WEIMAR. (hpd). Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat ihre Kritik am neuen Thüringer Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft bekräftigt.
Durch die vorgesehenen Kürzungen der staatlichen Finanzhilfe werde die Existenz der freien Schulen gefährdet.
Das sagte EKM- Bildungsdezernent Christhard Wagner am 15. November in Erfurt. Mit dem vorliegenden Entwurf würden zudem der "Erfolgsweg" der pluralen Bildungslandschaft im Freistaat verlassen und der Konsens der vergangenen Jahre mit dem Kultusministerium aufgekündigt, fügte der Oberkirchenrat hinzu. Zum Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft, das bis 2015 gelten soll, ist am Mittwoch im Erfurter Landtag eine ganztägige Anhörung vorgesehen. Vor der geplanten Verabschiedung im Dezember müsse das Kultusministerium zum Kienbaum-Gutachten von 2006 zurückkehren, das eine exakte Ermittlung der tatsächlichen Schülerkosten ermögliche, forderte der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Schulstiftung, Kirchenrat Marco Eberl.
Also nimmt die evangelische Kirche in die Pflicht, oder wie darf man das oben gesagte verstehen? Nach jüngsten Äußerungen der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) anläßlich der Präsentation von Carsten Frerks „Violettbuch Kirchenfinanzen“ sei das absolut nicht der Fall, sondern lediglich eine böswillige Unterstellung, die Kirche diene vielmehr der Gesellschaft.
Und... in welcher Zeit leben die beiden evangelischen Amtsträger? Sie kritisieren das Thüringer Kultusministerium... Also ein für kirchliche Angelegenheiten zuständiges Ministerium... Das auch für freie (einschließlich der in kirchlicher Regie befindlichen) Schulen zuständige Ministerium nennt sich korrekt „Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur“. Es wird übrigens seit 2009 von dem evangelischen Pastor Christoph Matschie (SPD) geführt.
157 Thüringer Schulen in Freier Trägerschaft
Worum geht es konkret? Zunächst, Schulen in freier Trägerschaft sind fester Bestandteil des Thüringer Schulsystems. Es gibt aktuell 157 Schulen in freier Trägerschaft, das entspricht einem Anteil von 15 Prozent aller Schulen. Bei Berufsschulen ist sogar jede zweite (56 Prozent) in freier Trägerschaft. Der Schüleranteil im allgemeinbildenden Bereich beträgt 6,7 Prozent (Bundesdurchschnitt 7,7 Prozent), im Bereich der berufsbildenden Schulen 16,1 Prozent (Bundesdurchschnitt 8,4 Prozent). Insgesamt lernen 23.100 Schülerinnen und Schüler an freien Schulen.
Zur Novellierung des von den Klerikern angesprochenen Gesetzes sagt die SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Künast u.a.: „Die Geltungsdauer des bisherigen Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (erlassen 2005, in Kraft seit 1.1.2006) endet am 31. Dezember 2010. Deshalb ist eine Neuregelung notwendig. Das Kabinett bestätigte am 28. September 2010 im 2. Durchgang die Neufassung. Der Gesetzentwurf, der intensiv diskutiert wurde, wird nun dem Landtag zugeleitet. Das neue Gesetz soll wiederum fünf Jahre gelten. Mit dem neuen Gesetz beabsichtigt die Landesregierung angesichts der Haushaltssituation des Freistaats moderate Kürzungen im Bereich der freien Schulen. Die öffentliche Debatte vermittelte teilweise den Eindruck, dass die freien Schulen durch das neue Gesetz in ihrer Existenz bedroht werden. Dem ist nicht so! Tatsächlich liegen die Zuwendungen des Landes an Schulen in freier Trägerschaft bisher deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zielrichtung des Gesetzes ist es, von überdurchschnittlichen Zuwendungen auf den Durchschnitt der Bundesländer zu kommen, ohne an der auskömmlichen Ausstattung zu rütteln.“
Entbürokratisierung nutzt sogar den Kirchen
Wenn man sich den von der EKM kritisierten Gesetzentwurf anschaut, kann man feststellen, daß es sich hier um kein Finanzierungsgesetz handelt. Es regelt vielmehr alle Rechtsverhältnisse der freien Schulträger. Der neue Entwurf sieht hier eine deutliche Entbürokratisierung vor. Laut Künast gibt es - entgegen der Regelung für staatliche Schulen - keinerlei Genehmigungspflicht mehr für Schulleiter, weil diese an freien Schulen oft noch andere Aufgaben hätten. Voraussetzung soll jedoch ein Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Berufserfahrung sein. Also können so die Kirchen ihr Personal auf Chefposten hieven, auch wenn dieses keinerlei pädagogische Qualifikation vorweisen kann.
