Wünsche nicht verfügt hat. Wenn jemand in ein Wachkoma gerät, wird diese Person bis zum Lebensende künstlich ernährt und somit gegebenenfalls jahrzehntelang an die Decke starrend am Leben erhalten. In einem solchen Fall kann eine Patientenverfügung greifen.
Bei Diskussionen zum Thema Sterbehilfe sagen viele Menschen, dass ihre Kinder schon entscheiden werden, was mit ihnen geschieht. Leider ist dem nicht so. Die Kinder können nicht entscheiden, dass die künstliche Ernährung oder Beatmung eingestellt wird, wenn dies nicht in einer Verfügung geregelt ist und keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Daher sollte frühzeitig eine Patientenverfügung erstellt werden. Es ist auch ratsam, in einer Vorsorgevollmacht einen Bevollmächtigten festzulegen, der sich darum kümmert, dass diese Verfügung tatsächlich umgesetzt wird. Dieser Bevollmächtigte sollte die Wünsche und Sichtweisen des Patienten gut kennen, um bei medizinischen Fragen im Interesse des Betroffenen entscheiden zu können.
Leider kommt es vor, dass der in der Patientenverfügung festgelegte Wille vom Krankenhauspersonal nicht berücksichtigt wird. In solchen Fällen unterstützt die DGHS ihre Mitglieder. Sollte es zu medizinischen Maßnahmen kommen, die dem in der Verfügung ausgedrückten Willen eines DGHS-Mitglieds widersprechen, können die Bevollmächtigten oder Angehörigen die Organisation einschalten. Ihre Juristen setzen sich dafür ein, dass der Patientenwille vor Ort tatsächlich beachtet wird.
Medizinische Maßnahmen können ausgeschlossen werden, pflegerische nicht
Elke Neuendorf verwies darauf, dass mit einer Patientenverfügung medizinische Maßnahmen ausgeschlossen werden können. Bei pflegerischen Maßnahmen hat man allerdings keinen Rechtsanspruch, dass diese nicht durchgeführt werden. Das Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit ist eine pflegerische Grundversorgung. Wenn jemand verfügt, dass er im Falle einer fortgeschrittenen Demenz kein Essen und Trinken erhalten möchte, kann dies nicht rechtsverbindlich garantiert werden. Reicht die Pflegekraft dem dementen Patienten die Nahrung mit einem Löffel an, öffnet dieser den Mund und nimmt die Nahrung zu sich, so handelt die Pflegekraft rechtens. Anders verhält es sich, wenn die demente Person keine Nahrung zu sich nimmt und zum Beispiel beschlossen wird, eine Nahrungssonde zu legen. Dabei handelt es sich um einen medizinischen Eingriff und dieser kann mit der Patientenverfügung im Vorfeld ausgeschlossen werden. Wird die Sonde in einem solchen Fall dennoch gelegt, gilt dies als Körperverletzung und das Personal macht sich strafbar. Die Bevollmächtigten können rechtsverbindlich durchsetzen, dass diese Maßnahme rückgängig gemacht wird und die Person in Frieden sterben kann.
Die künstliche Ernährung ist in vielen Fällen sinnvoll, doch oftmals ist dieser Einsatz äußerst fraglich. Wenn Menschen am Ende ihres Lebens angekommen sind, verspüren sie kein Hunger- oder Durstgefühl. Der Einsatz einer Magensonde führt dazu, dass diese Menschen über Monate und Jahre im Bett dahinvegetieren. Das natürliche Sterben wird hinausgezögert. Ist die zu pflegende Person nicht mehr Herr ihrer eigenen Sinne oder unfähig, sich zu äußern, kann sie sich nicht dagegen wehren. Liegt keine Patientenverfügung und keine Vorsorgevollmacht vor, sind auch den Angehörigen die Hände gebunden.
Jeder kann in eine Situation geraten, in der er lebenslang auf künstliche Nahrung, künstliche Beatmung oder andere lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen ist, ohne sich mitteilen zu können – unabhängig vom Alter. Auch junge Menschen sind nicht vor Unfällen geschützt. Die Vortragende betonte, dass auch junge Menschen eine Patientenverfügung erstellen sollten.
