Blühende Landschaften: Wirklichkeit?

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Foto/Montage: Thomas Häntsch

(hpd) „Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“ (Bundeskanzler Helmut Kohl 1990)

Mit diesen Worten illustrierte der damalige Bundeskanzler am 1. Juli 1990 in einer Fernsehansprache das Ziel der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, die durch einen Staatsvertrag am 1. Juli 1990 besiegelt wurde und die Wiedervereinigung der beiden Nachkriegsstaaten deutscher Nation ermöglichte.

Helmut Kohl ließ nicht ab von seiner Überzeugung oder war es eher eine Vision? Jedenfalls gebrauchte er ein Jahr nach Inkrafttreten des Vertrages noch einmal diese geflügelten Worte. Er war nun noch hoffnungsvoller und meinte, dass man dieses hehre Ziel durch vereinte Anstrengungen sogar in ein paar Jahren schaffen könnte. Zitat: „Und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass wir in den nächsten drei bis vier Jahren in den neuen Bundesländern blühende Landschaften gestalten werden …“

Es hat länger gedauert, doch das frisch verheiratete deutsche Volk scheint ihm geglaubt zu haben, denn das Wahlergebnis der ersten freien und gesamtdeutschen Wahl sprach in dieser Hinsicht eine sehr eindeutige Sprache. Diese Deutlichkeit war jedoch auch das Ergebnis der großen Wendezeit - Euphorie, die soweit ging, dass laut mahnende Stimmen schlichtweg kein Gehör fanden. Es waren vor allem die Stimmen, die auf die enormen Kosten und Risiken hinwiesen. Die rasche Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten konnte nichts aufhalten – auch Ochs und Esel nicht. Diese Tiere zog Erich Honecker noch für den Zustand der DDR heran, als er am Flughafen auf die Ankunft Gorbatschows wartete und mit Journalisten sprach.

Heute, 20 Jahre danach, wissen wir aus eigener Erfahrung, was aus der deutschen Einheit geworden ist. Den verantwortlichen Akteuren von damals – egal welcher politischen Richtung sie angehörten – muss man trotz aller Widrigkeiten Respekt zollen. Denn für die Lösung einer derartig komplexen Aufgabe gab es keine Erfahrungen und schon gar kein Lehrbuch. Das Ziel der Wiedervereinigung, dass in all den Trennungsjahren in der Bundesrepublik nie ganz aufgegeben wurde, schien wohl so utopisch gewesen zu sein, dass sich nie jemand ernstlich mit der praktischen Umsetzung befasst hatte.

Es wird in diesen Tagen wieder viel gelobt, getadelt, gefeiert und auch nach 20 Jahren noch gejammert. Denn nicht wenige sind davon überzeugt, dass es ein Fehler war und die versprochenen blühenden Landschaften immer noch auf sich warten lassen. Einige Mitmenschen halten das Ganze sogar für eine Steppe, in der das eigene Überleben zu große Anstrengungen erfordert, als dass sie mithalten können. Weit mehr der Deutschen sind ganz zufrieden mit dem Erreichten. Umfragen zeigen einen Trend, der die Menschen, die sich im geeinten Deutschland wohl fühlen, im Aufwind sieht.

Zurück zu den Worten Kohls. Er versprach blühende Landschaften – nicht mehr und auch nicht weniger. Egal, wie man zu Kohl und zur Politik der CDU steht. Es ist eine Tatsache, dass der Kanzler der Einheit keinen Rosengarten, keinen hübschen Rasen und schon gar nicht einen Garten Eden versprochen hat. Das hätte man ihm wahrscheinlich auch in der Wendezeit nicht abgenommen.

Was sind eigentlich blühende Landschaften? Monokulturen des Wohlstandes?
Eher nicht - sie sind die Mischung von Flora und Fauna aller Couleur. Dort wachsen nicht nur die lieblich duftenden Pflanzen, die uns gefallen. Nein, dort gibt es auch die Spezies, die brennen, stechen oder stinken. Und so manches Getier macht den anderen das Leben schwer.

Das alles ist Realität im Deutschland im Jahre 20 nach dem Zusammenschluss.
Es blüht allerorten und ist voll von der oben beschriebenen Vielfalt. Beispiele gibt es genug.

So düngen wir seit vielen Jahren den Boden, auf dem die Einheit grünt, mit Geld aus dem Solidaritätszuschlag. Auch wenn mit diesen Mitteln nicht immer sorgsam umgegangen wurde, geholfen hat`s. Nur sollte man heute darüber nachdenken, dass man nicht überdüngt, sonst kehrt sich der Nutzen um.

Geerntet wurde dagegen in den neuen Ländern von Anfang an und auf Teufel komm raus. Was nicht gut genug war, blieb liegen und verrottete. Betriebe, die heruntergewirtschaftet waren wurden ebenso abgewickelt wie wenigen die durchaus überlebensfähig und somit Konkurrenz waren.

Es gibt einige Beispiele, die belegen, dass auch Ostdeutsche Unternehmen die Stärke haben, sich im gesamtdeutschen Markt zu behaupten. Wenn zum 20.Jahrestag die eine oder andere Flasche Sekt von „Geldermann“ getrunken wird, dann steht die ostdeutsche Marke „Rotkäppchen“ dahinter – auch wenn es nicht drauf steht. Andererseits wurde nicht alles platt gemacht, was im Osten gut war. Wer will, kann seine Wäsche immer noch mit „SPEE“ waschen, auch wenn`s dann doch von Henkel ist.

Der Boden ist nicht härter geworden durch die Einheit, er hat sich nur verändert. Die sozialen Netze tragen noch, auch wenn es Einschränkungen gibt. Ursache dafür ist nicht nur der Einheit sondern auch dem demografischen Wandel geschuldet. Und mal ganz ehrlich, es sind diese dichten Netze, die „hüben wie drüben“ den einen oder anderen verleiten, es sich darin gemütlich zu machen. Von Steppe kann da keine Rede sein. Selbstverständlich ist nicht überall alles gleich angenehm, doch das war es vor der Wende auch nicht und ist nicht Kennzeichen einer blühenden Landschaft.

In den 20 Jahren seit der Wiedervereinigung ist eine Generation herangewachsen, die 1990 noch gar nicht geboren oder im Kleinkindalter war. Eines Tages wird man vielleicht (in Anlehnung an den Begriff „Nachkriegsgeneration“) von der „Nachwendegeneration“ sprechen, die die Ärmel hochkrempelte, um Deutschland im Zeitalter der Globalisierung fit für die Zukunft zu machen. Die Frage: „Kommst du aus dem Osten oder aus dem Westen?“, stellt sich für die Jungen nicht mehr. Es geht darum, was einer kann und leisten will.

Deutschland steht immer noch gut da in der Welt, daran geht kein Weg vorbei. Die Ostdeutschen mussten sich nach der Wende ein Stück weit mehr umstellen, als ihre Landsleute im Westen. Der eine hat mehr gezahlt als Gewinn gemacht. Aber alle miteinander haben sie eines geschafft.

Sie stehen sich nicht mehr in den Zwangsjacken rivalisierender Militär- und Wirtschaftsblöcke gegenüber. Diese Nachkriegszeit war ein äußerst gefährlichster Frieden. Heute haben Frieden ohne waffenstarrende Armeen vor und hinter Stacheldraht. Und wir haben die Zuversicht, dass er erhalten bleibt. Das allein ist eine „Blütenpracht“, die wir uns des Öfteren vor Augen führen sollten
Da gerät das eine oder andere „Unkraut“ schnell in den Hintergrund.

Thomas Häntsch