Festgeschrieben sei auch mehr.Verlässlichkeit beim Genehmigungsverfahren. Reicht ein freier Träger seine Genehmigungsunterlagen rechtzeitig ein (3 Monate vor Schuljahrbeginn), garantiert das Ministerium eine Entscheidung innerhalb von sechs Wochen. Der Schulträger erhalte damit Planungssicherheit.
Mehr Gestaltungsspielraum bei Geldverwendung
Das neue Gesetz gewähre außerdem mehr Flexibilität bei der Verwendung der Finanzmittel. Im bisher geltenden Gesetz war eindeutig festgeschrieben, daß freie Schulen 85 Prozent der staatlichen Zuwendungen fürs Personal und 15 Prozent für Sachkosten auszugeben hätten. Künftig solle dieser Anteil frei variiert werden dürfen.
Allerdings wird im Entwurf neben der Organisation der freien Schulen auch deren Finanzierungsrahmen neu geregelt. Hier werde es lt. Künast zwei zentrale Änderungen geben:
„1.Neue Berechnungsmethode „Soll- Statt- Ist“. Bisher war die Bezugsgröße für die Fördersätze die absoluten Personalkosten im staatlichen Schulwesen. Wie jeder weiß, sind diese Kosten in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen, nachdem die Teilzeitverbeamtung für verfassungswidrig erklärt wurde. Wäre alles so geblieben, würde Thüringen nicht nur einen Lehrerüberhang in staatlichen Schulen (Regelschulen, Gymnasien) haben, sondern im entsprechenden Maße auch die freien Schulen höher ausstatten. Diese Praxis wird geändert. Künftig ist der Soll- Wert im staatlichen System die Bezugsgröße.
2.Generelle Wartefrist. Grundsätzlich gilt für alle neuen Schulen eine dreijährige Wartefrist, bevor ein Anspruch auf Förderung entsteht. Die bisherige Regelung sah hier Ausnahmen bei Schulträgern vor, die sich an einem anderen Standort bereits bewährt hatten. Diese Regelung hatte in der Aufbauphase ihren Sinn. Heute gibt es jedoch keine Zweifel mehr an einer prinzipiellen Verankerung der freien Schulen in Thüringen. Nicht die freien Schulen generell müssen sich bewähren, sondern der einzelne Standort. Damit fällt auch der Grund für eine Sonderregelung weg. Ausnahmen gelten künftig nur noch bei der Umwandlung einzelner Schulen, dann wird ein bereits bewährter Zweig weiter gefördert.“
Notwendig wäre wirkliches Umdenken
Aber könnte die Thüringer Landesregierung nicht auch mal beispielgebend und richtungsweisend für ganz Deutschland sein mit einer wirklichen Innovation? Daß Schulen in kirchlicher Trägerschaft, die ja in erster Linie das christliche Weltbild vermitteln sollen, auch zu 100 Prozent von der Kirche finanziert werden? Oder daß der Staat nur noch weltanschaulich neutrale Schulen fördert, egal ob staatliche oder solche in freier Trägerschaft.
SRK