Was Darwin nicht wissen konnte

Einblick in die Welt der Fische

NEU-BAMBERG. (hpd) Fische sind die meist verbreiteten und vielgestaltigsten Wirbeltiere auf der Erde. Unter Bezugnahme auf neueste Zählungen leben etwa 27.000 Arten von Fischen im Süßwasser und den Ozeanen unseres Planeten, davon sind etwa 14.000 Meeresfische. Im Vergleich sind das mehr Arten als alle anderen Wirbeltier-Arten wie Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen. Etwa 200 neue Fischarten werden jährlich wissenschaftlich neu beschrieben, und Entdeckungen bislang unbekannter Fische sind viel häufiger als die neuer Arten in den anderen Wirbeltier-Gruppen.

Viele Menschen haben eine konkrete Vorstellung, wie ein Fisch aussieht. Aber es gibt auch völlig untypische Gruppen, denn Muränen sehen wie Schlangen aus, Seenadeln und Aale werden mit Würmern verwechselt und die beweglosen Stein- und Anglerfische gleichen eher einem von Algen überwachsenen Felsbrocken als einem Fisch. Folgende charakteristischen Merkmale haben alle Fische: Kiefer, wobei der obere meist unbeweglich ist. Kiemen, die lebenslang vorhanden sind. Innere Ohren mit drei Kanälen. Gut entwickelte Augen. Einzel- und Paarflossen. Und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Skelett. Dabei unterscheidet man Fische mit einem Knorpelskelett, wie Rochen und Haie, von Fischen mit einem Knochenskelett, der hier besprochenen und illustrierten Flossenträger. Fische kommen in allen Formen und Größen vor, denn sie haben sich im Laufe der Evolution ihrem jeweiligen Lebensraum angepasst.

Fischnamen

Für viele Meeresfische gibt es diverse Populärnamen, allerdings ist damit eine internationale Verständigung kaum möglich. Denn ein Fischer in Japan benennt einen Fisch anders als zum Beispiel ein Australier, der dieselbe Art am Großen Barrierriff fängt. Oder ein Taucher aus Deutschland möchte seinem Tauchkameraden aus Spanien nach einem Tauchgang auf den Malediven einen gerade fotografierten Fisch nennen, wird aber nicht verstanden. Es ist deshalb das Verdienst des schwedischen Naturforschers Carl von Linné, die "binäre Nomenklatur" im 18. Jahrhundert eingeführt zu haben, durch die jede Art mit einem zweiteiligen, latinisierten Namen bedacht wurde. Dieser wissenschaftliche Name setzt sich aus dem Gattungsnamen (1. Teil) und dem Artnamen (2. Teil) zusammen und ist weltweit unverwechselbar. Sein System hat internationale Gültigkeit für alle Tiere und Pflanzen, erleichtert somit auch das Bestimmen von Fischen.

Fischfarben

Im Oberflächenwasser des offenen Meeres sind die meisten pelagischen Fische oben dunkel und von unten silbrig hell gefärbt, um ihre Gestalt im lichtdurchfluteten Wasser je nach Sichtweise eines angenommenen Fressfeindes aufzulösen. Fische unterhalb von 400 m sind dagegen schwarz oder zumindest tiefrot, denn hier wirkt auch rot wegen des Lichtmangels wie schwarz. Im Gegensatz zu den silberfarbenen Hochseefischen haben die bodenbewohnenden Fische komplizierte, vielfarbige Muster. Insbesondere Korallenfische sind für ihre wunderschönen augenfälligen Regenbogenfarben versehen mit Bändern, Balken, Längsstreifen und Augenflecken bekannt, lassen aber viele Fragen für den neugierigen Beobachter offen.

Mondfisch Mola mola, größter Knochenfisch (bis 3m) der Ozeane, Foto: © Archiv Debelius
Mondfisch Mola mola, größter Knochenfisch (bis 3m) der Ozeane, Foto: © Archiv Debelius

Bestimmte Fische können nämlich ihre Färbung je nach Stimmungslage, Tages-/Nachtzeit und sozialem Umfeld sehr schnell ändern. So weist dann derselbe Fisch mehrere Farbmuster auf, von denen jedes einem bestimmten Zustand entspricht. In anderen Fällen weisen gleichartige Fische unterschiedliche Farben auf, die über einen langen Zeitraum stabil bleiben. Man spricht dann von Färbungsphasen, so bei unterschiedlicher Färbung von männlichen und weiblichen Fischen einer Art, was der einfacheren Erkennung von Geschlechtspartnern dient. Erstaunliche Änderungen im Farbkleid beim Heranwachsen vom jugendlichen zum adulten Fisch sind auch aus einigen Familien bekannt.

Futter der Fische

Das Nahrungsspektrum von Fischen ist sehr groß und beginnt bei Mikro- und Makroplankton bis zu Algen, diversen niederen Tieren, anderen Fischen, marinen Säugetieren, Vögeln und sogar Schildkröten. Indem man sich die Zähne eines Fisches genau anschaut, kann man schon auf seine Nahrung schließen, und das ist nicht nur auf Haie bezogen. Pflanzenfresser wie Doktor-, Papageifische und Riffbarsche ernähren sich von Algen, Seegras und Detritus und verbringen damit fast den ganzen Tag. Planktonfresser unterscheidet man in Filtrierer und Plankton-Picker. Knochenfisch-Filtrierer wie die Großmaul-Makrele Rastrelliger kanagurta besitzen zahlreiche, dichtgestaffelte Kiemenreusen zu diesem Zweck und können das zahnlose Maul bei Planktonschüben erheblich erweitern. Diese Art hat sich dermaßen spezialisiert, dass sie zu gerade ablaichenden anderen Fischen schwimmt, um den Laich aufzusaugen. Knorpelfisch-Filtrierer wie die Fischgiganten Walhai und Manta öffnen ebenfalls ihre Mäuler aufgrund ihrer Größe gleich scheunentorartig, um die planktonischen Tiere wie niedere Krebse, Larven von höheren Krebsen und Fischen sowie Weichtiere über ihre Kiemenreusen zu sammeln und weiter in den Magen zu verfrachten.