Bevollmächtigten-Börse der DGHS
Vielen Menschen fällt es schwer, jemanden zu finden, den sie als Bevollmächtigten einsetzen könnten. Neuendorf erwähnte, dass in diesem Fall gegebenenfalls über die Bevollmächtigten-Börse der DGHS ein ehrenamtlicher Bevollmächtigter vor Ort gefunden werden kann.
Notarielle Vollmachten
Elke Neuendorf wurde gefragt, ab wann eine notarielle Beglaubigung oder Beurkundung der Vollmacht sinnvoll ist. Wenn es ausschließlich um medizinische Fragen geht, sei das Einschalten eines Notars nicht erforderlich, so die Antwort. Sollte jedoch jemand benannt werden, um Grundstücksgeschäfte oder gesellschaftsrechtliche Verfügungen für den Betroffenen zu übernehmen, wenn dieser dazu nicht mehr in der Lage ist, dann sei der Gang zum Notar notwendig.
Vorausverfügung Demenz
Im Vorfeld ihres Vortrags hatte ein Teilnehmer der DGHS-Vizepräsidentin die Frage zugesandt, ob verfügt werden könne, dass im Falle einer fortgeschrittenen Demenz Sterbehilfe durchgeführt werden soll. Neuendorf erklärte, dass ein solches Handeln eines Sterbehelfers als aktive Tötung gilt und in Deutschland verboten ist. Wenn zum Beispiel eine Infusion mit einer zum Tode führenden Flüssigkeit gelegt wird, muss der Sterbewillige die Infusion selbst öffnen. Voraussetzung für eine solche Hilfe ist allerdings, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist. Im Falle einer fortgeschrittenen Demenz werde jedoch jedes Gericht die Willens- und Entscheidungsfähigkeit aberkennen. Daher ist Sterbehilfe bei Personen mit fortgeschrittener Demenz in Deutschland nicht möglich. Das bedeutet, dass bei einer beginnenden Demenz das Umsetzen eines Sterbewunsches nicht zu lange hinausgezögert werden darf.
Zum Schluss führte die Vortragende aus, was eine Betreuungsverfügung ist und wann sie erstellt werden sollte. Liegen eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht vor, ist eine Betreuungsverfügung nicht erforderlich. Neuendorf erklärte ebenfalls die Unterschiede zwischen einem ehrenamtlichen Betreuer und einem Berufsbetreuer: Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt, kann das Betreuungsgericht einen Betreuer ernennen. Vorrang haben dabei ehrenamtlich tätige Personen. Ehrenamtliche Betreuer haben das Recht auf eine Aufwandsentschädigung. Sie können sich entweder ihre tatsächlichen Aufwendungen erstatten lassen oder eine pauschale Aufwandsentschädigung von 450 Euro pro Jahr und Betreuung erhalten. Diese Kosten trägt der Betreute; ist kein Geld vorhanden, übernimmt die Staatskasse. Ehrenamtliche Betreuer sind oft Familienangehörige, Freunde oder andere nahestehende Personen des Betreuten. In der Regel betreuen sie nur eine oder eine kleinere Anzahl von Personen und haben eine enge persönliche Bindung zu den Betreuten.
Ein Berufsbetreuer hingegen übt die Betreuung beruflich aus und erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung. Je nach Situation und Aufwand entstehen Kosten von circa 100 bis 400 Euro monatlich zu Lasten des Betreuten. Sind keine finanziellen Mittel vorhanden, übernimmt hier ebenfalls der Staat die Kosten, die bei einem Berufsbetreuer immer entstehen. Meistens handelt es sich um Personen, die eine spezielle Ausbildung oder Qualifikation im Bereich der Betreuung haben. Berufsbetreuer kümmern sich häufig um mehrere Personen gleichzeitig und übernehmen eine umfassende Verwaltung und Organisation. Die Kontroll- und Rechenschaftspflichten bei professionellen Betreuern sind oft strenger und formalisierter, während ehrenamtliche Betreuer weniger intensive Anforderungen erfüllen müssen.
Weitere Informationen zum Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg finden sich unter diesem Link.
Hinweis der Redaktion: Im Text war von notariellen Patientenverfügungen die Rede, dies ist falsch, hier geht es um Vollmachten. Korrigiert am 28.11.2024 um 13:15 Uhr.