Pius XII und der Holocaust

Das Beispiel der Niederlande

Als Beweis für die Existenz von Repressalien führen die Pius-Apologeten oft das Beispiel der Niederlande an. Dort hatte Bischof de Jong 1942 gegen die anlaufenden Judendeportationen protestiert, was zur Folge hatte, dass auch die getauften Juden katholischen Glaubens nach Auschwitz geschickt wurden. Dass de Jongs Entscheidung aber korrekt war, zeigte sich, als der Befehl erging, auch die getauften Juden evangelischen Glaubens zu deportieren, obwohl die evangelischen Kirchen nicht öffentlich protestiert hatten.

Die Haushälterin des Papstes, Pasqualina Lehnert behauptete aber felsenfest, dass der Papst zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich glaubte, Juden durch sein Schweigen vor harten Repressionen zu schützen. Einen bereits formulierten Protest habe Pius XII. verbrannt, als er bei von den Ereignissen in den Niederlande hörte. Bei einer genaueren Untersuchung zeigt sich jedoch, dass die Aussage an vielen Stellen logische Widersprüche enthält. Die ohnehin nicht sehr stimmige Aussage wird auch dadurch nicht schlüssiger, dass sie sich laut Pasqualina Lehnert 1942 ereignete, im Film aber auf das Jahr 1943 verlegt wird.

Doch auch wenn sich nachweisen lässt, dass der Vatikan auf die Rettung von Juden hinarbeitete, wird Pius XII. dadurch nicht zu einem Vorkämpfer der Humanität. Domenico Tardini legte dem Papst im Frühjahr 1943 nahe (nach der Schlacht von Stalingrad zeichnete sich die Niederlage Hitlers ab), dass man Juden retten müsse, da sie nach Kriegsende „auf Seiten der Sieger“ stünden und dass man nicht zulassen dürfe, dass die Schuld am Holocaust auf die Kirche abgewälzt werden könne.

Fluchthilfe des Vatikans für Nazis nach Kriegsende

Der elementarste Sachverhalt, den der Film verschweigt, ist jedoch die Fluchthilfe des Vatikans für untergetauchte Nazis nach Kriegsende. Die katholische Kirche sah in den Entscheidungsträgern des NS-Staates hilflose Verfolgte, die vor bolschewistischen Racheakten geschützt werden mussten. Die deutschen und österreichischen Bischöfe beklagten öffentlich wie privat die Entnazifizierungsmaßnahmen der Alliierten als zu hart und zu pauschal. Außerdem seien die meisten Funktionäre nichts weiter als Befehlsempfänger gewesen, die man nicht zu Sündenböcken für die Verfehlungen der obersten Führungsclique machen durfte.

Auch im Vatikan war diese Einstellung verbreitet. Bischof Alois Hudal, Rektor der deutschen Nationalkirche in Rom, konnte also auf Hilfe von oben hoffen, als er begann, sein Fluchthilfenetzwerk, das später als „Rattenlinie“ bekannt wurde, aufzubauen. In den späten 40ern konnte er über 200 hochrangigen Nazis zur Ausreise nach Südamerika verhelfen, darunter auch Größen wie Adolf Eichmann oder Josef Mengele.

Weniger bekannt ist, dass der Vatikan auch fast die gesamte Staatsführung des kroatischen Vasallenstaates schützte. Die faschistischen Ustascha hatten in Kroatien ein betont katholisches Regime geschaffen und hunderttausende orthodoxe Serben getötet.

Lukas Mihr

 

Weblinks:

Kritische Betrachtung des Arguments der Niederlande

Über die Fluchthilfe des Vatikans für verfolgte Kriegsverbrecher

Stellungnahmen deutscher Bischöfe zum 2. Weltkrieg