Als reine Plankton-Picker kennt man Füsiliere, Fahnenbarsche und diverse Riffbarsche, die in großen Gruppen an Riffwänden oder über Korallenbänken im freien Wasser ihre Lieblingsspeise aus dem Plankton heraussuchen. Es gibt aber auch Gelegenheits-Planktonjäger, die eigentlich mehr an Pflanzen und anderem bodengebundenen Futter interessiert sind, wie einige Kaiserfische oder die Ruder- und Fledermausfische. Ziehen aber Planktonschübe vorrüber, ist diese Nahrung für sie erste Wahl und sie schwimmen schnell ins freie Wasser. Viele Riffbarsche sind territoriale Pflanzenfresser und verteidigen ihr Algen-Areal heftigst auch gegen viel größere Fische, die in ihrem Revier weiden wollen. Reine Fischjäger wie Thunfische leben meist im Freiwasser und erfinden unglaubliche Techniken, um allein oder zusammen mit Artgenossen andere Fische zu erbeuten.

Sex der Fische

Die meisten Meeresfische produzieren Eier. Lipp-, Papagei- und Doktorfische und viele andere Familien entlassen ihre Geschlechtsprodukten in freiem Wasser. Das Ablaichen geschieht in den Abendstunden und schon zuvor weist die unruhige Schwimmweise der Fische darauf hin. Abgelaicht wird in Paaren aber auch in Gruppen bis zu Tausenden von Fischen derselben Art. Ein solcher Ablauf entwickelt sich langsam, kulminiert aber dann, wenn alle Beteiligten zur Wasseroberfläche schießen und abrupt zum Boden zurückkehren. An der obersten Stelle ihres Aufstieges stoßen die Tiere zusammen Eier und Sperma aus. Die Reproduktionsaktivitäten hängen überwiegend mit den Mond- und Gezeitenphasen zusammen. Die pelagischen Eier treiben in Oberflächennähe und schlüpfen nach 1–2 Tagen. Die schnell wachsenden tropischen Larven ernähren sich zunächst von einem Dottersack und driften oft bis zu 2 Monate umher, wobei sie andere Planktontierchen fressen. In kalten Gewässern kann das Larvenstadium 5 Monate dauern und Aallarven werden sogar 12 Monate alt.

Schnorchlerin schaut auf Clownfische in einer Anemone, Foto: © Archiv Debelius
Schnorchlerin schaut auf Clownfische in einer Anemone, Foto: © Archiv Debelius

Eine andere Fortpflanzungsweise haben Fische, die ihre Eier am Boden, manchmal in Felsspalten, in Sandmulden oder auf Invertebraten wie Schwämmen, Korallen oder Gorgonien befestigen. Die bekanntesten Substratlaicher sind Riffbarsche, Grundeln und die Drückerfische. Normalerweise behandeln sie erst die Oberfläche, auf der sie die Eier platzieren wollen, indem sie Algen und Detritus entfernen. Das Balzverhalten der Substratlaicher ist an gegenseitigem Verfolgen und dem Aufstellen der Flossen deutlich zu erkennen. Diese Vorgänge wurden bei Riffbarschen intensiv studiert. Hier kümmern sich eines oder beide Elternteile um die Eier im Nest bis sie schlüpfen. Brutbewachende Drückerfische können sehr aggressiv werden und sogar Taucher angreifen, die nichtsahnend über das in einer Sandmulde befindliche Nest schwimmen wollen. Eine sehr ungewöhnliche Brutpflege betreiben die Kardinalbarsche: Das Männchen nimmt die Eimasse nach der Befruchtung ins Maul und schützt sie somit bis zum Schlupf. Ähnlich schützen die Seepferdmännchen ihre Nachkommen in einer Bruttasche. Die Eier dieser Fische und verschiedener Substratlaicher sind generell größer, weniger zahlreich und haben eine längere Reifezeit als die Eier der Freiwasserlaicher. Bei den Anemonenfischen kann es bis zum Schlüpfen eine Woche dauern. Nach neuesten Forschungen siedeln sich deren Nachkommen nahe der Schlupfstelle an.

Wie lange leben Fische?

Es gibt nur geringe Information über die Lebensdauer der meisten Meeresfische, so über den Ur-ur-ur…Fisch-Großvater. Um das Alter nestbauender Riffbarsche der Gattung Parma in Neuseeland zu bestimmen, reicht ein Menschenleben nicht aus. Bis zu 150 Jahre werden die Männchen alt und brüten immer noch jährlich. Keiner kann die produzierten Nachkommen zählen. Generell erreichen große Rifffische wie Zackenbarsche oder Schnapper ein höheres Alter als kleine Arten. Forschungen an den Ohrsteinen haben gezeigt, dass Zackenbarsche 25 und Schnapper 20 Jahre alt werden. Das Wissen um die Lebensdauer kleinerer Fische stammt aus Aquarien, wo die Fische allerdings keinen Räubern ausgesetzt sind. Fledermausfische wurden 20 Jahre und kleine Arten wie Kaiser- und Falterfische mehr als 10 Jahre alt. In den großen internationalen Schauaquarien kann man Riffische bewundern, die dort doppelt so alt werden wie unter dem Leistungsdruck in freier Natur.